Arirang-Massenspektakel Kim sägt überraschend Nordkoreas grösste Propagandashow ab

phi

5.6.2019

Eine Impression vom «Arirang Festival» im Juli 2013.
Eine Impression vom «Arirang Festival» im Juli 2013.
Bild: Keystone

Beim Massenspektakel «Arirang Festival» feiert Nordkorea sich selbst – und seinen Führer. Doch ausgerechnet Kim Jong-un hat der mehrtägigen Show nun den Stecker gezogen.

Der Schweizer Bundespräsident stellt in der Presse den Fortbestand des Band-Budenzaubers «Basel Tattoo» infrage, und die Veranstalter blasen nicht Ueli Maurer den Marsch, sondern das Kapellen-Konzert ab – ein Vorgang, der hierzulande nicht denkbar, aber in Nordkorea gerade graue Wirklichkeit geworden ist.

Pjöngjang hat angekündigt, das berühmt-berüchtigte «Arirang Festival» vorerst einzustellen, dessen diesjährige Ausgabe am Montag erst begonnen hat. Der Grund: Kim Jong-un hat die altmodisch anmutenden Massenspiele mit Zehntausenden Teilnehmern öffentlich kritisiert. Andere Länder, andere Sitten, sagt dazu wohl der Volksmund.

Mehrtägiges Proagandaspektakel

Die Volksrepublik hatte den Propaganda-Reigen 2002 ins Programm gehievt, bis 2013 mit Ausnahme von 2006 jährlich abgehalten und nach fünfjähriger Pause 2018 wieder aufgenommen – unter dem neuen Namen «Das glorreiche Land». Das mehrtätige Spektakel gilt wegen seiner symbolschwangeren Show eigentlich als bedeutender ideologischer Baustein im Fundament der Diktatur. Umso mehr überrascht die Kritik, die ja nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern vor allem von allerhöchster Stelle kommt.

Ein Video vom letztjährigen Festival.

Die britische «BBC» berichtet unter Berufung auf nordkoreanische Staatsmedien, dass Kim Jong-un das Festival «wegen falschen Schöpfungsgeistes und unverantwortlicher Arbeitseinstellung ernsthaft kritisiert» habe. Dazu muss man wissen, dass talentierte Bürger schon ab dem Alter von fünf Jahren für die Veranstaltung rekrutiert werden und jene in der Regel über viele Jahre für die pompöse und aufwendig choreografierte Megashow arbeiten.

Propaganda-Lichtshow auf leerem Hotel:

Expertin Minyoung Lee stellt unterdessen auf «BBC»-Nachfrage einen Zusammenhang mit einer Ankündigung vom März her, wonach Nordkoreas Führung bei der Propaganda neue Wege gehen wolle. Seitdem würden die Medien vermehrt vor einem «bürgerlichen Lebensstil» und «unsozialistischen Phänomenen» warnen. Neu ist das politische Tauwetter, das im Treffen mit Donald Trump mündete.

Zu entspannt?

«Pjöngjang könnte sich Sorgen machen wegen der Auswirkungen der Entspannungspolitik und der sanfteren Rhetorik gegenüber Südkorea oder den USA auf die Menschen im eigenen Land», deutet Lee das Geschehen. Da bei den US-Gesprächen und den bestehenden Sanktionen kein Weiterkommen in Sicht sei, könnte der Schritt als eine Vorbereitung auf härtere Zeiten interpretiert werden. Das Motto: nationale Einheit gegen etwaige Einmischungen von aussen.

Kim-Trump-Gipfel ohne Einigung:

Doch was ist mit der These, dass dem Diktator einfach die Auftaktshow nicht zugesagt habe, die er am Montag mit seiner Frau besucht hat?

Kim Jong-un Sonderzug:

Touristen melden jedenfalls laut der Nachrichtenagentur «Reuters», dass das Festival nur pausieren würde. Und es heisst, dass die Veranstalter eine Chance erhalten würden, Kim Jong-un doch noch ein Lächeln zu entlocken. Das könne aber Tage oder auch Wochen dauern.

Eine letzte Binsenweisheit: In Nordkorea ticken die Uhren nun mal anders.

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