«Einfacher zu erziehen» Eltern favorisieren laut Studie eher Mädchen

Lea Oetiker

23.1.2025

Mütter und Väter sollen laut einer neuen US-Studie Töchter den Söhnen gegenüber bevorzugen.
Mütter und Väter sollen laut einer neuen US-Studie Töchter den Söhnen gegenüber bevorzugen.
IMAGO/Rolf Poss

Eine Meta-Studie zeigt, dass Eltern entgegen ihrer Behauptungen tatsächlich Töchter und pflegeleichte Kinder bevorzugen. Das hat Auswirkungen.

Lea Oetiker

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Eine umfangreiche Meta-Studie mit 20'000 Teilnehmenden aus Nordamerika und Westeuropa zeigt, dass Eltern entgegen ihrer Aussagen tatsächlich Lieblingskinder haben.
  • Die Forschung belegt, dass Mütter und Väter vor allem Töchter sowie gewissenhafte und umgängliche Kinder bevorzugen.
  • Diese elterliche Ungleichbehandlung kann langfristige Auswirkungen auf die Entwicklung und das Selbstwertgefühl der Kinder haben.

Eltern haben keine Lieblingskinder. Das antworten sie zumindest, wenn man sie fragt. Doch eine aktuelle Studie im Fachmagazin «Psychological Bulletin» zeigt nun das Gegenteil.

Für die Studie hat das Forscherteam 30 Forschungsarbeiten und 14 Datenbanken zum Thema elterliche Ungleichbehandlung. Insgesamt kamen so knapp 20'000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Meta-Studie zusammen. Zwei Drittel davon stammten aus den USA, der Rest aus Westeuropa und Kanada. Unter anderem wurden Charakterzüge, Geschwisterfolge und Geschlechter berücksichtigt. 

Mädchen und pflegeleichte Kinder im Vorteil

Das Ergebnis: Mütter und Väter bevorzugen Töchter gegenüber Söhnen. Auch besonders gewissenhafte, umgängliche und verantwortungsbewusste Kinder stehen hoch im Kurs. 

Letzteres war der Forschung bereits bekannt. Denn ein verträgliches Kind bedeutet für Eltern generell weniger Anstrengung. Und weniger anstrengend – zumindest statistisch gesehen – ist auch die Kommunikation mit Mädchen. Das könnte ein Grund für die Bevorzugung sein.

Ein weiterer möglicher Grund: Im Alter von drei Jahren sollen Mädchen einen rund doppelt so grossen Wortschatz wie Jungs haben. Beide Punkte können dazu beitragen, dass der Eltern-Alltag entlastet wird.

Langfristige Auswirkungen der elterlichen Bevorzugung

«Seit Jahrzehnten wissen Forschende, dass die ungleiche Behandlung von Geschwistern durch Eltern langfristige Auswirkungen haben kann», erklärt Studienleiter Alexander Jensen von der Brigham Young University in Provo, Utah.

Laut Jensen sind bevorzugte Kinder tendenziell mental stabiler und beruflich erfolgreicher. Ihre Beziehungen halten länger und Verhaltensprobleme tauchen seltener auf. Allerdings wird von ihnen mehr erwartet.

Kinder, die sich stark benachteiligt fühlen, können lebenslang unter anderem mit geringerem Selbstwertgefühl kämpfen, tendieren eher zu Depressionen, Angstzuständen sowie Verhaltensproblemen. Ausserdem kann es die Beziehung zu den Eltern schädigen.

Unbewusste Bevorzugung und Kommunikation als Schlüssel

«Eltern merken oft nicht einmal, dass sie ein Kind bevorzugen», erklärt Psychologie-Professorin Laurie Kramer der BBC. Das nennt man auch Parental Differential und kommt laut einer Studie in Kalifornien in 65 Prozent der Familien vor. «Das bevorzugte Kind lässt sich häufig einfacher erziehen oder die Eltern können sich besser mit dem Kind identifizieren – es bedeutet aber nicht, dass sie das Kind mehr lieben.»

Wichtig sei vor allem, transparent zu kommunizieren. «Eltern sollten ihr Verhalten erklären und dafür sorgen, dass sich alle Kinder geliebt und unterstützt fühlen», sagt Studienleiter Jensen. Wenn ein Kind beispielsweise länger wach bleiben darf, soll dem anderen Kind erklärt werden, dass es dies nur darf, weil es älter ist. So lassen sich Missverständnisse und Kränkungen vermeiden.