Fragen und Antworten Darauf musst du dich in den Sommerferien gefasst machen

Von Uz Rieger

7.6.2022

Menschen stehen am 5. Juni 2022 am Flughafen in Amsterdam Schlange.
Menschen stehen am 5. Juni 2022 am Flughafen in Amsterdam Schlange.
Bild: Keystone

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie sind viele reislustiger als je zuvor. Allerdings läuft der internationale Tourismus noch längst nicht wieder rund. Mit folgenden Problemen rechnen die Reisebranche und Experten.

Von Uz Rieger

In einem Monat sind Sommerferien. Doch Nachrichten von gestrandeten Flugpassagieren und stark gestiegene Reisekosten trüben die Reiselust. Mit einer Entspannung der Lage ist wohl nicht so schnell zu rechnen. 

Muss man mit Chaos an den Flughäfen rechnen?

Bereits am Pfingstwochenende sind nach Medienberichten wegen zahlreicher Flugausfälle unter anderem Tausende internationale Flugpassagiere im Ausland gestrandet, weil sowohl die Airline Easyjet als auch British Airways und Tui wie schon in den Tagen zuvor etliche Flüge gestrichen haben. Auch bis zu den Sommerferien ist keine Entspannung in Sicht: Die Swiss teilte vor rund zwei Wochen mit, dass sie im Juli und August aufgrund der Personalknappheit Flüge streichen muss. Die Lufthansa kündigte diese Woche mehr als 2000 weitere Flugausfälle in der Ferienzeit an, nachdem sie zuvor bereits 900 Flüge streichen musste. Für zusätzliches Chaos könnten zudem Streiks von unzufriedenem Personal führen, so wie das schon in Grossbritannien und auf Mallorca der Fall war. 

«Die Schwierigkeiten werden bestehen bleiben», prognostiziert dazu Tourismus-Experte Christian Laesser von der Uni St. Gallen. Die derzeit grosse Nachfrage bei geringen Kapazitäten führe zudem dazu, dass es «überall voll und auch teurer» werde, sagte er zu blue News.

Wie teuer werden die Ferien?

Der Drang zu verreisen bei locker sitzenden Ersparnissen treibt die Preise in den Feriendestinationen die Höhe. Laut einer Analyse des Portals Holidaycheck, über das der «Spiegel» berichtete, lagen die Preise für Ägyptenreisen zuletzt etwa 27 Prozent über den Preisen von 2019. Ferienaufenthalte in Griechenland und Spanien sind im selben Zeitraum um 16 Prozent angestiegen. Die Übernachtungspreise in der Türkei gingen demnach um 15 Prozent, in Portugal um 14 Prozent nach oben.

Hinzu kommt, dass sowohl das Fliegen wie auch das Autofahren wegen der gestiegenen Sprit-Kosten generell teurer wird. Laut dem Spiegel machen etwa bei der Lufthansa die Kerosinpreise zwischen 20 und 30 Prozent der Kosten pro Flug aus. Bei den Autovermietungen macht sich neben dem Spritpreis zusätzlich der Chipmangel bemerkbar, der zu einer Knappheit an Neuwagen führt. Gemäss «Spiegel» stiegen die Preise hier mitunter gegenüber dem Jahr 2019 teils um 200 Prozent an.

Lediglich bei der Bahn sei es bislang anders, gibt Experte Laesser zu bedenken. Allerdings falle das wegen des relativ kleinen Marktanteils nicht sonderlich ins Gewicht.

Wie ist die Lage bei den Bahnen?

Bei den SBB steigt die Nachfrage nach internationalen Zugreisen generell an, wie SBB-Mediensprecher Martin Meier blue News mitteilte. Ein anhaltender Trend sei auch bei den Nachtzügen auszumachen. Hier seien an den Spitzentagen im Juli einige Destinationen wie Hamburg, Berlin oder Wien grossteils bereits ausgebucht. Verspätungen im internationalen Bahnverkehr seien vor allem bei den aus Deutschland in die Schweiz kommenden Zügen zu verzeichnen. Grund sei eine «intensive Bautätigkeiten in Deutschland» und ein erhöhtes Verkehrsaufkommen wegen des 9-Euro-Tickets.

Auch im Binnenverkehr in Österreich rechnen die SBB wegen des neuen Angebots «Klimaticket», das wie ein GA funktioniert, mit einer erhöhten Nachfrage auf der Schiene. Bei Reisen nach Österreich werde zudem dringend eine Sitzplatzreservation empfohlen. Auch solle man generell möglichst früh sein Ticket kaufen und nach Möglichkeit statt am Wochenende zwischen Montag und Donnerstag mit der Bahn zu reisen.

Gibt es Destinationen, die besonders teuer oder günstig werden?

Mit grossen Preisunterschieden zwischen den einzelnen Feriendestinationen rechnet Tourismus-Experte Laesser nicht. Ausnahmen seien aber möglich. Hier sei etwa an die Türkei zu denken, deren Währung sich im Keller befinde. Zudem seien für das beliebte Reiseziel mit Russland oder der Ukraine wichtige Märkte zusammengebrochen. Im Gegenzug würden dafür Länder wie die USA mit dem stark bewerteten Dollar teurer. Nach Laessers Eindruck haben die Preise in Europa zudem mittlerweile ein ähnliches Niveau wie die Schweiz erreicht: «Es gibt keinen grossen Unterschied mehr.»

Sollte man schnell buchen?

Grundsätzlich gilt: «Je länger man zuwartet, desto teurer wird es», sagte der Geschäftsführer des Schweizer Reiseverbands Walter Kunz zu blue News. Die derzeitige Situation sei schwierig und ärgerlich für die Reisebüros, so der Branchenvertreter. Allerdings sieht er auch eine Chance für die Reisebüros und Reiseveranstalter. Diese könnten nun zeigen, dass es von Vorteil sei, nur einen Ansprechpartner bei Problemen zu haben – man müsse dann nicht selbst mehrfach zum Hörer greifen, um Lösungen zu finden, wenn etwas auf der Reise nicht klappt.

Muss man Abstriche beim Service erwarten?

Das sei momentan noch schwer zu beantworten, sagt Tourismus-Experte Laesser. Denkbar sei allerdings, dass aufgrund der Personalknappheit einige Dienstleistungen an den Kunden zurückdelegiert würden. So werde womöglich nicht mehr überall eine Bestellung am Tisch möglich sein und man müsse das dann vielleicht selbst an der Bar erledigen. Die Branche habe bereits in der Pandemie eine steile Lernkurve vollzogen: «Alle versuchen mit ihren knappen Kapazitäten zurechtzukommen und überlegen sich, wie sie ihr Personal einsetzen.»

Wann ist eine Normalisierung zu erwarten?

Eine rasche Normalisierung werde es nicht geben, vermutet Laesser. Es seien häufig gerade die Angestellten in schlecht bezahlten Jobs in Hotels, Restaurants und auf Flughäfen, die nun fehlen würden. Viele dieser Personen hätten inzwischen andere Jobs gefunden, wo sie teils grössere Sicherheiten hätten. Um sie zurückzugewinnen, müssten wohl substanziell höhere Löhne gezahlt werden, gibt er zu bedenken.

Eine Rückkehr zu den Reisebedingungen vor Corona dürfte laut Laesser dann erreicht werden, wenn die in der Pandemie angesparten Finanzreserven aufgebraucht sind.

Derzeit könnten viele die Befürchtung haben, dass im Winter oder im nächsten Jahr wieder Pandemie-Auflagen gelten könnten. Für sie gelte: «Let's go, solange das möglich ist.» Entsprechend würden die Presssteigerungen durch die Ersparnisse aus der Pandemie absorbiert: «Das Geld sitzt relativ locker, weil man Nachholbedarf hat.»