TerrorismusAnklage gegen Iraker: Er soll aus der Schweiz für IS aktiv gewesen sein
SDA/tjb
14.4.2020 - 10:40
Ein Iraker soll von der Schweiz aus für den Islamischen Staat gearbeitet haben. Der Mann hat laut einer Anklage der Bundesanwaltschaft eine wichtige Position in der Terrormiliz eingenommen und Propaganda betrieben.
Die Bundesanwaltschaft (BA) hat gegen einen irakischen Mann Anklage beim Bundesstrafgericht erhoben. Ihm wird vorgeworfen, als von der Schweiz aus operierendes IS-Mitglied vielfältige Weise für den IS aktiv gewesen zu sein, wie die BA mitteilte.
Gemäss der Anklage nahm der Beschuldigte gegenüber anderen, auch hochrangigen IS-Mitgliedern eine Autoritätsposition ein. Er hat demnach gegen das Bundesgesetz über das IS-Verbot verstossen. Weiter wirft ihm die Bundesanwaltschaft Beteiligung an der kriminellen Organisation IS, gewerbsmässigen Betrug sowie mehrfaches Herstellen und Lagern von Gewaltdarstellungen gemäss Strafgesetzbuch vor.
Das betreffende Strafverfahren hatte die BA im November 2016 eröffnet. Der Beschuldigte wurde im Mai 2017 verhaftet und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Mit Einreichung der Anklageschrift hat die BA beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht Sicherheitshaft für den Beschuldigten beantragt.
Transnationales Netzwerk
Die Schweizer Strafakte des Irakers geht bis ins Jahr 2014 zurück. Ungefähr ab dann, spätestens aber ab Mitte 2016 und bis zu seiner Verhaftung im Mai 2017 soll der Mann ein aktives IS-Mitglied gewesen sein. Die Ermittlungen haben laut der BA «ein weitverzweigtes, transnationales Netzwerk des Beschuldigten von über zwanzig anderen IS-Mitgliedern in der Schweiz, in Syrien, im Irak, in der Türkei, im Libanon, in Finnland sowie an unbekanntem Ort aufgedeckt».
Der Beschuldigte fungierte gemäss der Anklageschrift als Anwerber, Schleuser, Geldgeber sowie auch als Empfänger von Anweisungen von IS-Führungsmitgliedern. Ihm wird unter anderem der Versuch vorgeworfen, im April 2017 ein im Libanon wohnhaftes IS-Mitglied zu einem Selbstmordattentat im Libanon im Namen des IS angestiftet zu haben. Die Ausführung der Tat konnte rechtzeitig verhindert werden.
Weiter wird er beschuldigt, von einem hochrangigen IS-Mitglied die Anweisung zur Vorbereitung von Anschlägen in der Schweiz zustimmend entgegengenommen zu haben. Zudem hat er gemäss Anklage den IS finanziell unterstützt, mehrere Personen für den IS rekrutiert und zum IS geschleust und einem in Syrien lebenden IS-Mitglied die Anweisung zum Aufbau von IS-Schläferzellen erteilt.
Schweiz kein Anschlagsziel
Laut der BA ergaben die Untersuchungen «keine Anhaltspunkte dafür, dass in der Schweiz ein konkreter Anschlag kurz bevorstand». Unter den gemäss Anklageschrift vom Beschuldigten für den IS rekrutierten und zum IS geschleusten Personen befinden sich keine in der Schweiz wohnhafte Personen und keine Schweizer Staatsbürger.
Der Beschuldigte soll aber im Zeitraum von 2016 bis zu seiner Verhaftung über das Internet zahlreiche Gewaltdarstellungen auf seinen Datenträgern gesammelt haben. Diese konsumierte er selbst und bewahrte er zur Weiterverbreitung auf. Es handelt sich dabei meist um propagandistische Darstellungen von grausamen Hinrichtungen verschiedener Art.
Sozialhilfegelder missbraucht
Gemäss Anklage hat der Beschuldigte verschiedentlich beim Sozialdienst der für ihn zuständigen Gemeinde im Kanton Thurgau bei mehr als einem Dutzend Gelegenheiten auf Nachfrage falsche Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen gemacht. Damit habe er unberechtigterweise die Entrichtung von Sozialhilfebeiträgen erreicht.
Die Strafanträge gibt die BA wie üblich an der Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona bekannt. Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt die Unschuldsvermutung.
Die Bundesanwaltschaft lobt in ihrer Mitteilung die erfolgreiche Kooperation der Strafverfolgungsbehörden auf nationaler und internationaler Ebene. Die Ermittlungen seien in einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe von BA, Fedpol und der Kantonspolizei Zürich geführt worden. Mehrere Staaten hätten Rechtshilfe geleistet.
Mehrere Fälle hängig
Falls es zu einer Verteilung des Mannes käme, wäre das keine Premiere. Im März 2017 bestätigte das Bundesgericht die bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten für einen IS-Unterstützer. Der 27 Jahre alte schweizerisch-libanesische Doppelbürger wollte 2015 nach Syrien reisen, um sich dem IS anzuschliessen.
Anfang Dezember wies das Bundesstrafgericht zwei weitere Anklagen zur Verbesserung an die BA zurück. Beide Schriften verstossen demnach gegen den Anklagegrundsatz.
Obwohl die IS-Terrormiliz in Syrien inzwischen von kurdischen Einheiten besiegt wurde und der sogenannte Islamische Staat (IS) mit seiner damaligen «Hauptstadt» Rakka territorial nicht mehr existiert, beobachtet der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) die Situation weiterhin. Im Mai 2019 verzeichnete er 92 dschihadistisch motivierte Reisende und 66 Risikopersonen.
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