Ferienvilla war gesternBei reichen Schweizer*innen geht der Trend zur Jacht
twei
17.6.2023
Jacht ist Trumpf: Immer mehr wohlhabende Schweizer*innen investieren in luxuriöse Boote. Dafür nehmen sie teils jahrelange Wartezeiten in Kauf. Auch Normalverdiener zieht es nach der Corona-Krise zunehmend aufs Wasser.
twei
17.06.2023, 20:21
twei
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Jacht statt Ferienvilla: Reiche Schweizer*innen stecken ihr Geld immer öfter in komfortable Boote. Mit denen schippern sie gerne auf einheimischen Gewässern.
Doch der Boom hat auch seine Nachteile, etwa lange Wartezeiten und einen teilweise überhitzten Occasionsmarkt.
Auch Normalverdiener wenden sich wieder mehr und mehr Urlauben auf Kreuzfahrtschiffen zu – wäre da nicht der Umweltgedanke.
Eine Küche inklusive Bar, ein extragrosses und stilvoll ausgeleuchtetes Bett, dazu viel Holz und Leder im gemütlichen Wohnbereich – im Interieur der Greenline 48 Fly bleiben keine Wünsche offen. Auf einer Länge von 15,44 Meter bietet die Hybridmotorjacht höchsten Komfort und sogar einen Salon samt Rundumblick auf den Ozean. Einziger Haken: Edle Kreuzer im Stil der Greenline schlagen gut und gerne mal mit 900'000 Franken und mehr zu Buche.
Trotzdem stehen die schwimmenden Appartements bei gut betuchten Schweizerinnen und Schweizern hoch Kurs. Denn im Vergleich zu Nobelvillen sind Jachten verhältnismässig günstig, und man kann die Ferien ortsunabhängig verbringen – am liebsten aber in Schweizer Gewässern. «Man kann eigentlich ankern, wo man will, und hat gleichzeitig immer die schönste Aussicht auf den See», beschreibt Jachtmakler Cornelius Kistler gegenüber «Blick».
«Häufig handelt es sich bei diesen Kundinnen und Kunden um Geschäftsleute mit einem begrenzten Zeitbudget», fügt Yves Bosshart, Geschäftsführer des Bootsdienstleisters Pro Nautik hinzu. Da kommt eine kurze Anreisezeit gerade recht. «Vielfach haben die Kinder bereits den Nachmittag an Bord verbracht, bevor am Abend das letzte Familienmitglied dazustösst und sie anschliessend zusammen auf den See hinaus schippern», erklärt Bosshart.
Teils jahrelange Wartezeiten auf dem Jachtenmarkt
Besonders wichtig sei seinen Käufern die regelmässige Nutzung, Prestigegedanken seien hingegen weniger verbreitet. Die Zahlen der vergangenen Jahre sprechen eine klare Sprache: Seit 2014 hat sich die Anzahl an Motorbooten auf Schweizer Seen von 61'573 auf 64'845 vermehrt. Das bedeutet ein Plus von mehr als fünf Prozent. Wären die Anliegeplätze an Hafen und Bojen nicht beschränkt, das Wachstum fiele laut Experten wohl noch grösser aus.
Für Bootshersteller bedeutet das eine hohe Nachfrage, für Käufer eine teils mehrjährige Wartezeit zwischen Bestellung und Auslieferung ihres Wasservehikels. Der Boom besonders während der Corona-Pandemie und globale Lieferengpässe ergeben eine verhängnisvolle Kombination. Kein Wunder, dass der Occasionsmarkt floriert. «Nicht jede Jacht ist den Preis wert, der mittlerweile für sie verlangt wird», warnt Bosshart aber.
Jachten sind nicht nur in der Anschaffung teuer
Beliebte Destinationen für Schweizer Jachtbesitzer für ihre zumeist um die 15 Meter langen Boote sind etwa der Lago Maggiore im Tessin, der Vierwaldstättersee oder der Zürichsee. Die Verwendungszwecke zwischen schwimmendem Büro, Badeinsel oder Rückzugsort sind dabei vielfältig.
Eines aber müsse sich jeder Jachtbesitzer laut Björn Hensler, Inhaber und Geschäftsführer der Hensa-Werft in Altendorf am Obersee, gut überlegen: «Wie auch immer die Boote am Ende eingesetzt werden: Entscheidend ist, dass sie auch tatsächlich genutzt werden.»
Mit den Anschaffungskosten alleine ist es bei Jachten schliesslich nicht getan. Unterhalt, Wartungsarbeiten und Kosten für Anlegestellen und Überwintern können gut und gerne zwischen fünf und acht Prozent des Kaufpreises ausmachen. Auch der Treibstoff belastet den Geldbeutel.
Kreuzfahrten erholen sich gut von Corona-Tief
Schweizerinnen und Schweizer, die sich kein eigenes Boot leisten können, verbringen ihre Ferien ebenfalls gerne auf dem Wasser. «Kreuzfahrten haben bei unseren Kundinnen und Kunden wieder deutlich an Beliebtheit gewonnen», bestätigt Bianca Gähweiler von Hotelplan dem «Tagesanzeiger». Bevorzugt zieht es Urlauber*innen demnach nach Nordeuropa und ins Mittelmeer. Preislich erwartet Interessierte in etwa das Vor-Corona-Niveau.
Vonseiten TUI Suisse tönt es ähnlich. Laut einer Sprecherin beobachte man «eine positive Buchungslage bei Kreuzfahrten mit einer steigenden Last-Minute-Nachfrage für den Sommer». Dazu würden sich zunehmend längerfristige Planungen in Form von Vorausbuchungen für 2024 bemerkbar machen.
Vom befürchteten Durchhänger der Kreuzfahrtindustrie in Folge der Corona-Pandemie scheint also nicht mehr viel übrig. Einschränkungen für Reisende sind ohnehin längst Geschichte. Bleibt nur noch der Umweltgedanke, der mögliche Urlaube auf Meereskreuzern verhindern kann.
Studie nimmt Umweltfolgen von Kreuzfahrten unter die Lupe
Eine jüngst durchgeführte Studie des Umweltverbands Transport & Environment zeigt: Im Vergleich zu allen Autos weltweit haben Kreuzfahrtschiffe 2022 die vierfache Menge an schädlichen Schwefelgasen in die Atmosphäre abgesondert.
Derartige Bedenken von Urlaubsgästen gehen auch an den Reedereien nicht spurlos vorüber. Die MSC liess kürzlich die MSC Euribia zu Wasser, deren Antrieb mit Flüssigerdgas erheblich weniger CO2 und Feinstaub produzieren soll als herkömmliche Antriebe.
Umweltschutzorganisationen ist das aber zu kurz gedacht: Bei Förderung, Transport und Verbrennung von Erdgas wird über die Massen viel Methan freigesetzt – was wiederum die globale Erwärmung befeuert.