Italien gehen bagnini aus Badi-Held*innen verzweifelt gesucht

dpa/che

28.6.2024 - 00:00

Der süditalienische Bademeister Francesco Mastromauro (Mitte) steht zwischen jungen Leuten, die ebenfalls Bademeister werden wollen.
Der süditalienische Bademeister Francesco Mastromauro (Mitte) steht zwischen jungen Leuten, die ebenfalls Bademeister werden wollen.
Christoph Sator/dpa

Viele kennen die Männer in Rot aus dem Urlaub. In Italien gehören sie zu den Helden jedes Sommers. Aber jetzt fehlt es an den Stränden an Nachwuchs – was die verschiedensten Gründe hat.

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  • In Italien werden dringend Bademeister*innen gesucht. Circa 4000 bagnini fehlen landesweit.
  • Die Anstellungsbedingungen sind unattraktiv. Zudem zählt Italien zu den europäischen Ländern mit tiefer Geburtenrate. 
  • Die Ausbildung ist im Vergleich zum tiefen Lohn teuer, die Abwesenheitszeiten lang und die Verantwortung gross. 

Als Bademeister hat Francesco Mastromauro so gut wie alles erlebt, was es an Italiens Stränden zu erleben gibt: Die eine oder andere Liebschaft mit einer Touristin, den ewigen Streit um die Sandburgen und auch die Tragödien, wenn jemand nur noch tot aus dem Meer gezogen werden konnte. «Für mich ist das ein Traumberuf», sagt der kleine Mann am Strand von Barletta, tief unten im Süden, in seiner knappen Badehose. Nun ist er 65 Jahre alt. Und muss auf die alten Tage feststellen, dass er mit dieser Meinung in seiner Heimat zur Ausnahme geworden ist.

In Italien – einem Land mit mehr als 9000 Kilometern Küste, davon 3000 Kilometer Strand, nur Griechenland hat in Europa noch mehr – mangelt es an Bademeistern.

Die braun gebrannten Männer im roten Tanktop, meistens durchaus attraktiv und gern auch mit Trillerpfeife im Mund, gehörten über Generationen hinweg zu den Helden jedes Sommers. Der bagnino, so das italienische Original, wurde besungen, im Kino gefeiert, ging in die Literatur ein. Nun aber will kaum noch jemand bagnino werden. Eine geradezu mythologische Figur ist möglicherweise vom Aussterben bedroht.

An vielen Stränden fehlt Personal

Die Betreiber der landesweit etwa 15'000 Strandbäder klagen aufs Heftigste, dass ihnen der Nachwuchs ausgeht. Auf etwa 4000 Stellen wurde der Fehlbedarf vor ein paar Wochen offiziell noch geschätzt. Jetzt, da die Hauptsaison beginnt, hat sich die Lage etwas gebessert. Nach übereinstimmenden Angaben von Arbeitgebern und Gewerkschaften hat sich aber immer noch für etwa zehn Prozent der Strände kein Personal gefunden.

Mancherorts am Mittelmeer hängt deshalb jetzt dauerhaft die rote Fahne. Viele Beobachtungstürme mit der Aufschrift Salvataggio (Rettung) stehen leer, einige liegen umgekippt am Strand. Den Vorschriften nach muss an Italiens Stränden aus Sicherheitsgründen inzwischen alle 150 Meter ein Bademeister oder Rettungsschwimmer zu finden sein. Früher reichte es noch aus, wenn dem alle 600 Meter so war.

Strandbetreiber klagen über geänderte Zeiten

Der Chef des Strandbetriebe-Verbandes Assobalneari, Fabrizio Licordari, meint: «Die Zeiten haben sich geändert. Als wir jung waren, standen wir Schlange, um bagnino zu werden und im Sommer ein bisschen Geld hinzuzuverdienen. Heute ist es für die jungen Leute schwierig, sich dem Job zu nähern.» Das hat verschiedene Gründe. Allgemein übertrifft das Angebot an Sommer-Jobs in Italiens Urlaubsgebieten die Nachfrage inzwischen um ein Vielfaches: Auch andere Saison-Arbeiter wie Kellner, Köche und Zimmermädchen sind schwierig zu finden.

Die Suche nach bagnini (so die Mehrzahl) ist allerdings noch etwas komplizierter. Zum 1. April setzte die Regierung in Rom eine Verordnung in Kraft, mit der das Mindestalter von 16 auf 18 Jahre heraufgesetzt wurde. Zudem sind mindestens 30 Stunden Ausbildung erforderlich, unterteilt in Theorie («Grundbegriffe des Umwelt- und Naturschutzes an Badegewässern») und Praxis. Kosten eines solchen Lehrgangs: etwa 500 Euro. Am Ende steht eine Prüfung unter Vorsitz eines Beamten des jeweiligen Hafenamtes. Alle fünf Jahre muss die Lizenz erneuert werden.

Auch Werbung bringt nicht viel

Vor einigen Jahren noch hatte Mastromauro am Strand von Barletta drei Dutzend angehende Bademeister in der Ausbildung. Jetzt sind es gerade noch sechs junge Männer – was keineswegs nur daran liegt, dass Italien in Europa eine sehr unterdurchschnittliche Geburtenrate hat – und eine junge Frau. «Man muss früh aufstehen, die Hitze ertragen und Verantwortung übernehmen», sagt er. «Heutzutage machen die jungen Leute lieber etwas Anderes, am liebsten am Computer.» Werbeaktionen über die Arbeitsämter, in sozialen Netzwerken oder den oberen Schulklassen haben wenig gebracht.

Hinzu kommt, dass die Bezahlung nicht besonders ist. Am Strand von Barletta gibt es sechs Euro die Stunde, bei Schichtarbeit von 8 bis 18 Uhr, mittags eine Stunde Pause. Das ist übrigens der Grund, warum zwischen 13 und 14 Uhr an italienischen Stränden häufig die rote Fahne weht, unabhängig von Wetterbedingungen und Seegang.

Stundenlohn von 4,50 Euro 

Offiziell gilt auch für bagnini der nationale Arbeitsvertrag für den Fremdenverkehr mit einem Nettogehalt von 1200 Euro, das je nach Einstufung steigt. Allerdings beklagten die Gewerkschaften in einer Umfrage der Nachrichtenagentur Adnkronos soeben, dass vielfach unter Tarif bezahlt wird, mit Stundenlöhnen von teils nur 4,50 Euro. Dabei verdienen die Strandbetreiber mit der Vermietung von Sonnenschirmen und Liegen, wie dies in Italien üblich ist, gutes Geld. Mancherorts verlangen sie pro Tag 60 Euro und mehr.

Trotz alledem finden sich aber immer noch Leute, die bagnino werden wollen. Wie Andrea Ripretti aus einem Nachbarort von Barletta, dem Mastromauro gerade den Umgang mit dem Rettungsboot beizubringen versucht. «Mir macht das mehr Spass, als am Computer rumzuhängen», sagt der 20-Jährige, der eben mit der Schule fertig geworden ist. «Man trifft viele Leute und tut etwas Sinnvolles. Ich habe das Gefühl, wirklich nützlich zu sein.» Sein Lehrer steht lächelnd daneben. Dann klopft er Andrea zufrieden auf die Schulter.


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