Radioaktive Kapsel Australier müssen weiterhin die Nadel im Heuhaufen suchen

uri

31.1.2023

Westaustralien: Suche nach radioaktiver Kapsel läuft weiter

Westaustralien: Suche nach radioaktiver Kapsel läuft weiter

Die Suche nach einer winzigen radioaktiven Kapsel, die man in Westaustralien vermisst, ist weiter verstärkt worden. Die australische Behörde für nukleare Sicherheit teilte am Dienstag mit, dass sie sich an der Suche beteiligt und ein Team mit spezieller Ausrüstung geschickt hat.

31.01.2023

Die australischen Behörden verstärken die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen weiter. Experten warnen vor der Gefährlichkeit der verlorenen radioaktiven Kapsel – und sind skeptisch, ob sie je gefunden wird.

uri

31.1.2023

Die Teams, die eine in Westaustralien verloren gegangene radioaktive Kapsel suchen, erhalten weitere Verstärkung: Die nationale Agentur für Nuklearsicherheit hat inzwischen ebenfalls Spezialisten entsandt, deren Fahrzeuge mit speziellen Detektoren ausgestattet sind.

Die Behörde teilte gemäss der Nachrichtenagentur Reuters mit, sie arbeite mit der westaustralischen Regierung und weiteren Organisationen zusammen, um die radioaktive Kapsel zu lokalisieren.

Die Suche der Experten werde dabei wenigstens «fünf Tage dauern, um die ursprüngliche Route, geschätzte 1400 Kilometer, zurückzulegen», erklärte ein für den Einsatz Verantwortlicher der Feuerwehr.

Bereits am Montag hatten sich Spezialisten aufgemacht, die Strecke um den Great Northern Highway nach dem gefährlichen Behälter abzukämmen. Die nur millimetergrosse Hülse war beim Transport von einer Mine nördlich der Bergbaustadt Newman zu einem Depot nahe der Metropole Perth offenbar von einem Lastwagen gefallen. Eine Sprecherin des Strahlenschutzes sprach am Montag im Sender 9News von einem «Jahrhundert-Ereignis».

Autos müssen langsam fahren

Aber auch selbst mit Detektoren werde es nicht leicht werden, die radioaktive Kapsel zu finden, glaubt Dale Bailey, Professor für medizinische Bildgebung an der Universität von Sydney. Aus fahrenden Autos heraus werde die Suche sogar noch schwieriger: «Die relativ geringe Strahlungsmenge aus der Quelle bedeutet, dass der Bereich relativ langsam abgetastet werden muss – und nicht bei 100 km/h.» 

Der britisch-australische Bergbauriese Rio Tinto hatte nach eigenen Angaben einen Drittanbieter mit entsprechendem Fachwissen und Zertifizierung beauftragt, die gefährliche Kapsel sicher zu verpacken, um sie für den Transport vorzubereiten. Das Unternehmen habe auch eine eigene Untersuchung eingeleitet, um herauszufinden, wie sie verschwinden konnte, wie es mitteilte.

Kräfte der Feuerwehr suchen mit Detektoren in Westaustralien nach der verlorenen radioaktiven Kapsel. 
Kräfte der Feuerwehr suchen mit Detektoren in Westaustralien nach der verlorenen radioaktiven Kapsel. 
Bild. Keystone

Neuesten Angaben zufolge ging die Kapsel mit hoch radioaktivem Cäsium 137 irgendwann nach dem 12. Januar verloren. Dass sie fehlte, wurde erst am 25. Januar beim Entladen des Lastwagens bemerkt. Am späten Freitag (Ortszeit) hatte das Gesundheitsministerium von Western Australia die Bevölkerung über den Vorfall informiert.

«So etwas haben wir noch nicht erlebt», sagte der Gesundheitsbeauftragte der Region, Andrew Robertson. Die Container für solches Material seien eigentlich so konstruiert, dass sie robust genug seien, um die gefährliche Ladung zu sichern. Die Behörden nehmen an, dass sich durch die Vibrationen bei der Fahrt ein Bolzen gelöst habe und die Mini-Hülse durch das Bolzenloch gefallen sei. Wie sie von dort aus dem Laster gelangte, ist noch nicht geklärt.

Suche nach 5-Rappen-Münze auf 1400-km-Strecke

Das Cäsium der Kapsel kann zwar noch für weitere rund 300 Jahre strahlen, das Objekt selbst ist mit einer Grösse von lediglich sechs mal acht Millimetern jedoch noch kleiner als eine 5-Rappen-Münze. Aufgrund der Grösse des Suchgebiets im Outback – die Strecke ist nochmal 400 Kilometer länger als die britische Hauptinsel – handelt es sich dabei um die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.

Wie Reuters berichtet, handelt es sich bei der Kapsel um das Element eines Messgeräts, mit dem Rio Tinto die Dichte von Eisenerz in der abgelegenen Mine Gudai-Darri misst.

Der Professor für Radioökologie Georg Steinhauser von der Technischen Universität Wien erklärte dem SRF dazu, man verwende solche Kapseln generell zur Dichte- und Materialprüfung, das könne etwa auch die Prüfung von Schweissnähten von Stahlkonstruktionen sein. «Die Strahlung funktioniert in dem Fall wie ein Super-Röntgen, der auch durch Stahl durchblicken kann», so Steinhauser. Das könne eine gewöhnliche Röntgenröhre nicht mehr leisten.

Wird die Kapsel geöffnet, wird es besonders gefährlich

Laut dem Strahlen-Experten handelt es sich bei dem verschwundenen Teil «um eine sehr radioaktive Kapsel». Ihre Strahlung könne durchaus gesundheitsschädlich sein. Dabei sie die Distanz ein wesentlicher Punkt. Wer die Kapsel nur kurz in die Hand nehme und sie dann weglege, dem werde wahrscheinlich nichts passieren, so Steinhauser.

Stecke man sie indes für eine halbe Stunde in die Tasche, sei womöglich bereits eine Hautrötung zu beobachten. Generell sei ein guter Vergleich aber, dass wer etwa für eine Stunde in einer Entfernung von einem Meter neben der Kapsel stehe, dabei die Jahresdosis an natürlicher Strahlung abbekomme, erklärte der Wissenschaftler.

Noch schlimmer werde es allerdings, wenn die Kapsel selbst undicht werde, etwa weil ein Auto darübergefahren sei, warnt der Wissenschaftler. So habe ein vergleichbarer Unfall in Brasilien in der Vergangenheit bereits mehrere Todesopfer gefordert.

Ebenfalls könne die Kapsel ein erhöhtes Krebsrisiko nach sich ziehen, etwa wenn sie unbemerkt über den Autoreifen in die heimische Garage gelangt sei und dann dort über Jahre unbemerkt liege. «Das ist aber ein diffuses Risiko», sagte Steinhauser. Definitiv anders verhalte es sich, wenn die Kapsel aber geöffnet werde: «Dann steht Australien eine grossflächige Dekontamination ins Haus», die auch «eine Unmenge Geld» kosten dürfte.

Die Menschen in Australien wurden entsprechend aufgefordert, mindestens fünf Meter Abstand zu halten, sollten sie das silberne Gehäuse entdecken. Bei Kontakt mit der Kapsel solle man sich ins Spital begeben. Falls Menschen selbst etwa mit einer Smartphone-App nach der Kapsel suchten und ungewöhnliche Strahlung feststellten, sollten sie umgehend die Notfalldienste informieren, hiess es weiter.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa