Schwere Unruhen in Neukaledonien
STORY: Bei Unruhen auf der Pazifikinsel Neukaledonien sind am Dienstag mindestens drei Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt worden. Das teilten die Behörden des zu Frankreich gehörenden Gebietes mit. Zahlreiche Geschäfte seien geplündert und zerstört worden, berichteten Augenzeugen. Schulen und Läden sollen nach Behördenangaben am Mittwoch geschlossen bleiben. Demonstranten hatten Strassensperren errichtet. Anwohner berichteten, die Sicherheitskräfte sei den Protestierenden teilweise zahlenmässig unterlegen. Mike Lightfoot, Tourist aus Neuseeland: «Wir kamen aus einer Apotheke und fuhren in die Stadt. Dort brannten die Strassen, dort wurde randaliert, eine ziemlich beängstigende Erfahrung. An einem Kreisverkehr standen etwa 150 Demonstranten, sie randalierten. Viele Kreisverkehre standen in Flammen, mit dickem schwarzen Rauch. Der Taxifahrer sagte, wir sollten ruhig bleiben. Wir haben uns durch die Blockade geschlängelt. Sie haben mit Stangen auf das Auto eingeschlagen. Wir waren sehr nervös aber wir sind weitergefahren und dann zurück zum Hotel.» Auslöser für die schweren Krawalle war eine Wahlrechtsreform, die inzwischen im Parlament in Paris beschlossen wurde. Demnach sollen französische Einwohner, die seit zehn Jahren in Neukaledonien leben, an Provinzwahlen teilnehmen dürfen. Ein Schritt, von dem lokale Führer befürchten, dass er die Stimmen der indigenen Kanak verwässern wird. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Neukaledoniens Präsident Louis Mapou riefen zu Ruhe und Dialog auf.
16.05.2024
Seit Tagen kommt es in Frankreichs Überseegebiet Neukaledonien zu schweren Ausschreitungen. Nun wirft die französische Regierung Aserbaidschan vor, für die Unruhen mitverantwortlich zu sein.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Im französischen Überseegebiet Neukaledonien sind bei schweren Unruhen in den letzten Tagen fünf Personen getötet worden.
- Der französische Innenminister beschuldigt Aserbaidschan, für die Ausschreitungen mitverantwortlich zu sein.
- Unter den Demonstrierenden sind immer wieder Personen mit aserbaidschanischen Flaggen zu sehen.
Knapp 14'000 Kilometer Luftlinie liegt zwischen Baku in Aserbaidschan und Nouméa, der Hauptstadt Neukaledoniens.
Dennoch soll es offenbar eine starke Verbindung zwischen dem Schwarzmeer-Staat und der Pazifikinsel geben – eine, die noch darüber hinaus für die aktuellen Unruhen im französischen Überseegebiet verantwortlich sein soll. Zumindest behauptet das der französische Innenminister Gérald Darmanin. Doch was steckt dahinter?
Bei den Protesten in Neukaledonien wehren sich Unabhängigkeitsbefürworter der Inselgruppe gegen eine geplante Verfassungsreform der Regierung in Paris, welche Tausenden französischstämmigen Bürgern das Wahlrecht und somit mehr politischen Einfluss einräumen soll.
Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken – Neukaledoniens Ureinwohner – hofft aber schon lange auf einen eigenen Staat. Der nationale Rat der Kanaken wirft Paris vor, die umstrittene Reform voranzutreiben, ohne den Widerstand der grossen Mehrheit der indigenen Bevölkerung zu berücksichtigen.
Steckt Aserbaidschan hinter den Unruhen?
Vor einigen Tagen ist die Situation eskaliert. Bei den Unruhen sind bisher fünf Menschen ums Leben gekommen. Laut jüngsten Informationen des neukaledonischen Hochkommissars Louis Le Franc sind nicht mehr alle Gebiete der Inselgruppe unter Kontrolle der Sicherheitskräfte.
Frankreich hat für Neukaledonien den Ausnahmezustand ausgerufen und will bis Freitagabend 1000 zusätzliche Polizisten und Einsatzkräfte der Spezialeinheit GIGN aus Französisch-Polynesien einfliegen.
Gemäss dem französischen Innenminister Gérald Darmanin hat bei den Unruhen in Neukaledonien auch Aserbaidschan seine Hände im Spiel. Ein Teil der Separatisten habe eine Abmachung mit der Südkaukasusrepublik geschlossen. «Das ist kein Hirngespinst. Das ist unbestreitbar», sagte Darmanin am Donnerstag dem Sender France 2.
Bakus «antikolonialistische Bewegung»
Darmanin bezieht sich dabei auf die sogenannte «Baku Initiative Group», einer von Aserbaidschan ins Leben gerufenen Gemeinschaft, die sich «Französische Befreiungsbewegungen und antikolonialistische Bewegungen» auf die Flagge geschrieben hat. Aserbaidschans Antwort auf die französische Unterstützung Armeniens im Bergkarabach-Konflikt.
Bereits 2023 hatte Aserbaidschan Separatisten aus den französischen Gebieten Martinique, Französisch-Guayana, Neukaledonien und Französisch-Polynesien zu einer Konferenz eingeladen, um entsprechende Themen zu diskutieren. Vergangene Woche stellte sich die «Baku Initiative Group» öffentlich hinter die Unabhängigkeitsbefürworter in Neukaledonien. «Wir stehen in Solidarität mit unseren Kanak-Freunden und unterstützen ihren fairen Kampf», heisst es in einem Statement.
Gemäss der Nachrichtenagentur AFP nimmt die französische Regierung an, Aserbaidschan nutze die internen Probleme auf Neukaledonien, um mit einer «massiven» Desinformationskampagne und mithilfe Tausender Videos in den sozialen Medien Spannungen zu erzeugen. Am Mittwoch wurde das soziale Netzwerk Tiktok, das von vielen Separatisten verwendet wurde, auf der Inselgruppe gesperrt.
Auf Videos von Protestierenden, die ursprünglich der französische Sender TF1 veröffentlichte, sind zahlreiche Personen zu sehen, die aserbaidschanische Flaggen präsentieren oder T-Shirts mit der aserbaidschanischen Flagge tragen.
Ein geostrategisches Nickelparadies
Trotz eines Abkommens im Jahr 1998, durch das Neukaledonien weitgehende Autonomie erlangte, hat Frankreich verschiedene Gründe, an der Inselgruppe mit knapp 270'000 Einwohner festzuhalten.
Neben der geostrategischen Wichtigkeit, die eine französische Präsenz im indopazifischen Raum garantiert, sind insbesondere die grossen Nickelvorkommen der Inseln von Bedeutung.
So gehört Neukaledonien – und damit Frankreich – zu den weltweit grössten Exporteuren des Rohstoffs, der in der Produktion von Akkumulatoren, Batterien, Mobiltelefonen oder Bildschirmen eingesetzt wird.
Frankreich dürfte zudem befürchten, dass aufgrund der geografischen Lage Neukaledoniens bei einem politischen Rückzug China versuchen könnte, Einfluss auf der Inselgruppe zu gewinnen.
Eine verbrannte Kletterwand in Nouméa, der Hauptstadt Neukaledoniens.
Ein lange Schlange vor einem
Gemischtwarenladen in Nouméa.
Die Bucht von Nouméa. (Archivbild)
Neukaledonien brennt – Tote bei Unruhen - Gallery
Eine verbrannte Kletterwand in Nouméa, der Hauptstadt Neukaledoniens.
Ein lange Schlange vor einem
Gemischtwarenladen in Nouméa.
Die Bucht von Nouméa. (Archivbild)