Verstorbener SP-DoyenAdolf Ogi über Helmut Hubacher: «Mehr Mensch als politischer Gegner»
Von Julia Käser und Anna Kappeler
20.8.2020
Er hat die SP geprägt wie kaum ein anderer: Helmut Hubacher. Nun ist der alt Nationalrat 94-jährig verstorben. Christoph Blocher, Hans-Jürg Fehr und Adolf Ogi erinnern sich.
«In der Politik ist es wie im Spitzensport: Es gibt wenige Personen, die über ihre aktive Zeit hinaus in Erinnerung bleiben. Helmut Hubacher ist einer von ihnen», sagt Hans-Jürg Fehr, ehemaliger SP-Parteipräsident und alt Nationalrat. Bis zum Tod von Hubacher sei er in losem Kontakt mit ihm gestanden, so Fehr.
Genauso Adolf Ogi, alt Bundesrat der SVP. Auch er ist bewegt von Hubachers Tod. «Bis zuletzt schrieben wir uns in unregelmässigen Abständen. Als ich von seiner Erkrankung erfuhr, habe ich ihn sofort kontaktiert. Das war vor ein paar Wochen. Da erhielt ich zum ersten Mal keine Antwort von ihm. Er war wohl nicht mehr in der Lage zu schreiben.»
Der «grösste und wichtigste Nicht-Exekutivpolitiker der Schweiz» sei er gewesen, sagt Ogi über Hubacher. 34 Jahre lang habe er im Nationalrat gesessen und 15 Jahre lang die SP präsidiert – eine herausragende politische Karriere, auch ohne Exekutivamt.
Scharfer Gegner mit schneller Auffassungsgabe
Als politischen Gegner mag Ogi Hubacher eigentlich nicht bezeichnen. Zu wichtig sei das Menschliche gewesen. «Er war einer der Sorte, der dich stets wissen liess, dass er deine Meinung zwar nicht teilt, sie aber respektiert.» Hart und kritisch habe er sein können, der ehemalige SP-Präsident, aber sei stets gut vorbereitet und mit einer schnellen Auffassungsgabe gesegnet gewesen.
«Er war ein scharfer Politiker», sagt auch alt Bundesrat Christoph Blocher (SVP) zu «Bluewin». Seit seinem eigenen Einzug in den Nationalrat 1979 habe er viel mit Hubacher zu tun gehabt, erinnert er sich. «Politisch waren wir Gegner und haben zahlreiche harte Diskussionen geführt.»
Trotz anderer Meinung, so Blocher, habe man sich auf Hubacher in jedem Fall verlassen können. Spontan komme ihm das Beispiel des geplanten Kraftwerks in Kaiseraugst in den Sinn. «Als ich realisierte, dass man das Ganze nicht bauen kann, habe ich mich Hubacher anvertraut. Er konnte schweigen, wenn es so abgemacht war.»
Auch Ogi lobt die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg. Etwa als es um den Kauf von mehr als 400 Leopard-Panzern gegangen, habe er mit Hubacher zusammengespannt.
Blocher: «Im Alter wurde er selbstkritischer und milder»
Später dann hat Hubacher ein Buch über Ogi verfasst. Darauf angesprochen entgegnet jener: «Das war schon überraschend, dass ein ehemaliger SP-Präsident ein Buch über einen ehemaligen SVP-Präsidenten schreibt. Ich glaube, es hat damit zu tun, dass wir stets gut miteinander reden konnten.»
Wie Ogi stammt auch Hubacher aus einer ländlichen Gemeide im Kanton Bern. Später hatte es ihn nach Basel gezogen. «Ich denke, da hat er gelernt, sich durchzusetzen. Und sicherlich haben ihn auch die bescheidenen Verhältnisse, aus denen er kommt, geprägt», sagt Ogi.
Über Blocher hat Hubacher ebenfalls ein Buch verfasst. Dieser sagt: «Klar ist, mit zunehmendem Alter ist Hubacher selbstkritischer geworden, auch milder. Das hat sich auch in seinen Kolumnen widergespiegelt, die er bis fast zuletzt verfasst hat.» So habe er sich etwa eingestanden, punkto Migrationsfrage die Arbeiter im Stich gelassen zu haben.
«Vor gut einem Jahr war er geistig noch absolut fit»
Tatsächlich ist es erst rund zwei Monate her, dass Hubacher sich in einer dieser Kolumnen verabschiedet und aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat.
Fast zeitgleich habe er sich in einem auf der Schreibmaschine verfassten Brief an die SP-Parteimitglieder gewandt, gibt Hans-Jürg Fehr an. «Da wusste ich: Er wird wohl leider nicht mehr lange leben.» Vor einem guten Jahr habe er ihn das letzte Mal persönlich getroffen: «Er referierte an einem Anlass in Schaffhausen. Da ging er zwar bereits an einem Stock, war aber geistig noch absolut fit.»
Dass es Hubacher zuletzt gesundheitlich schlechter ging, hatte auch Blocher vernommen. Und trotzdem: «Es bewegt mich, dass er nun von uns gegangen ist.»