Der Felssturz kommt – und er kommt mit Ansage. Der «Brienzer Rutsch» bedroht das kleine Bergdorf im Bündner Albulatal.
Weil ein Teil des Hanges zunehmend instabil wird, hat die Gemeinde die Evakuierung angeordnet. Seit 12. Mai ist Brienz offiziell Sperrzone.
Anna Bergamin ist in Brienz aufgewachsen, lebt heute aber im Tal. Mit ihrem Partner Walter Veraguth nimmt sie Abschied vom Dorf und beantwortet Fragen der Journalist*innen.
Roland Bossi und sein Sohn Leandro helfen den im Dorf wohnhaften Eltern beim Abtransport ihres Habseligkeiten.
Seit April hat sich die Geschwindigkeit, mit der ein zwei Millionen Kubikmeter grosser Teil der Felswand abdriftet, massiv beschleunigt.
Geröll und immer wieder auch grosse Brocken lösen sich und gehen nahe dem Siedlungsgebiet.
Sämtliche Zufahrtsstrassen sind gesperrt.
Die 85-Seelen-Gemeinde liegt im Bündner Albulatal.
Auch wenn die Evakuierung nur vorübergehend sein soll: Manchen im Dorf bereitet allein der Gedanke daran Sorgen.
Die Brienzer Bevölkerung wird im benachbarten Tiefencastel über die Evakuierung informiert.
«Es sind viele Emotionen im Spiel», sagt Daniel Albertin, Präsident der Gemeinde Albula/Alvra, zu der Brienz gehört. Dennoch sei der Entscheid zur Evakuierung der einzig richtige.
Weil nicht nur der Berg bröckelt, sondern das gesamte Dorf abrutscht, sind Schäden an Gebäuden und im Asphalt keine Seltenheit. Im Bild: Riss in einer Gebäudemauer.
Beide Zufahrtsstrassen zum Dorf sind seit dem 12. Mai gesperrt.
Geologe Stefan Schneider, Geschäftsführer CSD Ingenieuere, links, und Mediensprecher Christian Gartmann, an einer Medienbegehung im Dorf unter dem «Brienzer Rutsch».
Am Dienstag, 6. Juni, dürfen die Landwirte erstmals wieder zum Mähen und Heuen zurück nach Brienz. Bevor er ins Dorf gelassen wird, erhält Bauer Gian Liesch (r.) ein Funkgerät, damit er im Notfall erreichbar ist.
Ein Bauer fährt an einer Panzersperre vorbei auf eine Wiese.
Am Mittwoch, 7. Juni, dürfen auch die übrigen Bewohner*innen erstmals nach Brienz zurückkehren, um wichtige Sachen zu holen. 54 von ihnen nutzen diese Chance.
Am Abend des 7. Juni wird die Bevölkerung an einem öffentlichen Anlass in Tiefencastel über den aktuellen Wissensstand zum Brienzer Rutsch informiert.
Die Fragen, die sich für die Bewohner*innen stellen, sind gross.
Bündner Bergdorf Brienz ist evakuiert
Der Felssturz kommt – und er kommt mit Ansage. Der «Brienzer Rutsch» bedroht das kleine Bergdorf im Bündner Albulatal.
Weil ein Teil des Hanges zunehmend instabil wird, hat die Gemeinde die Evakuierung angeordnet. Seit 12. Mai ist Brienz offiziell Sperrzone.
Anna Bergamin ist in Brienz aufgewachsen, lebt heute aber im Tal. Mit ihrem Partner Walter Veraguth nimmt sie Abschied vom Dorf und beantwortet Fragen der Journalist*innen.
Roland Bossi und sein Sohn Leandro helfen den im Dorf wohnhaften Eltern beim Abtransport ihres Habseligkeiten.
Seit April hat sich die Geschwindigkeit, mit der ein zwei Millionen Kubikmeter grosser Teil der Felswand abdriftet, massiv beschleunigt.
Geröll und immer wieder auch grosse Brocken lösen sich und gehen nahe dem Siedlungsgebiet.
Sämtliche Zufahrtsstrassen sind gesperrt.
Die 85-Seelen-Gemeinde liegt im Bündner Albulatal.
Auch wenn die Evakuierung nur vorübergehend sein soll: Manchen im Dorf bereitet allein der Gedanke daran Sorgen.
Die Brienzer Bevölkerung wird im benachbarten Tiefencastel über die Evakuierung informiert.
«Es sind viele Emotionen im Spiel», sagt Daniel Albertin, Präsident der Gemeinde Albula/Alvra, zu der Brienz gehört. Dennoch sei der Entscheid zur Evakuierung der einzig richtige.
Weil nicht nur der Berg bröckelt, sondern das gesamte Dorf abrutscht, sind Schäden an Gebäuden und im Asphalt keine Seltenheit. Im Bild: Riss in einer Gebäudemauer.
Beide Zufahrtsstrassen zum Dorf sind seit dem 12. Mai gesperrt.
Geologe Stefan Schneider, Geschäftsführer CSD Ingenieuere, links, und Mediensprecher Christian Gartmann, an einer Medienbegehung im Dorf unter dem «Brienzer Rutsch».
Am Dienstag, 6. Juni, dürfen die Landwirte erstmals wieder zum Mähen und Heuen zurück nach Brienz. Bevor er ins Dorf gelassen wird, erhält Bauer Gian Liesch (r.) ein Funkgerät, damit er im Notfall erreichbar ist.
Ein Bauer fährt an einer Panzersperre vorbei auf eine Wiese.
Am Mittwoch, 7. Juni, dürfen auch die übrigen Bewohner*innen erstmals nach Brienz zurückkehren, um wichtige Sachen zu holen. 54 von ihnen nutzen diese Chance.
Am Abend des 7. Juni wird die Bevölkerung an einem öffentlichen Anlass in Tiefencastel über den aktuellen Wissensstand zum Brienzer Rutsch informiert.
Die Fragen, die sich für die Bewohner*innen stellen, sind gross.
«Was wird aus unseren Häusern?» Diese Frage beschäftigt die Menschen in Brienz besonders, ehe sie das Dorf verlassen müssen. Die Versicherung zahlt zwar für manche Schäden, aber nicht für alle – ein Überblick.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Der Berghang bröckelt, das ganze Dorf rutscht talwärts: Im Bündner Bergdorf Brienz sind immense Naturkräfte am Werk.
- Für die Gebäude im Dorf besteht Gefahr, Schaden zu nehmen.
- Bei einem Totalschaden bezahlt die Gebäudeversicherung in jedem Fall – aber bei Schäden aufgrund der Rutschung sieht es anders aus.
- Der Kanton Graubünden verspricht massgeschneiderte Hilfe für die Betroffenen.
Wohin wird die Post zugestellt? Werden Strom und Wasser im Dorf abgedreht? Was ist mit den Kühen? Den Bewohner*innen von Brienz stellen sich zahlreiche Fragen, wie es während und nach der angeordneten Evakuierung weitergeht.
Ein Thema, das am Informationsanlass vom Dienstagabend besonders oft zur Sprache kam: Zahlt die Versicherung für Gebäudeschäden?
Da nicht nur der Berghang oberhalb der Gemeinde abrutscht, sondern das gesamte Siedlungsgebiet, sind Risse im Asphalt und in Gebäudemauern keine Seltenheit im Ortsbild. Nun kommt die Gefahr hinzu, die ein Abbruch von bis zu zwei Millionen Kubikmeter Felsmasse mit sich bringt, den die Experten in den nächsten Wochen erwarten. Was heisst das konkret?
Was gilt bei einem Totalschaden?
Der Bündner Regierungspräsident Peter Peyer versuchte am Dienstag, so weit möglich Klarheit zu schaffen: Fest stehe: Wenn ein Gebäude zerstört wird, zahlt die Gebäudeversicherung. Werde ein Haus aufgrund sogenannt «schleichender Schäden» unbewohnbar – zum Beispiel aus Gründen der Statik – gelte das ebenfalls als Totalschaden, sagte Peyer.
Diese Angaben bestätigt die Gebäudeversicherung Graubünden. Grundsätzlich müsse man aber unterscheiden, was die Ursache eines Schadens sei, sagt deren Präsident Marc Handlery auf Anfrage von blue News. «Entsteht ein Schaden aufgrund eines Felssturzes, bezahlen wir den Neuwert – auch bei Teilschäden.»
Bei Schäden aufgrund einer permanenten Rutschung, wie dies in Brienz der Fall sei, müsse man differenzieren: «Wird das Gebäude aufgrund von Rutschungsschäden als unbewohnbar erklärt oder wird ein Nutzungsverbot erlassen, bezahlen wir ebenfalls den Neuwert.»
Was gilt bei Reparaturen?
Anders sehe es bei Reparaturarbeiten aus, solange das Haus noch als bewohnbar gelte. Diese seien nicht gedeckt, sagt Gebäudeversicherungs-Direktor Marc Handlery. Das sei schweizweit so geregelt. «Wollte man das im Fall von Brienz ändern, müsste man das Gesetz ändern.»
Dieser Problematik ist man sich auch beim Kanton bewusst. Regierungspräsident Peter Peyer ging in Tiefencastel auf den Fall ein, dass Bewohner*innen Schäden an ihrem Haus nicht mehr reparieren könnten, weil das Geld fehle – und sie ihre Liegenschaft deshalb verlassen möchten.
Bis ein effektiver Schaden eintrete, der durch die Gebäudeversicherung gedeckt werde, könne es ja noch ein Jahr oder länger gehen. «Wie können wir diese Zwischenfrist finanzieren, sodass die Leute die Möglichkeit haben, dieses Gebäude aufzugeben?», fragte Peyer. An genau diesem Problem werde in einer Arbeitsgruppe intensiv gearbeitet.
Brienz wird evakuiert: «Als ich die Meldung gekriegt habe, hat das schon wehgetan»
Die Bewohner*innen von Brienz müssen wegen Felssturz-Gefahr die Koffer packen, am Dienstagabend wurden sie über die Evakuierung informiert. Wie nehmen sie den Entscheid auf? Ein paar Stimmen von Betroffenen.
09.05.2023
Regierungsrat Martin Bühler, der Bündner Finanzdirektor, stellte eine «massgeschneiderte Unterstützung» in Aussicht, «falls man das Dorf verlassen will». Eine definitive Lösung sei noch nicht spruchreif, die entsprechenden Teams seien aber mit Hochdruck daran.
Was ist mit Vermieter*innen?
Eine ältere Dorfbewohnerin sagte zu blue News, ihr Sohn habe besonders Pech gehabt: Er habe auf den 1. Juli hin eine Unterkunft vermieten wollen, doch nun könnten die Mieter*innen gar nicht einziehen.
Springt die Versicherung auch bei entgangenen Mieteinnahmen ein? Je nachdem, hält die Gemeinde Albula/Alvra, zu der Brienz gehört, in ihrem Informationsdossier zum Brienzer Rutsch (PDF-Datei) fest. «Auf besondere Vereinbarung ist es möglich, dass Versicherungsschutz besteht», heisst es dort. Die Deckung hänge aber von den vereinbarten Leistungen der individuellen Police ab.
Von der Gemeinde Albula/Alvra hingegen können Vermieter*innen keine Kompensation für entgangene Mietausfälle erwarten: Dies sei Risiko der Vermieter*innen.
Was gilt ganz generell?
Viele Informationen für die Betroffenen sind in diesem Informationsdossier beantwortet. Das Dokument soll laufend ergänzt werden, sobald neue Antworten vorliegen.
In jedem Fall empfehlenswert sei es, wenn sich Bewohner*innen im Gefahrengebiet mit ihrer Versicherung in Kontakt setzen, um ihre individuellen Deckungen zu klären und bei Bedarf anzupassen. Zusagen vonseiten der Versicherung sollte man dabei schriftlich (nicht nur mündlich) verlangen, empfiehlt der Gemeindeführungsstab.
Fotos von Schäden an Gebäuden zu machen, um ihren aktuellen Zustand zu dokumentieren, sei auch nicht verkehrt, sagte Christian Gartmann, der Kommunikationsverantwortliche der Gemeinde. Wenn man die Aufnahmen brauche, habe man sie so wenigstens zur Hand.
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