Jobvermittler für über 50-Jährige Sie holen Pensionierte aus dem Rentner-Dasein

Von Samuel Walder

6.9.2024

Alexis Weil, Gründer von Senior@Work, mit seinem Vater.
Alexis Weil, Gründer von Senior@Work, mit seinem Vater.
Bild: zvg

In der Schweiz musst du bis 65 arbeiten. Doch was dann? Rentner*innen sind meist noch fit und möchten aktiv bleiben. Die Plattform senior@work will den Älteren eine Chance bieten.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Online-Plattform senior@work vermittelt über 50-jährige Arbeitskräfte, die vor oder nach Ihrer Pension in der Arbeitswelt aktiv bleiben wollen.
  • Es gibt jedoch einige Hürden zu überwinden. So sind nicht alle Branchen von älteren Fachkräften überzeugt. Auch ist es eine Preisfrage.
  • Experten betonen, dass Unternehmen von der Erfahrung älterer Arbeitnehmender profitieren und Kosten durch längere Anstellungen sparen können.

Der Fachkräftemangel treibt die Schweiz nicht erst seit gestern um. Dabei gäbe es Möglichkeiten dem entgegenzuwirken. Zumindest sagen das Expert*innen. senior@work ist aber überzeugt, dass es funktioniert. 

Alexis Weil (33) ist Gründer der Online-Plattform senior@work und sagt: «Die Idee, diese Plattform zu gründen, kam 2018, als mein Vater pensioniert wurde.» Dieser sei mit 65 fit und aktiv gewesen und habe keine Lust auf das Rentner-Dasein gehabt.

«Das Problem war, dass man als Rentner den Anschluss in die Arbeitswelt nicht mehr so schnell findet. Das hat viele Gründe», erklärt Weil, der mit seinem Projekt jetzt auch für einen Swiss Diversity Award nominiert ist. «Zum einen wahren Unternehmen eine Distanz zu älteren Arbeitssuchenden. Meist wegen Vorurteilen.»

Die Plattform ist einfach aufgebaut. Firmen, die auf der Suche nach Fachkräften sind, können sich auf senior@work registrieren. «Senior Talents, wie wir unsere Kunden nennen, können sich ebenfalls wie die Firmen bei uns ein Profil machen», sagt Weil.

Unternehmen können dann ihre Jobinserate auf senior@work posten und erhalten in der Folge Vorschläge für passende Kandidatinnen und Kandidaten. Weil sagt: «Mittlerweile haben wir 60'000 Kandidatinnen und Kandidaten und 6000 Unternehmen, die sich bei uns registriert haben.»

Nicht alle Firmen wollen «alte» Mitarbeiter

Die Firmen seien froh um Fachkräfte, die Teilzeit oder Vollzeit arbeiten und ihre Erfahrung in die Firmen mitbringen. Es gebe aber auch Bereiche, die skeptischer seien: «Start-ups oder auch die IT-Branche sind weniger als andere Branchen auf unserer Plattform vertreten.»

In der IT sei die Skepsis gross gegenüber älteren Menschen. Weil meint: «Da müssen wir mehr Aufklärungsarbeit leisten. Wir haben aber auch einige IT-Unternehmen und Start-ups auf unserer Plattform gewinnen können.» Eine weitere Hürde, die es zu überwinden gebe, seien die Regelungen im Arbeitsrecht für pensionierte Menschen.

«Alle Firmen berücksichtigen natürlich das Gesetz.» Weil setzt auf Aufklärung – und zwar nicht nur bei den Kandidatinnen und Kandidaten: «Uns ist es wichtig, Unternehmen darüber aufzuklären, das die ältere Generation immer noch sehr wertvoll ist und vor allem auch dem Fachkräftemangel in einer Firma ein Ende setzen kann.» Das grosse Ziel von senior@work: «Wir wollen den Fachkräftemangel decken und so auch die Wirtschaft nachhaltig verändern.» 

Experte sieht grosse Vorteile bei den über 50-Jährigen

Matthias Mölleney ist Centerleiter für HR und Leadership an der HWZ und sagt: «Es ergibt absolut Sinn, die ältere Generation in den Arbeitsmarkt einzubeziehen.» Ein Unternehmen könne so unter Umständen sogar Geld sparen. «Wenn ich eine Person anstelle, die 55 Jahre alt ist, ist es wahrscheinlicher, dass sie 10 Jahre im Unternehmen bleibt.»

Matthias Mölleney war Senior Vice President Human Resources bei der Lufthansa und leitet nun das Center für HR und Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich.
Matthias Mölleney war Senior Vice President Human Resources bei der Lufthansa und leitet nun das Center für HR und Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich.
Bild: zvg

Hingegen, wenn Unternehmen jüngere Personen anstellt, sei die Wahrscheinlichkeit grösser, dass eine Firma in 10 Jahren eine Stelle 3 Mal neu besetzten müsse. Das verursache hohe Kosten. Mölleney erklärt: «Das Argument, dass ältere Arbeitnehmer mehr kosten würde, im Idealfall also nicht mehr gelten.»

Es finde langsam ein Umdenken in den Unternehmen statt, die sich genau diese Gedanken machen. Die Pionier-Firmen, bei denen dieses Umdenken schon stattgefunden habe, hätten einen grossen Vorteil. «Die haben eine grosse Auswahl an Fachkräften, die ja arbeiten wollen, motiviert sind und ein grosses Fachwissen mitbringen», sagt Mölleney. 

Wichtig sei aber, dass man das Weiterbildungssystem auch für ältere Personen anpasst. «Oft sagen Unternehmen, die ältere Generation habe sich seit 10 Jahren nicht weitergebildet», so Mölleney. Doch das Weiterbildungssystem sei oft nicht auf Personen, die über 50 sind, zugeschnitten. «Wenn man diese Faktoren berücksichtigt und Anpassungen auf dem Arbeitsmarkt vornimmt, könnte man am Fachkräftemangel die Stirn bieten», sagt Mölleney.