Konsultation abgelaufen Wie es jetzt weitergeht mit dem EU-Rahmenabkommen

Anna Kappeler

24.4.2019

Eine gehisste EU und Schweizer Fahne flattern in Zürich im Wind.
Eine gehisste EU und Schweizer Fahne flattern in Zürich im Wind.
Bild: Keystone/Gaetan Bally

Nach der Konsultation ist vor dem Entscheid: Zum Rahmenabkommen mit der EU haben sich nun alle Partner geäussert – und nicht mit Kritik an die Adresse des Bundesrates gespart. «Bluewin» zeigt die wichtigsten Positionen im Überblick.

Warum ist das Rahmenabkommen so wichtig?
Es ist eines der bedeutendsten Geschäfte dieser Legislatur. Und es wird bereits als «die unendliche Geschichte» betitelt: das institutionelle Abkommen mit der EU (InstA), das wie ein Rahmen die bestehenden und potenziellen neuen Marktzugangsverträge mit der Schweiz regeln soll. Seit zehn Jahren strebt die EU ein solches Abkommen an, seit vier Jahren verhandelt die Schweiz mit ihr darüber. Seit Dezember liegt der Vertragsentwurf vor, hier einsehbar in der deutschen Übersetzung. Der Bundesrat hat diesen in die Konsultation geschickt – die offiziell eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Am vergangenen Dienstag ist die Frist dazu zu Ende gegangen.

Was ist dabei herausgekommen?
Mit Kritik sparen die Parteien nicht – weder mit formeller noch mit inhaltlicher. Vielen Befragten missfällt, dass der Bundesrat nicht bereits im Dezember klar Stellung für oder gegen den Entwurf bezogen hat. Inhaltlich werden drei Punkte kritisiert: Erstens die Flankierenden Massnahmen mit dem Lohnschutz, welcher unter Druck zu kommen droht. Zweitens die Unionsbürgerrichtlinie, welche im Vertrag explizit nicht erwähnt wird – weswegen nun viele fürchten, diese zu einem späteren Zeitpunkt übernehmen zu müssen. Und drittens fordern etwa die Kantone und auch die Städte Präzisierungen im Bereich Staatsbeihilfen – kantonale Steuervergünstigungen etwa müssten weiterhin möglich sein.

Was sagen die Parteien?
Am lautesten wehrt sich die SVP gegen den Vertrag. Die Partei betreibt in 15 Punkten Fundamentalopposition. So argumentiert sie, dass das Abkommen die direkte Demokratie aushöhlen und die schweizerische Unabhängigkeit gefährden würde. Gekippt ist hingegen die SP mit ihrer Position: Hatte sie im Dezember wegen des Lohnschutzes noch fast genauso deutlich gegen das Abkommen geschossen wie die SVP, ist sie nun «im Prinzip» für den Vertrag. Allerdings bleiben für die Genossen nach wie vor viele Fragen offen – gerade beim Lohnschutz. Abschliessend haben sie sich noch nicht geäussert.

Christian Levrat, SP-Parteipräsident, spricht während einer Medienorientierung zur Konsultation zum Entwurf des institutionellen Rahmenabkommens Schweiz-EU.
Christian Levrat, SP-Parteipräsident, spricht während einer Medienorientierung zur Konsultation zum Entwurf des institutionellen Rahmenabkommens Schweiz-EU.
Bild: Keystone/Anthony Anex

Von der CVP kommt ein «Ja, aber» zum Abkommen. Die CVP-Fraktion fordert mit einer Motion eine gesetzliche Grundlage, mit der das Parlament und das Volk bei einer allfälligen Unterzeichnung frühzeitig mitentscheiden könnten. Auch die Grünen sagen «Ja, aber» – sie knüpfen ihre Zustimmung an die Aufforderung, dass sich der Bundesrat «endlich an die Arbeit macht, die vielen wichtigen offenen Fragen klärt und das Verhandlungschaos der letzten Jahre zu einem guten Ende bringt». Das schreibt die Partei auf ihrer Webseite.

Die FDP dagegen sagt «ganz klar Ja» zum InstA, allerdings weniger aus Überzeugung, als vielmehr «aus Vernunft», wie Parteipräsidentin Petra Gössi immer wieder betont. Es sei das Ziel der Partei, für die Schweiz den bestmöglichen Zugang zum EU-Binnenmarkt zu sichern, und das gehe nun einmal nur mit dem Abkommen, so die Begründung. Schliesslich sagt auch die GLP «ohne Vorbehalte Ja». Die Partei verlangt vom Bundesrat, seine Führungsverantwortung wahrzunehmen und mit aller Kraft für das Abkommen einzutreten.

Wie sehen das weitere Player?
Chancenlos ist der Vertragsentwurf beim Schweizer Gewerkschaftsbund. Unterstützung bekommt er dabei von EU-Gewerkschaftschef Luca Visentini. Auch er hat der Schweiz in einem Interview Nachverhandlungen empfohlen. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse streicht in einer Stellungnahme heraus, wie wichtig die Fortführung der bilateralen Verträge für den Schweizer Wohlstand sei – und stellt sich hinter den Rahmenvertrag. Doch auch er fordert punktuell Verbesserungen. So versuchen die meisten Schweizer Wirtschaftsverbände – mit Ausnahme des Gewerbeverbands – gute Stimmung für das Abkommen zu machen.

Und was finden die zuständigen Kommissionen der eidgenössischen Räte?
Sie kritisieren den Bundesrat mit deutlichen Worten. Dieser habe das Parlament in eine sehr ungemütliche Situation gebracht, bei der es ein Problem mit der Gewaltenteilung gebe. Die Landesregierung soll zum Rahmenabkommen mit der EU klar Stellung beziehen, bevor sie die Kommissionen konsultiert.

Sitzung im Rahmen der Konsultationen zwischen dem Bundesrat und den Gewerkschaften betreffend des Rahmenabkommens Schweiz-EU.
Sitzung im Rahmen der Konsultationen zwischen dem Bundesrat und den Gewerkschaften betreffend des Rahmenabkommens Schweiz-EU.
Bild: Keystone /Anthony Anex

Wie geht es jetzt weiter?
Voraussichtlich in der Sommersession beraten National- und Ständerat über eine Kommissionsmotion der Wirtschaftskommission (WAK). Nehmen beide Kammern diese an, wird der Bundesrat beauftragt, mit der EU Zusatzverhandlungen zu führen. Doch auch unabhängig davon ist jetzt wieder der Bundesrat am Zug. Er muss einen Bericht schreiben, in dem er Stellung dazu bezieht, wie es weitergehen soll. Auch muss er die vielen «Aber» aus der Konsultation bündeln.

Wird das Abkommen also unterzeichnet oder nicht?
Wahrscheinlichstes Szenario: Die Landesregierung wird Brüssel mitteilen, dass die Schweiz zwar ein Rahmenabkommen will, der vorliegende Entwurf aber Präzisierungen braucht. Die EU erwartet die Antwort aus Bern – und eigentlich auch bereits die Paraphierung des Vertrages – bereits bis Ende Juni. Die Zeit drängt.

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