Weihnachtslämpchen auf Sparflamme Du vermisst die vielen Lichter? Dafür geht's dir sonst viel besser

Von Gabriela Beck

12.12.2022

Weihnachtsbeleuchtung «Lucy» an der Bahnhofstrasse in Zürich: Dieses Jahr leuchtet sie pro Tag dreieinhalb Stunden weniger lang als üblich. Auf eine Beleuchtung in den Morgenstunden wird ganz verzichtet. (Archiv)
Weihnachtsbeleuchtung «Lucy» an der Bahnhofstrasse in Zürich: Dieses Jahr leuchtet sie pro Tag dreieinhalb Stunden weniger lang als üblich. Auf eine Beleuchtung in den Morgenstunden wird ganz verzichtet. (Archiv)
Walter Bieri/Keystone

Schweizer Städte und Gemeinden sparen bei der Weihnachtsbeleuchtung, sie schalten später ein und früher aus. Das schont einerseits die Kraftwerke, andererseits aber auch Tiere – und Menschen.

Von Gabriela Beck

Leuchtgirlanden über den Einkaufsstrassen, Kraft Hunderter Lämpchen strahlender Weihnachtsbäume, Lichterglanz in den Schaufenstern: Gerade in der Vorweihnachtszeit sind unsere Städte hell erleuchtet, noch heller als sonst. Dabei würde weniger Kunstlicht sowohl Mensch als auch Tier guttun.

Längst haben Wissenschaftler negative Folgen nächtlicher Beleuchtung im Tierreich belegt: Vögel prallen gegen Scheiben beleuchteter Hochhäuser, Fledermäuse verlassen ihre Quartiere zum Jagen nicht, solange diese angestrahlt werden, Aale unterbrechen ihre Wanderungen ins Meer, weil sie beleuchtete Brücken als Barriere wahrnehmen, Amseln singen mitten in der Nacht, Wühlmäuse verpassen den Winterschlaf.

Ganze Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht, weil Räuber-Beute-Beziehungen oder der Winterschlaf durch Kunstlicht durcheinandergebracht werden.

Milliarden Insekten fallen aus den Ökosystemen

Verheerend ist die anziehende Wirkung insbesondere von Strassenlaternen auf Insekten: In deren Leuchtkegel werden Falter und Fliegen zur leichten Beute für Spinnen. Oder sie sterben beim Umkreisen der Lichtquelle vor Erschöpfung – das sind Milliarden Insekten, die aus den Ökosystemen gezogen werden und dort dann für viele andere Tiere als Nahrungsgrundlage fehlen oder als Bestäuber für Pflanzen ausfallen.

Doch auch die Gesundheit des Menschen wird durch Kunstlicht beeinträchtigt. Erwiesen ist, dass unter anderen Faktoren auch Licht unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst. Durch künstliche Beleuchtung gerät er aus dem Takt. Vor allem das bläulich-weisse Licht vieler LEDs sorgt abends für Irritationen, da es von den empfindlichen Zellen auf der Netzhaut des Auges als Tageslicht wahrgenommen wird.

Depressionen durch helle Nächte begünstigt

Studien fanden darüber hinaus in Vergleichen mit Satellitendaten zur Aussenbeleuchtung Zusammenhänge mit späterem Zubettgehen, kürzerem Schlaf, häufigerem Schnarchen, häufigerem Übergewicht und vermehrter Einnahme von Schlafmitteln. Forscher vermuten, dass die Erleuchtung der Nacht sogar ernste Erkrankungen wie Depressionen oder Krebs begünstigen kann.

Im Rahmen des europäischen «Verlust der Nacht»-Netzwerks hat Franz Hölker, Leiter der Forschungsgruppe Lichtverschmutzung und Ökophysiologie am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), praktische Leitlinien für die Aussenbeleuchtung veröffentlicht.

Demnach sollte Licht möglichst von oben nach unten gerichtet sein, um Blendung und ein unnötiges Abstrahlen in den Himmel zu vermeiden. Ein weiterer Punkt nennt die Anpassung an die Nutzungszeiten. So könne Strassenbeleuchtung nach zehn Uhr abends gedimmt, mittels Bewegungsmelder betrieben oder ganz abgeschaltet werden.

Zu viele Lichtpunkte, die sinnlos leuchten

«Im Prinzip geht es darum, nur das zu beleuchten, was beleuchtet werden soll, und zwar nur so lange und so intensiv, wie es sinnvoll ist», fasst Hölker zusammen. Nicht jedes Gebäude, jede Bushaltestelle müsse dauerhaft beleuchtet sein. «Wir sehen immer noch zu viele Lichtpunkte, die einfach so vor sich hinleuchten, ohne dass man den Grund dafür erkennen könnte.»

Martin Löffler-Mang forscht an der Hochschule für Technik des Saarlands zu optischer Mess- und Lasertechnik. Er hilft Gemeinden dabei, starke oder ungünstig ausgerichtete Lichtquellen zu identifizieren.

Dafür wird eine gewöhnliche Kleinbildkamera in einem witterungsfesten, temperierten Gehäuse an einem Ort aufgestellt, der einen guten Überblick über das zu untersuchende Areal bietet. Über mehrere Monate oder auch Jahre hinweg macht die Kamera automatisch zu festen Zeiten und mit fixen Einstellungen Nachtaufnahmen, die dann Pixel für Pixel ausgewertet werden.

Dieses Lichtmonitoring kann Gemeinden bei der Umsetzung ihrer Lichtkonzepte unterstützen und deren Wirksamkeit im Anschluss bestätigen, wenn es vor dem Beginn neuer Massnahmen gestartet wird.

So wird zum Beispiel in der Gemeinde Andermatt UR im Rahmen der Siedlungsentwicklung seit 2013 Lichtmonitoring betrieben, um die Entwicklung der Lichtemissionen zu dokumentieren. Wird der Grenzwert überschritten, kann das Urner Umweltamt einschreiten.

«In Andermatt konnten wir einen Brunnen identifizieren, der die abgestrahlte Lichtmenge in einer Siedlung nach seiner Inbetriebnahme plötzlich verdoppelt hat. Seine Strahler waren unnötigerweise gegen den Himmel gerichteten. Für den Beleg mussten wir nur zwei Bilder nebeneinanderlegen», sagt Löffler-Mang.

In der Schweiz haben sich die gegen oben gerichteten Lichtemissionen zwischen 1994 und 2020 mehr als verdoppelt. Nach Angaben des Bundesamts für Umwelt (BAFU) ist nicht einmal mehr ein Fünftel der Schweiz in der Nacht wirklich dunkel.

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Die Zürcher Weihnachtsbeleuchtung «Lucy» leuchtet wieder. Wegen der Stromknappheit bleibt sie jedoch weniger lang als üblich eingeschaltet. blue News wollte wissen, was die Menschen davon halten – und ob sie selber Strom sparen.

24.11.2022