Beznau bleibt Warum wird das älteste AKW im Land nicht auch abgeschaltet?

tafi/SDA

20.12.2019

Mühleberg wurde heute der Stecker gezogen, vom Atomausstieg ist die Schweiz aber weit entfernt. Beznau, das älteste AKW im Land, hat noch ein paar Jahre vor sich. Warum ist das so?

Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) hat in einer Studie (PDF-Download) untersucht, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Stilllegung eines Atomkraftwerks beschlossen wird. Im Fall des AKW Mühleberg, das heute nach 47 Betriebsjahren abgeschaltet wird, sei die Stilllegung die kostengünstigere Variante im Vergleich zum Weiterbetrieb.

In Beznau – wie auch in den anderen Schweizer AKW Leibstadt und Gösgen – hingegen gäbe es genug betriebswirtschaftliche Anreize, die den Weiterbetrieb rechtfertigten.

Den Grünen passt das gar nicht: Nach dem Aus für das AKW Mühleberg drängen sie auf die Abschaltung des nächsten Atomkraftwerks. Nun müsse Beznau vom Netz, forderten grüne Nationalratsmitglieder am Freitag im Bundeshaus. «Nach Mühleberg: Ciao Beznau» stand auf Transparenten zu lesen, welche die Grünen in die Höhe hielten. Auch das deutsche Umweltministerium hatte schon im Oktober die Abschaltung von Beznau gefordert, was die «Neue Zürcher Zeitung» zu einem empörten Kommentar veranlasste.

Vier Gründe für das Mühleberg-Aus

Dass die Betreiberin BKW 2013 beschloss, Mühleberg mittelfristig aufzugeben, habe laut SES vier Gründe. Erstens waren die Investitionskosten für die geforderten Nachrüstungen angesichts der Aussichten am Strommarkt zu hoch. Zweitens waren Volksinitiativen hängig, die aus BKW-Sicht einen unkontrollierten Stilllegungsprozess auszulösen drohten. Drittens willigte die Atomaufsicht Ensi ein, provisorische Massnahmen umzusetzen und Mühleberg so befristet bis 2019 weiterzubetreiben.



Und viertens schliesslich unterscheidet sich die BKW von den AKW-Betreibern Axpo und Alpiq darin, dass sie nur Mühleberg besitzt (von einer kleinen Beteiligung am AKW Liebstadt abgesehen) – und dies zu 100 Prozent. Die BKW konnte dadurch schneller und eigenständig ihre Strategie ändern und den Atomausstieg beschliessen.

Im AKW Beznau, obwohl drei Jahre länger in Betreib als Mühleberg, liegt die Sache anders. Betreiberin Axpo hatte laut «Nau.ch» schon 2008 Investitionen in Höhe von 700 Millionen Franken beschlossen, um den Betrieb bis Mitte der 2020er-Jahre zu sichern. Die Autoren der SES-Studie halten es daher für denkbar, dass die Axpo grössere Verluste durch teure Nachrüstungen und schlechte Preise an der Strombörse in Kauf nahm, um auf lange Sicht mehrere Grosskraftwerke im Markt zu halten.



Denn der Energiekonzern ist auch an den AKW Leibstadt und Gösgen beteiligt. Daher habe eine Stilllegung für den Konzern eine andere Tragweite als bei der BKW. Statt in Beznau ein modernes AKW zu bauen, reize sie die technischen Grenzen im Langzeitbetrieb aus. Eine riskante Strategie, wie die Studie schliesst: Grössere sicherheitstechnische Probleme und Stromgrosshandelspreise von weniger als sechs Rappen pro Kilowattstunde könnten sich schnell negativ auswirken.

Gösgen und Leibstadt bleiben vorerst am Netz

Wieder anders sieht es im Fall von Gösgen und Leibstadt aus – nicht zuletzt wegen der Eigentumsstrukturen, wie es in der Studie heisst. In der Frage der Stilllegung müssten sich die beiden grossen Besitzerinnen Alpiq und Axpo praktisch einig sein, sonst werde der Entscheid aufgeschoben.

«Der Stilllegungsentscheid von Mühleberg war sehr besonderen Umständen geschuldet, die sich nicht so schnell wiederholen werden», zieht Simon Banholzer, Hauptautor der SES-Studie und Leiter Fachbereich Atomenergie bei der Energiestiftung ein Fazit, das der Umweltorganisation Greenpeace gar nicht passt. Sie gratulierte der Mühleberg-Betreiberin BKW zu ihrem «weittragenden Entscheid» und nahm zugleich die Politik und die anderen AKW-Betreiber in die Pflicht.



Es bedürfe verbindlicher Abschaltdaten für die vier restlichen Reaktoren des Landes, forderte Greenpeace in einem Communiqué. «Wenn sich die Stromkonzerne nicht über eine entsprechende Roadmap einigen können, muss der Bund das Heft wieder in die Hand nehmen.»

Das erste Schweizer AKW geht vom Netz

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