Konzernverantwortung Operation Libero: Und plötzlich heisst die Gegnerin nicht mehr SVP 

Von Julia Käser

13.10.2020

Plötzlich Gegnerinnen: Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung Economiesuisse, und Laura Zimmermann, Co-Präsidentin Operation Libero. 
Plötzlich Gegnerinnen: Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung Economiesuisse, und Laura Zimmermann, Co-Präsidentin Operation Libero. 
Bild: Keystone

Die Konzernverantwortung zieht neue politische Linien. Dass sich die Operation Libero ausgerechnet gegen die Wirtschaftsverbände stellt, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch.

Wie weiter mit der Operation Libero? Das fragte man sich nach den letzten Abstimmungen, nachdem die Hauptgegnerin SVP einmal mehr unterlegen war. Die Zukunft der politischen Bewegung stand in den Augen vieler in den Sternen.

Seit Sonntag nun ist klar: Statt durchzuatmen, stürzt sich die Operation Libero gleich in den nächsten Abstimmungskampf und wirbt für ein Ja zur Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) – «aus liberaler Überzeugung», wie sie mitteilt.

Die Kovi verlangt, dass Schweizer Konzerne für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden, die sie oder ihre Tochterfirmen verursachen, geradestehen müssen – unabhängig davon, wo das Delikt geschieht. Bekämpft wird das Vorhaben an vorderster Front von diversen Wirtschaftsverbänden.

Von der engsten Verbündeten zur härtesten Gegnerin

Ausgerechnet jene Verbände, mit denen die Operation Libero Seite an Seite erfolgreich gegen die nachlassende SVP gekämpft hat. Den Mitgliedern der Operation Libero wurde auch schon nachgesagt, die jugendlichen Vertreter von Economiesuisse zu sein. 

Wiederholt sah sich die Politbewegung zudem mit dem Vorwurf konfrontiert, Geld vom Wirtschaftsdachverband zu erhalten. Bis auf eine Spende von 5'000 Franken im Jahr 2015 streitet die vor sechs Jahren gegründete Operation Libero dies jedoch vehement ab.

Co-Präsident Stefan Manser-Egli bezeichnete den Entscheid, aktiv für die Konzernverantwortung zu kämpfen im «SonntagsBlick» als Beweis für die Unabhängigkeit der Bewegung. Die engste Verbündete in der Europa-Frage ist nun plötzlich die härteste Gegnerin. 

Und dieser – der Economiesuisse – unterstellt man nun gar die Verbreitung von Lügen. In den Abstimmungskampf mische man sich unter anderem deshalb ein, um «die vielen Unwahrheiten an, mit denen die Gegenseite operiert», zu entlarven, so die Begründung der Operation Libero.

Freiheit und Verantwortung: Geht das ohneeinander?

Aber entlarvt sich die Bewegung, die sich als gesellschafts- und wirtschaftsliberal definiert, nicht selbst? Denn für viele sind zusätzliche Vorschriften und Gesetze nicht wirtschaftsfreundlich, sondern hemmend für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Und viele befürchten, dass die Annahme der Kovi genau das zur Folge hat: mehr Vorschriften und Gesetze, weniger Freiheit für Unternehmen.

Alleine steht die junge Politbewegung in den wirtschaftsfreundlichen Kreisen jedoch nicht da. Im «Wirtschaftskomitee für verantwortungsvolle Unternehmen» sitzen knapp 200 Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich für die Vorlage starkmachen. Im «Bürgerlichen Komitee für Konzernverantwortung» stehen zahlreiche Mitglieder von bürgerlichen Parteien für die Initiative ein.

Das Hauptargument des bürgerlichen Komitees: Freiheit und Verantwortung sind ohneeinander undenkbar. Diesem Credo schliesst sich die Operation Libero an. «Freiheit und Verantwortung sind in einer liberalen Wirtschaftsordnung untrennbar miteinander verknüpft», schreibt sie in einer Mitteilung.

Auch marktwirtschaftliche Gründe würden für die Annahme der Initiative sprechen. So sorge der Staat für einen funktionierenden Wettbewerb, indem er Regeln für die Konzernverantwortung festlege. Schliesslich stärke die Kovi die Reputation der Schweizer Konzerne und des Wirtschaftsstandorts Schweiz.

Economiesuisse warnt vor Gefährdung des Wohlstandes

Das heisst: Statt der Wirtschaft zu schaden, verbessere die Initiative ihren Ruf und ihre Anerkennung, findet die Operation Libero. Das will die Economiesuisse so nicht gelten lassen. Dort bezeichnet man das Anliegen zwar als berechtigt, die Umsetzung jedoch als zu extrem.

Die geplanten Haftungsnormen sind in den Augen des Wirtschaftsdachverbands weltweit einzigartig und würden die Schweizer Unternehmen gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligen. Damit gefährde die Kovi zahlreiche Arbeitsplätze und den Wohlstand in der Schweiz. Ähnlich sieht das der Bundesrat. 

Wird die Initiative abgelehnt, tritt automatisch der indirekte Gegenvorschlag in Kraft, der auch von den Wirtschaftsverbänden unterstützt wird. Statt Haftungsregelungen sieht dieser Berichterstattungspflichten für bestimmte Unternehmen vor. 

Neue Linien in der Politlandschaft

Den Leuten der Operation Libero reicht das aber nicht. Für sie bedeutet Wirtschaftsfreundlichkeit, dass Menschenrechte und Umweltschutz hochgehalten werden. Höher als zusätzliche staatliche Vorschriften.

Auch die Verrechtlichung, vor der die Wirtschaftsverbände warnen, genügt der Operation Libero als Argument nicht. Somit zieht die junge Organisation neue politische Linien in der Schweizer Politlandschaft: Wirtschaftlichkeit ist ihrer Ansicht nach immer auch im Einklang mit Umweltschutz und Menschenrechten möglich. 

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