«Tischlein deck dich» sogar bei der SVP? Ueli Maurer ruft zum Sparen auf, das Parlament gibt noch mehr aus

Von Stefan Michel

23.9.2022

Parlament und Regierung leeren die Kasse, die er verwaltet: Bundesrat Ueli Maurer, Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (Archivbild).
Parlament und Regierung leeren die Kasse, die er verwaltet: Bundesrat Ueli Maurer, Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (Archivbild).
Keystone

Bundesrat Ueli Maurer ruft wieder und wieder zum Sparen auf, das Parlament und seine Regierungskolleg*innen beschliessen laufend neue Ausgaben. 

Von Stefan Michel

Ob er sich wie Onkel Dagobert davor fürchte, beim Bad im Münz-Pool den Boden zu spüren, also festzustellen, dass das Geld weg ist, will SRF-Reporterin Nathalie Christen von Bundesrat Ueli Maurer wissen. «Nein, ich habe Angst, vom Schuldenberg zu stürzen. Geld haben wir schon lange keines mehr, wir machen nur noch Schulden», antwortet der Finanzminister gewohnt lapidar.

Mit «schon lange» liegt Maurer richtig. Im Ersten Weltkrieg begann die Schweiz, Schulden anzuhäufen, und wurde sie nie mehr los. Seit Einführung der Schuldenbremse 2003 gelang es immerhin, den Schuldenberg von rund 130 Milliarden auf unter 100 Milliarden Franken abzubauen.

Dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr Steuerausfälle und milliardenteure Unterstützungsprogramme für KMU, Staatsbetriebe und Privathaushalte. Und kaum war die Covid-Krise überwunden und die Wirtschaft im Aufschwung, marschierte Russland in die Ukraine ein und stürzte Europa in eine Energie- und Inflationskrise.

Eidgenössische Finanzverwaltung, Bundesamt für Statistik

Mehr als fünf Milliarden Franken Mehrausgaben

Seither schlägt das Parlament neue umfangreiche Finanzprogramme und Budgeterhöhungen vor und verabschiedet diese auch. Die Armee erhält bis 2030 jährlich vier Milliarden Franken mehr. Die Prämienverbilligung soll um eine Milliarde Franken aufgestockt werden. Die Revision des aktuellen CO2-Gesetzes schlägt mit über vier Milliarden Franken von 2025 bis 2030 zu Buche.

Bundesrat Maurer, zuständig dafür, den Staatshaushalt im Gleichgewicht zu halten, reagiert darauf mit Sparappellen. Die Schuldenbremse gelte weiterhin. Wenn der Bund zusätzliche Mittel verteile, müsse er entweder die Steuern erhöhen oder an anderer Stelle sparen. «Die Einspar-Vorschläge sprudeln nicht so wie die Ausgabe-Vorschläge», beschreibt er im SRF-Interview lächelnd. Dabei ist klar, dass ihm die Bundesfinanzen grosse Sorgen bereiten.

«Die Einspar-Vorschläge sprudeln nicht so wie die Ausgabe-Vorschläge.»

Das Parlament und die weiteren Bundesräte hören nicht auf ihn, wollen ihm bisweilen nicht einmal zuhören, wie eine Episode zeigt, welche die NZZ publik gemacht hatte: Bundesrat Maurer wollte in beiden Parlamentskammern eine formelle Erklärung des Gesamtbundesrats zur Finanzlage verlesen lassen. Seine Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat wehrten sich dagegen, wie die NZZ unter Berufung auf gut unterrichtete Kreise berichtet.

Dies, weil Ueli Maurer nicht nur zum Sparen aufrufen, sondern dies auch gleich mit konkreten Massnahmen untermauern wollte. Dafür sei es zu früh, soll der Tenor der anderen Bundesämter und ihrer Vorsteher*innen gewesen sein.

SVP kritisiert Maurer – Maurer kritisiert SVP

Ueli Maurer selbst sieht in der Ausgabefreudigkeit der Räte nicht zuletzt Wahlkampfgeschenke, schliesslich bestellt die Bevölkerung 2023 ihre Parlamentsvertreter*innen neu.

Wie Maurer kritisiert die SVP die Mehrausgaben und dabei bisweilen auch den eigenen Bundesrat. Gestern Mittwoch musste er dem Parlament berichten, dass Corona-Kredite im Wert von einer halben Milliarde Franken nicht zurückgezahlt werden würden.

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (BE) machte im «Blick» seinem Ärger Luft: Finanzminister Maurer habe sich zuversichtlich gezeigt und dem Parlament versichert, dass kaum Ausfälle zu erwarten seien, erinnert sich Aeschi. «Nun zeigt sich plötzlich ein ganz anderes Bild. Bis zuletzt müssen wir wohl mit Verlusten von einer bis zwei Milliarden Franken rechnen.»

Gleichzeitig schlägt auch die SVP neue Finanzhilfen vor, etwa Beiträge für jene, die unter den hohen Benzinpreisen leiden. «Selbst unsere Partei meint, es sei ‹Tischlein deck dich!› und der Staat habe für alles zu sorgen», kommentierte Finanzminister Maurer diesen Vorstoss im Gespräch mit SRF.

Die aktuelle Konjunktur lasse 2023 eine Überschreitung der Schuldenbremse um 877 Millionen Franken zu, rechnet die Eidgenössische Finanzverwaltung auf ihrer Website vor. Deutlich weniger als die zu erwartenden Mehrausgaben.