Linke kritisiert Bundesratsentscheid «Streichung von laufenden Witwenrenten ist empörend»

Dominik Müller

23.10.2024

Mit der neuen Regelung der Hinterlassenenrenten will der Bund auch Millionen bei der AHV einsparen.
Mit der neuen Regelung der Hinterlassenenrenten will der Bund auch Millionen bei der AHV einsparen.
Symbolbild: Keystone

Der Bundesrat hat am Mittwoch die Streichung der Witwenrente beschlossen. Die Massnahme stösst bei der SP und den Gewerkschaften auf viel Kritik.

Dominik Müller

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  • Der Bundesrat hat die Streichung der lebenslangen Witwenrente beschlossen.
  • SP und Gewerkschaften kritisieren den Entscheid scharf.
  • Die Landesregierung wolle unter dem Deckmantel der Gleichstellung sparen.

Heute bekommen Witwen lebenslang eine Rente, auch wenn sie keine unterhaltsberechtigten Kinder haben. Witwer hingegen erhalten sie nur bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes. 2022 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) diese Ungleichbehandlung der Geschlechter in einem Urteil festgehalten.

Nun hat der Bundesrat eine Änderung dieser Regelung beschlossen – allerdings nicht im Sinne der Linken: Neu sollen Witwen und Witwer eine Rente erhalten, bis das jüngste Kind das 25. Altersjahr erreicht – unabhängig vom Zivilstand.

Nicht zuletzt hat die Reform auch einen Spareffekt. Falls sie 2026 in Kraft treten kann, soll sie bis ins Jahr 2030 eine Verringerung der AHV-Ausgaben um rund 350 Millionen Franken zur Folge haben. 70 Millionen davon betreffen Einsparungen beim Bund.

«Fataler» Entscheid für schlecht gestellte Frauen

«Nein zum Kahlschlag bei den Witwenrenten», schreibt die SP in einer Medienmitteilung. Der bürgerlich dominierte Bundesrat mache aus einer Gleichstellungsvorlage ohne Not eine Abbauvorlage. «Dass der Bundesrat auch laufende Witwenrenten streichen will, ist empörend», sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Gerade für schlecht gestellte Frauen könne es fatal sein, wenn eine Rente nach vielen Jahren einfach so wegfalle.  

Samira Marti, Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP-Bundeshausfraktion, schlägt in dieselbe Kerbe: «Der Bundesrat wird nicht müde, zu betonen, die Bundesfinanzen stünden unter Druck. Geht es aber darum, für die Armee oder Steuergeschenke für Wohlhabende und Grosskonzerne riesige Summen zu sprechen, wird nicht mit der Wimper gezuckt.»

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) steht einer Neugestaltung der Hinterlassenenrenten an die gewandelten gesellschaftlichen Entwicklungen und Familienstrukturen grundsätzlich offen gegenüber, wie er in einer Mitteilung schreibt. Er begrüsse denn auch die Entscheidung des Bundesrats, mit der Revision gezielt Hinterbliebene mit unterhaltsberechtigten Kindern zu unterstützen. Gleiches gelte für die Berücksichtigung armutsgefährdeter Personen als auch altersbedingter Umstände.

Kürzung laufender Renten ist «inakzeptabel»

Hingegen spricht sich der SGB dezidiert dagegen aus, dass die Neugestaltung mit einem Leistungsabbau zugunsten der Bundesfinanzen verknüpft werden soll. Gemessen an den Zahlen der AHV-Statistik 2022 entspreche die Vorlage einer Kürzung des Gesamtbudgets der Hinterlassenenrenten um rund 50 Prozent.

«Das ist ein Abbau, der vor allem Witwen trifft, die heute bereits eine Witwenrente erhalten», schreibt der SGB. Diese Streichung respektive Kürzung laufender Renten sei «inakzeptabel und löst Existenzängste aus». Der Bundesrat hat die Botschaft am Mittwoch zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die SP hat in der parlamentarischen Debatte bereits Widerstand angekündigt.