Der Spesen-Check Was du abrechnen darfst, und was Pierin Vincenz abgerechnet hat

Von Andreas Fischer

21.1.2022

So kommentiert das Netz die Causa Pierin Vincenz

So kommentiert das Netz die Causa Pierin Vincenz

Am 25. Januar 2022 beginnt der Prozess gegen den Banker Pierin Vincenz. So kommentiert das Netz seine angeblichen Eskapaden.

21.01.2022

Der ehemalige Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz soll rund 600'000 Franken «Auslagen» abgerechnet haben. Und welche Spesenregeln gelten in der Schweiz für einfache Angestellte? Eine Gegenüberstellung mit Exzessen.

Von Andreas Fischer

Geschäftsreisen, Verpflegung, Material: Wer arbeitet, der hat auch Kosten. Die haben Arbeitnehmende natürlich nicht selbst zu bezahlen. Weder Aussendienstler bei einem mittelständischen Unternehmen noch Kader bei einer grossen Bank. Die Kosten für die Ausführung der Arbeit notwendiger Auslagen muss immer der Arbeitgeber übernehmen. So steht es im Gesetz (Art. 327 ff. Obligationenrecht, PDF), und das gilt auch für Pierin Vincenz.

Der ehemalige Raiffeisen-Chef, der sich ab 25. Januar vor dem Zürcher Bezirksgericht verantworten muss, soll aber im Lauf seiner Dienstzeit mehr Spesen abgerechnet haben als erlaubt. Mehrere Medien, darunter der «Blick», zitieren aus der Anklageschrift: Demnach soll Vincenz Ausgaben von an die 600’000 Franken geltend gemacht haben, die nicht in Zusammenhang mit seinen dienstlichen Aufgaben standen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Gleiche Spesenregelungen für alle Unternehmen

Besuche in Stripclubs, Privatreisen, Familienferien – Vincenz’ Abrechnungen sind bei der Raiffeisenbank offenbar jahrelang durchgewinkt worden. Wie kann das sein? Gelten in der Schweiz für grosse Unternehmen andere Spesenregeln als bei kleinen Firmen?

«Nein», heisst es auf Nachfrage von blue News bei der Gewerkschaft Unia. «Für sie gelten dieselben Regeln», so Mediensprecher Philipp Zimmermann. «Grössere Unternehmen haben in der Regel ein Spesenreglement, das Klarheit schafft und somit mögliche Streitigkeiten ein Stück weit verhindert.»



Häufig lassen Arbeitgeber in der Schweiz ihre Spesenreglemente von den zuständigen Steuerbehörden genehmigen. Dafür gibt es bei der Schweizerischen Steuerkonferenz, einem Verein, in dem alle kantonalen Steuerverwaltungen sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) Mitglied sind, sogar einen Vordruck (PDF).

blue News hat sich die Mustervorlage Spesenreglemente für Unternehmen und für Non-Profit-Organisationen genau angeschaut und die Spesen, die Herr und Frau Schweizer abrechnen dürfen, beispielhaften Ausgaben von Pierin Vincenz gegenübergestellt.

Reisekosten

Was machte Pierin Vincenz?

Im März 2012 soll Vincenz Pierin laut Anklageschrift im Pivatjet nach Mallorca geflogen sein. Die Rechnung in Höhe von 15'400 Franken wurde von seinem Spesenkonto beglichen.

Was gilt für dich?

Für Dienstreisen soll vorrangig der öffentliche Verkehr benutzt werden. Bei einem entsprechenden Spesenreglement können Bahnfahrkarten 1. Klasse verrechnet werden. Die Universität Zürich differenziert (PDF) etwa nach Fahrten innerhalb des Zürcher Verkehrsverbundes (2. Klasse) und ausserhalb (1. Klasse).

Wenn private Fahrzeuge für geschäftliche Zwecke genutzt werden, kann eine Entschädigung von 70 Rappen pro Kilometer geltend gemacht werden. Taxis und die Nutzung von Privatfahrzeugen werden nur dann vergütet, wenn die Nutzung des ÖV unmöglich oder unzumutbar ist.

Bei Flugreisen sind Angestellte angehalten, Economy Class zu buchen. Beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ist das zwingend vorgeschrieben.

Verpflegung

Was machte Pierin Vincenz?

Von besagter Mallorca-Reise stammt eine Rechnung aus dem Restaurant Sa Punta in Höhe von 570.05 Franken.

Was gilt für dich?

Um die 35 Franken pro Hauptmahlzeit und 10 Franken pro Frühstück gelten bei Geschäftsreisen als Richtwert. Dabei können Pauschalbeträge vereinbart oder die effektiven Kosten bis zur Höchstgrenze erstattet werden. Die Uni Zürich übernimmt bei vorliegendem dienstlichem Interesse auch die Verpflegungskosten von Drittpersonen. 

Laut Philipp Zimmermann von der Unia gibt es in einigen Gesamtarbeitsverträgen spezifischere Regelungen «insbesondere dazu, was für Essenauslagen auswärts übernommen wird oder auch zur Höhe der Auslagen, die ersetzt werden, wenn das eigene Auto verwendet werden muss».

Übernachtungskosten

Was machte Pierin Vincenz?

Vier Nächte im «The Mark Hotel» in New York City schlugen auf der Spesenabrechnung mit 5'723 Franken zu Buche. Aus dem Hotel Burj Al Arab in Dubai liegt eine Abrechnung in Höhe von 17'468.35 Franken vor.

Was gilt für dich?

Normalerweise werden für Übernachtungen auf Geschäftsreisen die Auslagen für ein Hotel der Mittelklasse vergütet. Als Richtwert gilt hierfür ein Betrag von 200 Franken. In Ausnahmefällen, etwa aufgrund örtlicher Gegebenheiten oder wenn es das Geschäftsinteresse erfordert, werden die effektiven Hotelkosten gemäss Originalbeleg auch für ein Hotel der höheren Preisklasse entschädigt.

Wer privat bei Freunden oder Verwandten übernachtet, kann, etwa bei der Uni Zürich, maximal 80 Franken pro Nacht für ein Gastgeschenk geltend machen.

Die Erfahrung zeige, so Philipp Zimmermann von der Unia, dass es «bei Fragen rund um den Auslagenersatz bei auswärtiger Arbeit» immer wieder zu Problemen zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden komme, «vor allem, wenn die Auslagen in keinem GAV geregelt sind und auch kein Spesenreglement vorliegt».

Repräsentationsausgaben

Nicht nur Pierin Vincenz hat vom Insiderwissen seiner Ex-Frau profitiert.
Nicht nur Pierin Vincenz hat vom Insiderwissen seiner Ex-Frau profitiert.
Keystone/Ennio Leanza

Was machte Pierin Vincenz?

Das ist nicht ganz klar: Zu Repräsentationsausgaben gehört etwa die Betreuung von Geschäftspartnern bei Abendessen oder Veranstaltungen. Laut Anklageschrift hat Vincenz an die 200'000 Franken in diversen Stripclubs und Cabarets auf Raiffeisen-Kosten ausgegeben.

Was gilt für dich?

Repräsentative Ausgaben sind oftmals der Teppichetage vorbehalten. Grundsätzlich sollte bei Einladungen Zurückhaltung geübt werden, anfallende Kosten müssen stets durch das Geschäftsinteresse gedeckt sein. Interessant auch: «Bei der Wahl der Lokalität ist auf die geschäftliche Bedeutung der Kunden bzw. Geschäftspartner sowie die ortsüblichen Gebräuche Rücksicht zu nehmen.»

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