Armutsfalle Ständerat beschliesst bessere Absicherung für Bäuerinnen 

Von Andreas Fischer

30.9.2021

Diese Zeiten sind vorbei: Bäuerinnen sollen endlich sozial abgesichert sein für ihre massgebliche Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben. (Symbolbild)
Diese Zeiten sind vorbei: Bäuerinnen sollen endlich sozial abgesichert sein für ihre massgebliche Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben. (Symbolbild)
KEYSTONE/URS FLUEELER

Bäuerinnen verrichten einen grossen Teil der Arbeit in Agrarbetrieben. Die meisten von ihnen sind schlecht oder gar nicht sozial abgesichert. Der Ständerat hat heute für einen besseren Schutz gestimmt.

Von Andreas Fischer

30.9.2021

Bauernfrauen arbeiten laut einer Statistik des Bundes 63 Stunden pro Woche. Doch nur 30 Prozent der Bäuerinnen in der Schweiz sind sozial abgesichert und werden für ihre Arbeit angemessen entschädigt. Von Gesetzes wegen gelten sie deswegen als nicht erwerbstätig. Dies kann vor allem im Alter und bei Scheidungen zu existenziellen Problemen für die Frauen führen.

«Wenn Bäuerinnen nicht aktiv werden, haben wir im Alter keine soziale Absicherung. Und also keinen Lohn. Das geht nicht», sagte Christine Bühler, ehemalige Präsidentin des Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes, zu «blue News».

Die Verbesserung des Sozialversicherungsschutzes von Bauernfamilien gehört zu den unumstrittenen Elementen der Agrarpolitik ab 2022 (AP 22+). Weil beide Räte die Vorlage zur neuen Agrarpolitik derzeit sistieren, hat sich das Parlament heute unabhängig davon mit der gesetzlichen Verankerung der sozialen Absicherung für Bäuerinnen in der Agrarpolitik beschäftigt.

Der Nationalrat hatte drei Motionen zur besseren Absicherung von Ehegattinnen und Ehegatten und eingetragenen Partnerinnen und Partnern von Landwirtinnen und Landwirten bereits angenommen. Der Ständerat folgte der grossen Kammer und stimmte mit 34 Ja-Stimmen bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung ebenfalls dafür, angemessene Entschädigung von Ehegattinnen und Ehegatten sowie eingetragenen Partnerinnen und Partnern gesetzlich zu verankern.

Ebenfalls angenommen wurde eine eine Motion zur Verbesserung des Sozialversicherungsschutzes von Ehepartnerinnen und Ehepartnern in landwirtschaftlichen Betrieben. Der Vorstoss für einen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung wurde hingegen bachab geschickt. Die zuständige Kommission des Ständerates sowie der Bundesrat hatten die Ablehnung empfohlen: Sie sei bereits von den anderen Motionen abgedeckt.

Vorstösse fordern unverzügliche Verbesserungen

«Dieser Punkt muss unverzüglich umgesetzt werden», hatte Ständerätin Johanna Gapany (FDP/FR) in ihrem Vorstoss gefordert, den sie zugunsten einer gleichlautenden Motion von Nationalrätin Simone de Montmollin (FDP/GE) in der Sitzung zurückzog. Auch de Montmollin hatte auf die Dringlichkeit bei der Verbesserung des Sozialversicherungsschutzes hingewiesen, der unverzüglich umgesetzt werden müsse.

Mit der Annahme der Vorstösse durch den zweiten Rat sollen nun konkret die Risiken bei Krankheit, Unfall oder Invalidität für die Bäuerinnen reduziert gesetzlich verankert werden. Dies mit der Einführung eines Mindestschutzes gegen Verdienstausfall und einer Verbesserung der Altersvorsorge. Der Bundesrat will in diesem Zuge die Direktzahlungen kürzen können, wenn kein angemessener Versicherungsschutz des Ehepartners besteht.

Landfrauen sehen «Schritt in die richtige Richtung»

«Es ist genau die richtige Zeit, dass über diese Fragen diskutiert wird», sagt Anne Challandes zu «blue News». Die Präsidenten des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) kämpfe seit Langem für eine Verbesserung der sozialen Situation der Frauen in der Landwirtschaft. Challandes begrüsst, dass die entsprechenden Vorstösse aus der sistierten AP22+-Vorlage herausgelöst worden sind.

Die Massnahmen, die in den Motionen gefordert werden, sind «ein erster Schritt in die richtige Richtung», so Challandes. Ein «minimaler Schritt» gleichwohl. «Sie betreffen den Erwerbsausfall und eine Risikovorsorge. Das ist zumindest eine öffentliche Anerkennung der Arbeit, die Bäuerinnen in der Landwirtschaft leisten.» Es brauche jedoch noch andere Verbesserungen. Wichtig sei nun, «dass die Frauen auch entlohnt werden, um zum Beispiel ihre Altersvorsorge zu verbessern.»

Die vom Bundesrat angedachte Kürzung von Direktzahlungen bei unzureichendem Versicherungsschutz der Partner*innen seien ein probates Mittel, glaubt Challandes. Die komplette Streichung der Direktzahlungen sei vom Tisch. «Die Reduktion ist natürlich eine Sanktion, aber sie fällt moderat aus»: Challandes sieht darin eine «Balance zwischen den Interessen der mitarbeitenden Partner*innen und den Kosten für die Betriebe» und weist auf eine nationale Sensibilisierungskampagne für die Bäuerinnen hin, die am 12. Oktober lanciert wird.