Ausweitung der Kampagne Ab Mai könnten Firmen ihre Angestellten selber impfen

Von Lukas Meyer

16.4.2021

Das deutsche Chemieunternehmen BASF hat an seinem Hauptsitz in Ludwigshafen ein Impfzentrum für Angestellte eingerichtet.
Das deutsche Chemieunternehmen BASF hat an seinem Hauptsitz in Ludwigshafen ein Impfzentrum für Angestellte eingerichtet.
KEYSTONE

Sollen grosse Unternehmen ihre Angestellten selber impfen? Sobald die Impfung für die breite Bevölkerung geöffnet wird, kann das BAG sich das vorstellen. Die Unternehmen geben sich zurückhaltend.

Von Lukas Meyer

Sich beim Arbeitgeber impfen lassen: In Deutschland ist das im Rahmen eines Pilotprojekts momentan möglich. VW und BASF haben eigene Impfzentren für ihre Mitarbeiter eröffnet, wie der «Spiegel» berichtet. Die Verteilung der Impfstoffe erfolgt über das zuständige Ministerium des Bundeslandes, die Impfreihenfolge muss eingehalten werden.

Nach den Plänen des deutschen Gesundheitsministers Jens Spahn sollen Betriebsärzte ab Juni zur dritten Säule der Impfkampagne werden, neben Impfzentren und Hausärzten. Im ganzen Land gebe es mehr als 10'000 Betriebsärzte, sagt der Präsident des Verbands der Betriebs- und Werksärzte dem Nachrichtenmagazin. Wenn Impfstoff vorhanden sei, könnte man diesen sehr schnell auch verimpfen.

Ist das auch in der Schweiz ein Thema? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gibt sich auf Anfrage von «blue News» offen: «Der Bund begrüsst grundsätzlich die Bereitschaft verschiedener Firmen, selber Impfaktionen durchzuführen.» Man helfe den Kantonen bei der Suche nach Lösungen. «Impfaktionen in Firmen können gemäss Impfstrategie im Anschluss an die Priorisierungsgruppe 4 – zeitgleich mit der breiten Bevölkerung – umgesetzt werden.» Das sei voraussichtlich im Mai der Fall, dann soll auch genug Impfstoff da sein, damit Priorisierungen nicht mehr notwendig sind.

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Für die Umsetzung der Impfstrategie sind die Kantone zuständig. Im Kanton Aargau etwa ist derzeit nicht vorgesehen, dass Unternehmen ihre Angestellten impfen, teilt das Departement für Gesundheit und Soziales auf Anfrage mit, aber: «Derzeit laufen entsprechende Abklärungen, unter welchen Umständen allenfalls Impfungen bei Arbeitgebenden möglich sind.»

Der Kanton Basel-Stadt sei gegenüber dieser Option bei grossen Unternehmen und entsprechenden Ressourcen und Wissen – etwa einem Personalarzt – offen eingestellt, heisst es beim Gesundheitsdepartement, aber auch: «Treffen die in Aussicht gestellten Impfdosen durch den Bund ein, ist es bei den Grössenverhältnissen im Kanton Basel-Stadt für die Bevölkerung grundsätzlich schneller und effizienter, sich im kantonalen Impfzentrum zu impfen.»

Auch die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich teilt mit: «Was Firmenimpfungen angeht, sind wir mit dem Bund und verschiedenen Firmen in gutem Kontakt und werden entsprechende Projekte umsetzen, wenn genügend Impfstoff für das Impfen der breiten Bevölkerung vorhanden ist.»

Migros erachtet Impfung als private Angelegenheit

Grosse Schweizer Unternehmen äussern sich auf Anfrage von «blue News» zurückhaltend. Die Migros-Gruppe etwa erachtet das Impfen als Privatsache, bei Coop ist eine eigene Impfaktion derzeit ebenfalls kein Thema. Das ist auch bei der Post so, die anfügt: «Sollte das BAG die Bestimmungen und seine bisherigen Empfehlungen ändern, wird sich die Post danach ausrichten. Für die Durchführung der Impfung braucht es medizinisches Fachpersonal und die dafür notwendige Infrastruktur. Das organisieren die Kantone.» Die ABB beobachtet den Fortschritt der Impfungen laufend, habe zurzeit in der Schweiz aber keine konkreten Pläne.

Bei der SBB laufen momentan Abklärungen zum Thema: «Die SBB ist in Gesprächen mit dem BAG und den Kantonen, um auch selbst ihren Mitarbeitenden Impfungen anbieten und so die Impfkampagne des Bundes unterstützen zu können.» Zurzeit sei dies jedoch noch nicht möglich.

Offen und hilfsbereit zeigen sich die Basler Pharmaunternehmen. So teilt Roche mit: «Sollten die Schweizer Gesundheitsbehörden um eine Unterstützung durch unser Unternehmen bei der Durchführung der Covid-Impfung bitten, wären wir in der Lage, dieser Bitte nachzukommen.» Ähnlich tönt es bei Novartis: «Sobald genügend Impfstoff zur Verfügung steht, wird Novartis prüfen, wie die Impfkampagnen der Behörden unterstützt werden können. Wir sind hierzu bereits in Kontakt mit den lokalen Behörden.»

Private Initiative schon im März

Bereits im März wollte Benjamin Wasinger, Chef des Bauunternehmens Wacker Neuson, ein privates Impfzentrum für seine Angestellten eröffnen. «Mit unserer Initiative wollen wir einen Beitrag zur schnellstmöglichen Lösung der Corona-Krise leisten und dafür sorgen, dass wir den Betrieb in Volllast fahren können», sagte er dem «Baublatt».

Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich hatte damals keine Freude an dieser Initiative. «Firmenimpfungen haben im Rahmen unserer Impfstrategie keine Priorität», sagte eine Sprecherin der «SonntagsZeitung». Die Infrastruktur des Kantons reiche aus, um der Bevölkerung in allen Kantonsteilen einen einfachen Zugang zur Impfung zu bieten.

Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel konnte der Idee etwas abgewinnen. «Wenn ich sehe, dass dieses Projekt zusammen mit einem Ärztenetzwerk erfolgt, finde ich das eine gute Sache, weil dann kann effizient, schnell und gut eine grosse Anzahl Menschen geimpft werden», sagte die Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission gegenüber SRF. Das müsse aber im Rahmen der Impfstrategie des Bundes und der Kantone geschehen.

Kritisch äusserte sich ihre SP-Kollegin Flavia Wasserfallen. Das sei höchstens langfristig eine Option. Problematisch sei, dass damit gewisse Personen bevorzugt werden und dass Mitarbeitende unter Druck geraten könnten, sich impfen zu lassen.

Arbeitnehmer gespalten

Gemäss einer Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte sind Schweizer Arbeitnehmer*innen in dieser Frage gespalten: So wünschten sich 51 Prozent der Befragten ein aktives Engagement für die Gesundheit der Mitarbeitenden und Unterstützung durch den Arbeitgeber bei der Coronavirus-Impfkampagne, einschliesslich der Organisation von Impfterminen.

49 Prozent erachten Impfen dagegen als Privatsache und erwarten, dass sich ihr Arbeitgeber aus solchen Angelegenheiten heraushält. Die Angestellten grösserer Firmen zeigten sich einer aktiven Einflussnahme ihres Arbeitgebers auf den Coronavirus-Impfprozess etwas aufgeschlossener als Personen, die bei KMU arbeiten.