JugendschutzSoll die Zigarettenwerbung im Kiosk erlaubt bleiben?
Von Lia Pescatore
11.1.2022
Keine Droge fordert so viele Tote wie Tabak. Gerade Jugendliche sind für eine Abhängigkeit anfällig. Eine Initiative will die Werbung einschränken. Ist das der richtige Weg, um Junge vom Rauchen abzuhalten?
Von Lia Pescatore
11.01.2022, 00:00
11.01.2022, 04:13
Von Lia Pescatore
26 Menschen sterben durchschnittlich pro Tag an den Folgen des Rauchens – 9'500 Personen pro Jahr. Im Vergleich: Wegen Alkohol sterben nur etwa 1'600 Menschen, Drogentote gibt es rund 130.
Der Tabakkonsum ist das grösste vermeidbare Gesundheitsrisiko und kostet die Schweizer Gesellschaft laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) jedes Jahr rund 3,9 Milliarden – grösstenteils verursacht durch Gesundheitskosten, aber auch durch Erwerbsausfälle infolge Krankheit oder kompletter Arbeitsunfähigkeit.
Jugendliche gelten dabei als besonders gefährdet, in eine Abhängigkeit zu geraten, da ihr Gehirn stärker auf Nikotin reagiert. Wer bereits im jugendlichen Alter mit dem Rauchen beginnt, greift im Erwachsenenalter eher regelmässig zur Zigarette.
Eine Initiative will darum mithilfe eines verschärften Werbeverbots Jugendliche vom Griff zum Tabak abhalten. Der indirekte Gegenvorschlag, den Bundesrat und Parlament mit einer geplanten Aktualisierung des Tabakproduktegesetzes vorlegten, geht ihnen zu wenig weit. Am 13. Februar stimmen wir darum über die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» ab.
Initiative will Kinder und Jugendliche vor Tabakwerbung schützen
Der Tabakkonsum ist die grösste vermeidbare Todesursache in der Schweiz: So argumentieren Befürworter der Tabakwerbeverbotsinitiative. Die Forschung zeige, dass Kinder und Jugendliche häufiger mit Rauchen beginnen, je mehr sie mit Tabakwerbung in Kontakt kommen.
10.01.2022
Warum ist die Verschärfung der Werbeverbote ein Thema?
Das geltende Schweizer Gesetz zu den Tabakprodukten ist im internationalen und auch europäischen Vergleich eher lasch. Zum Beispiel ist in der Schweiz die Tabakwerbung nur in Radio und Fernsehen verboten, während in vielen europäischen Staaten auch in Printmedien und im gesamten öffentlichen Raum nicht für Tabakwaren geworben werden darf. Zwar sieht das aktuelle Gesetz auch Bestimmungen vor, die speziell Jugendliche unter 18 Jahren schützen wollen, doch dieses ist nicht besonders restriktiv. Ein Sponsoring von internationalen Anlässen ist beispielsweise möglich.
Das Gesetz sieht zudem kein nationales Mindestalter vor. Die Mehrheit der Kantone geht aber in ihrem Verantwortungsbereich weiter als das Bundesgesetz: Die Mehrheit der Kantone erlaubt den Verkauf von Tabakwaren nur an Erwachsene und schränkt die Werbung im öffentlichen Raum ein.
Neuseeland will Zigarettenverkauf für künftige Generationen verbieten
Neuseeland plant offenbar eines der strengsten Zigaretten-Verbote weltweit. Jungen Menschen soll verboten werden, jemals in ihrem Leben Zigaretten zu kaufen. Das soll für Jugendliche gelten, die 2027 – wenn die Regelung in Kraft treten soll – 14 Jahre oder jünger sind.
10.01.2022
Was regelt das Gesetz neu?
Das Gesetz legt das nationale Mindestalter für den Kauf von Tabakprodukten einheitlich auf 18 Jahren fest. Auch die Werbung wird eingeschränkt: Das Werbeverbot würde im öffentlichen Raum gelten sowie für Medien, Publikationen und Anlässe, die sich explizit an Jugendliche richten. Damit wäre die Werbung in Printmedien, im Internet und an Kiosken nach wie vor erlaubt.
Neu ist zudem, dass das Gesetz auch E-Zigaretten,Tabakerhitzer und Snus miteinbezieht.
Was wollen denn die Initianten noch mehr?
Die Menschen hinter der Initiative – darunter grosse Gesundheitsorganisationen wie Krebs- und Lungenliga sowie Dachverbände der Haus- und Kinderärzte, Sport- und Jugendorganisationen sowie der Lehrerschaft – bezeichnen das aktualisierte Gesetz als Alibiübung. Jene Werbearten, die besonders viele Jugendliche erreichten, würden weiterhin erlaubt bleiben. Sie halten darum weiterhin an ihrer Initiative fest, die Werbung nur erlaubt, wenn sichergestellt werden kann, dass sie Jugendliche und Kinder nicht erreicht, zum Beispiel durch direkte Mailings.
Die Gegner der Initiative kritisieren daran jedoch, dass dies in der Praxis einem vollständigen Werbeverbot gleichkomme.
Nein-Komitee bezeichnet Initiative zu Tabakwerbeverbot als extrem
Das überparteiliche «Komitee gegen Werbeverbote» lehnt die Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» als zu extrem ab. Über die Initiative wird am 13. Februar abgestimmt.
07.01.2022
Wie gross ist der Einfluss der Werbung auf das Rauchverhalten von Jugendlichen?
Hier sind sich Tabakbranche und Initiativ-Befürworter nicht einig. Beide berufen sich auf Studien, die das eine und das andere beweisen sollen. Aktuelle Studien aus der Schweiz zum Thema gibt es jedoch nicht.
Zudem ist zu erwähnen, dass in den letzten 20 Jahren die Investitionen der Konzerne in die Tabakwerbung stark abgenommen haben, seit dem Jahr 2000 fiel der Wert von 69,8 Millionen Franken auf einen Zwölftel im Jahr 2018. Zurückzuführen ist dies auch auf die vielen kantonalen Werbeverbote, die ab 2005 eingeführt wurden.
In den letzten zwei Jahren kam es aber zu einer kleinen Trendwende: E-Zigaretten und auch Snus brachten der Branche und damit auch der Werbung neuen Auftrieb. 2020 wurden laut «Tages-Anzeiger» bereits wieder 9,7 Millionen Franken für Werbung für Tabakprodukte ausgegeben.
Wie viele Jugendliche greifen zur Zigarette?
Laut Zahlen des BAG haben im Jahr 2018 rund 5,9 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen elf und 15 Jahren geraucht. Der Tabakkonsum in dieser Altersgruppe ist seit Erhebung der Zahlen stetig zurückgegangen: 1994 haben noch 18,1 Prozent angegeben, zu rauchen.
Was passiert mit dem Gesetz, wenn die Initiative angenommen wird?
Auf die Einführung des neuen Tabakproduktegesetzes hat das vorerst keinen Einfluss. Solange das Referendum dagegen nicht ergriffen wird, tritt dieses in Kraft. Kommt die Initiative durch, müsste das Gesetz jedoch rasch wieder überarbeitet werden. Wie erste Umfragen von SRG und Tamedia zeigen, hat die Initiative bisher reelle Chancen, an der Urne eine Mehrheit in der Bevölkerung zu finden.