Fragen und Antworten Die Heiratsstrafe wird wegfallen, aber wie soll das gehen?

Von Monique Misteli

3.12.2022

Die Heiratsstrafe soll abgeschafft werden – die Frage ist nur, wie?
Die Heiratsstrafe soll abgeschafft werden – die Frage ist nur, wie?
Keystone

Der Bundesrat hat am Freitag die Vernehmlassungsvorlage zur Individualbesteuerung präsentiert – diese gilt als direkter Gegenvorschlag zur Steuergerechtigkeits-Initiative der FDP. Das sind die Unterschiede.

Von Monique Misteli

Parteien wie Bundesrat sind sich einig: Verheiratete Paare haben das Nachsehen, wenn's ums Steuerzahlen geht. Die sogenannte Heiratsstrafe soll endlich abgeschafft werden. Die Frage ist nur: wie?

Nun hat am Freitag der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag zur «Steuergerechtigkeits-Initiative», lanciert von den FDP-Frauen, präsentiert und bis nächsten Frühling in die parlamentarische Vernehmlassung geschickt.

Die Diskussion rund um die Abschaffung der «Heiratsstrafe» beschäftigt die Schweizer Politik seit Jahrzehnten. Mit dem bundesrätlichen Gegenvorschlag geht die Debatte in eine weitere Runde. Höchste Zeit, sich eine kurze Übersicht zu verschaffen:

Darum geht's

Das Einkommen verheirateter Paare wird in der Schweiz zusammengezählt und gemeinsam besteuert. Das ist ein Nachteil gegenüber unverheirateten Paaren und alleinstehenden Personen, deren Einkommen getrennt beziehungsweise einzeln besteuert wird.

Denn in der Schweiz sind die Steuersätze progressiv ausgestaltet. Das heisst: Je höher das Einkommen, desto höher ist der Steuersatz. Durch das Zusammenrechnen beider Einkommen von Verheirateten ist deshalb der Steuersatz meist höher, als wenn sie einzeln besteuert würden.

Die sogenannte Heiratsstrafe trifft Paare, wenn beide Partner 75'000 bis 125'000 Franken Jahreseinkommen erzielen. Laut den aktuellen Zahlen des Bundes betrifft dies rund 454'000 Ehepaare mit zwei Einkommen sowie 250'000 Rentner-Ehepaare. Durch das zusammengezählte Einkommen bezahlen sie circa zehn Prozent mehr Steuern als individuell besteuerte Personen.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung schätzt, dass circa 185'000 Paare mit Kindern von einer Individualbesteuerung profitieren würden, weil sie dann den Elterntarif geltend machen könnten.

Das will die Steuergerechtigkeits-Initiative

Das Initiativkomitee ist breit aufgestellt: Wirtschaftsvertreter*innen, Arbeitgeberverband, Vertreter*innen der FDP, GLP, Grünen und SP fordern die Individualbesteuerung. 

Dabei wir das Einkommen einer Person besteuert und nicht mit dem Einkommen des Partners oder der Partnerin zusammengerechnet. Dadurch solle die finanzielle Leistungsfähigkeit jeder einzelnen steuerpflichtigen Person berücksichtigt werden, schreibt das Initiativkomitee.

Die Initiative zielt darauf ab, sämtliche an den Zivilstand geknüpfte steuerliche Vor- oder Nachteile aufzuheben und einen grundlegenden Wandel im Schweizer Steuersystem herbeizuführen.

Zudem geht es den Befürwortern um eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und das Aufbrechen traditioneller Rollenbilder.

Das will der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates

Der Bundesrat lehnt die Initiative ab mit der Begründung, dass die Gesetzgebungsarbeiten zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung bereits so weit fortgeschritten seien, dass sie die Steuergerechtigkeits-Initiative hinfällig machen würden. 

Darin sieht der Bundesrat ebenfalls vor, dass jede erwachsene Person einzeln besteuert wird und stellt weitere Entlastungsmassnahmen bei der direkten Bundessteuer in Aussicht .

Unter anderem stellt er Ehepaaren mit nur einem Haupteinkommen oder einem geringen Zweiteinkommen zwei Varianten zur Diskussion: eine mit einer Entlastungsmassnahme, die durch die Reform steuerlich stärker belastet werden könnte, sowie eine ohne eine solche Massnahme. Der Abzug kann bis zu 14'500 Franken betragen und nimmt mit steigendem Zweiteinkommen ab.

Wo ist der Unterschied?

Bei der Steuergerechtigkeits-Initiative wie auch beim Gegenvorschlag des Bundesrates würde jede Person individuell besteuert werden. 

Der Bundesrat sieht zwar vor, dass die Individualbesteuerung auch auf Kantons- und Gemeindeebene umgesetzt werden würde. Dieser Entscheid liegt letzten Endes jedoch bei den Kantonen und Gemeinden.

Hingegen bei der Initiative soll die Individualbesteuerung automatisch auch auf Kantons- und Gemeindeebene gelten.

Und noch eine Variante: Das Splitting

Genau darin sieht die Mitte-Partei einen zu grossen Eingriff in das bestehende Steuersystem und befürchtet einen zu grossen bürokratischen Aufwand, ausgelöst durch die Individualbesteuerung.

Deshalb will die Partei eine weitere Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe lancieren: Die sogenannte Fairness-Initiative, die auf dem sogenannten Splitting basiert. 

Dabei würden nach wie vor die Ehepaare gemeinsam besteuert, jedoch mit einer neuen Berechnug, sodass keine Nachteile gegenüber unverheirateten Paaren entstünde. Dabei würde für das verheiratete Paar nur der tiefere Steuerbetrag für den Steuersatz berücksichtigt. Laut dem Initiativkomitee sei diese Variante am einfachsten und fairsten umzusetzen. 

Mit Material von Keystone-SDA.