Künstliche Intelligenz So will eine Schweizer Firma das Monitoring von Wölfen modernisieren

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30.10.2022

Die Beobachtung von Wolfsrudel stellt Wildhüter in der Schweiz vor Herausforderungen. (Symbolbild)
Die Beobachtung von Wolfsrudel stellt Wildhüter in der Schweiz vor Herausforderungen. (Symbolbild)
Bild: Lino Mirgeler/dpa

Die Wolfspopulation in der Schweiz steigt an, Angriffe auf Nutztiere häufen sich – und das Monitoring der Wildtiere ist eine Herausforderung. Die Innovation eines Schweizer Unternehmens soll nun Abhilfe schaffen. Wildhüter sind bereits begeistert, diverse Kantone haben Interesse gezeigt.

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Schweizer Wölfe standen in diesem Sommer einmal mehr unfreiwillig im Mittelpunkt. Im Juli etwa beherrschte das Beverin-Wolfsrudel die Schlagzeilen, als es am Schmaserberg mehrer Mutterkühe angriff. Kurz darauf kam in Graubünden ein Wolf einem Menschen gefährlich nahe. Adrian Arquint, Vorsteher des kantonalen Amts für Jagd und Fischerei, sah daraufhin im Gespräch mit «blue News» «eine Schmerzgrenze erreicht».

Aus Sicht der Bundesbehörde wäre «es wünschenswert, dass wir die Bestände präventiv regulieren könnten, ohne sie zu gefährden», sagte Arquint damals. Tatsächlich beschäftigte sich eine Forschungsgruppe von vier Studierenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) mit einer Entwicklung, die bald schon veraltete Technik in der Wildtierüberwachung ersetzen könnte.

Wie «SRF» berichtet, setzt das Smart Mic des Unternehmens Synature auf eine künstliche Intelligenz. Damit sei ein umfängliches Monitoring der Wolfsbestände möglich. Das komplexe Gerät ist neben einem Mikrofon und einem Minicomputer auch mit GPS- und Mobilfunkempfang ausgestattet. Die umfangreiche technische Ausstattung ermöglicht es, das Heulen von Wölfen bis auf 500 Meter genau einzugrenzen.

Mikrofon kann Heuler von Jungtieren filtern

Das Smart Mic läuft die ganze Nacht über und erfasst sämtliche Geräusche der Umgebung. Die aufgezeichneten Daten werden dann via Mobilfunk an Server übermittelt. Anschliessend beginnt die künstliche Intelligenz ihre Arbeit. Sie selektiert Wolfsheuler und entfernt alle anderen Audiodaten. Dank der neuen Technik können die Rufe der Wölfe aus bis zu drei Kilometern Entfernung erfasst werden.

Ausserdem macht die KI aus Audiodaten Bilder und klassifiziert diese. «In einem ersten Schritt wird sie auf einem grossen Datenset eingesetzt und lernt dort, wie man Wolfsheuler von Nicht-Wolfsheulern unterscheidet. Danach wird sie auf die gesammelten Daten angewendet», erläutert Noah Schmid, technischer Leiter von Synature. So seien auch Erkenntnisse zur Reproduktionsrate der Rudel möglich, denn Jungtiere heulen in höheren Frequenzen.

Das Start-up Synature will das Monitoring von Wölfen vereinfachen.
Das Start-up Synature will das Monitoring von Wölfen vereinfachen.
Bild: Keystone/Gruppe Wolf Schweiz GWS

Wildhüter sehen grosses Potenzial

Ein Testlauf im Glarner Gebirge, bei dem das Start-up 30 Geräte angebracht hat, verlief bereits positiv. In den Schweizer Kantonen beobachtet man die jüngsten Entwicklungen des Start-ups mit grossem Interesse, etwa in Baselland, Graubünden, Schwyz, Wallis und Waadt.

Am Ende ist Synature mit seiner Entwicklung aber längst noch nicht angelangt. Erklärtes Ziel des Start-ups ist es, das Monitoring einfacher und schneller zu gestalten und den Algorithmus zu verbessern. Mittelfristig soll dann ein Monitoring in Echtzeit möglich sein.

Neben den Kantonen verfolgen auch Wildhüter die jüngsten Bestrebungen des Start-ups. Marco Banzer, Wildhüter im Kanton Glarus, sieht in dem Smart Mic grosses Potenzial – auch, weil es effektiver grosse Flächen überwache, gerade im Vergleich mit Fotofallen: «Alle anderen Methoden sind aufwändig: Zum Beispiel das Besendern eines Wolfs oder das Eingrenzen mit fast 100 Fotofallen – das ist schwierig.»

Das Smart Mic bereits an Elefanten getestet

Obendrein ist das Preis-Leistungs-Verhältnis der Innovation sehr gut, wie Synature-Geschäftsführer Oliver Stähli betont: «Im Vergleich zu den anderen Monitoring-Methoden ist das Smart Mic sicher die preisgünstigste Variante.» Aktuell koste die Herstellung des Prototyps 450 Franken. Optimierungen am Gerät und eine Umstellung auf industrielle Produktion dürften die Stückkosten noch drücken.

Eines ist derweil klar: Nötig hat das Wildtiermonitoring in der Schweiz die Innovation definitiv. Laut Erhebungen des Bundesrats lebten Ende August 180 Wölfe und 17 Rudel in der Schweiz. Gehäufte Angriffe auf Nutztiere und die Prognose, dass bis Ende 2025 50 Rudel und 350 hierzulande leben könnten, bestätigen diese These.

Und trotzdem gibt sich Synature nicht alleine mit der Wildtierüberwachung in der Schweiz zufrieden, sondern denkt über die Landesgrenzen hinaus. Im Frühling testete das Forschungsteam das Smart Mic bei Elefanten in Südafrika. Eine Reise nach Indien ist noch im November geplant, wo das Smart Mic zeigen soll, ob es auch bei Tigerleoparden und Windhunden zufriedenstellende Ergebnisse liefert.