Gas-Versorgung der Schweiz «Höhere Gas- und Strompreise sind leider nicht auszuschliessen»

gbi, tgab

29.6.2022

Parmelin ruft Industrie zum Gassparen auf

Parmelin ruft Industrie zum Gassparen auf

Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat die Industrie zum Gassparen aufgerufen. Wer über eine Zweistoffanlage verfüge, solle schauen, dass diese einsatzbereit ist, so Parmelin. Auch Liegenschaftsverwalter sieht er in der Pflicht.

29.06.2022

Der Bundesrat hat sich heute mit der Energieversorgung befasst, konkret: mit den Gas-Reserven für den Winter. Simonetta Sommaruga und Guy Parmelin haben zum Thema informiert.

gbi, tgab

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Folgen für die Energieversorgung von ganz Europa – auch für die Schweiz. Denn: Die Schweiz verfügt über keine eigenen Gasspeicher und ist daher vollständig auf Importe angewiesen. Bis zu drei Viertel bezieht sie via Deutschland. Doch auch Deutschland erhält derzeit weniger Gas als gewohnt, weil Russland die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 massiv gedrosselt hat.

Die Schweiz muss also handeln, um ihre Versorgung zu sichern. Mit Blick auf den anstehenden Winter hat der Bundesrat daher die Gasbranche bereits im Mai zur Schaffung einer Taskforce angewiesen und zwei Massnahmen veranlasst: Einerseits soll die Schweiz eine physische Gasreserve in Gasspeichern der Nachbarländer einrichten. Andererseits soll die Branche Optionen für zusätzliche, nicht-russische Gaslieferungen schaffen, die bei Bedarf kurzfristig abgerufen werden können.

Die Taskforce hat mittlerweile einen Bericht vorgelegt, mit dem sich der Bundesrat heute an seiner Sitzung befasst hat. Energieministerin Simonetta Sommaruga und Wirtschaftsminister Guy Parmelin stellen die Ergebnisse vor den Medien vor.

Das Konzept sieht vor, dass die Regionalgesellschaften den Einsatz ihres Speichergases im Rahmen des normalen Portfolios und mit Vorsicht optimieren, unabhängig von der Krisenstufe. Drittlieferanten erhalten zu Marktkonditionen Zugang zum Speichergas. Die Optionen können ausschliesslich bei einer Verschärfung der Situation abgerufen werden: Dieser Zeitpunkt wird von einer Krisenorganisation der Branche ausgelöst.

Gleichzeitig bestätigt der Bundesrat, dass weitere Bemühungen laufen, um die drohende Energielücke zu vermeiden. So hätten im Juni erste Gespräche mit dem deutschen Vizekanzler Robert Habeck stattgefunden. Ziel: der Abschluss eines Solidaritätsabkommens. 

Die Referent*innen

  • Bundesrätin Simonetta Sommaruga, Vorsteherin Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK)
  • Bundesrat Guy Parmelin, Vorsteher Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)
  • Werner Luginbühl, Präsident der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom)
  • Martin Schmid, Präsident Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG)
  • Michael Wider, Präsident Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE)
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  • 16.53 Uhr

    Das war die letzte Frage

    Und damit ist die Medienkonferenz beendet. Wir danken für das Interesse.

  • 16.53 Uhr

    Wann kommt eine Sensibilierungskampagne?

    Benoît Revaz vom Bundesamt für Energie antwortet, das werde nach dem Sommer der Fall sein.

  • 16.51 Uhr

    Wieviel wird die Auffüllung der Gasspeicher kosten?

    Wir rechnen mit bis zu 800 Millionen Franken, sagt Schmid. Bisher hatte die Gasbranche in der Schweiz keine Staatshilfe beantragen müssen. Wir hoffen das aus eigener Kraft stemmen zu können. Die Gasversorger sind in der Schweiz in öffentlicher Hand. Wir müssen hier alle zusammenarbeiten – Städte, Gemeinden und Bund.

  • 16.48 Uhr

    Werden Gasheizungen jetzt verboten?

    Das habe sie nicht gesagt, sagt Sommaruga. Aber: 300'000 Haushalte würden mit Gas beheizt. Diese Krise biete nun auch die Chance, die Betroffenen dabei zu unterstützen, auf ein anderes – umweltfreundlicheres – Heizsystem umzustellen. Über allem stehe das Ziel, die Abhängigkeit von Gas und Öl zu reduzieren. Dass dies auch gut fürs Klima sei, sei umso besser.

  • 16.45 Uhr

    Müssen wir die Raumtemperatur auf 18 Grad senken?

    Jeder kleine Schritt könne helfen, sagt Parmelin. Es müssten auch solche Massnahmen geprüft werden. Entsprechende Forderungen hatte vor Kurzem die SP-Parteispitze geäussert

  • 16.39 Uhr

    Worauf muss sich die Bevölkerung im schlimmsten Fall einstellen?

    Der Worst Case wäre ein regelrechter Bruch in der Versorgung, sagt Parmelin. Wir hätten es mit verschiedenen Krisen zu tun, die wie ein Domino-Effekt ineinandergreifen könnten.

  • 16.31 Uhr

    Steigen jetzt die Preise?

    Das hänge von der Beschaffungs- und Preispolitik der einzelnen Versorger ab, sagt Schmid. So habe es teils sogar Senkungen gegeben in jüngster Zeit. Aber: «Höhere Gas- und Strompreise in Europa sind leider nicht auszuschliessen», sagt der Bündner. 

  • 16.24 Uhr

    Wie weit reicht die Zusammenarbeit?

    Die Zusammenarbeit werde betont – wie weit ist diese bisher bis ganz nach unten, zu den Bürger*innen vorgedrungen? Für die Versorgung sei die Privatwirtschaft zuständig. Erst in einem Notfall könne der Bundesrat Anordnungen erlassen, sagt Sommaruga. Seit dem letzten Dezember sei eine Krisenorganisation mit allen Akteuren tätig, und diese Krisenstruktur funktioniere. Die Bevölkerung sei noch nicht in die Pflicht gerufen worden. Dafür müsste das Wirtschaftsdepartement erst tätig werden und dem Bundesrat zum Beispiel eine Informationskampagne beantragen. 

  • 16.17 Uhr

    Was bedeutet eine Gasmangellage konkret?

    Bei einer Gasmangellage kommt physikalisch kein Gas mehr. Wir monitoren die Gasflüsse und den Verbrauch, sagt MartinSchmid. Der Verbrauch ist im Sommer und Winter ja unterschiedlich. Wir machen Prognosen. Bei einer Mangellage stellen wir im Departement von Herrn Parmelin einen Antrag.

  • 16.11 Uhr

    Was nützt ein Staatsvertrag im Ernstfall?

    Jetzt können die Journalist*innen Fragen stellen. Die erste dreht sich um die Verträge mit den Nachbarstaaten – und ob die im Ernstfall auch eingehalten werden.

    Auch Deutschland habe ein Interesse an einem Solidaritätsabkommen mit der Schweiz, sagt Sommaruga. Die Schweiz sei schliesslich ein wichtiges Gas-Transferland. Das Abkommen sei nur für den äussersten Notfall gedacht, betont sie. Man aktiviere dieses nicht wegen kleiner Probleme. Aber eine Garantie sei ein solcher Vertrag in einer Krise nicht, das habe sich in der Corona-Pandemie gezeigt, als Deutschland Schutzmasken zurückgehalten habe.

  • Vertreter der Energiebranche und die Bundesratsmitglieder Guy Parmelin und Simonetta Sommaruga informieren in Bern.
    Vertreter der Energiebranche und die Bundesratsmitglieder Guy Parmelin und Simonetta Sommaruga informieren in Bern.
    Keystone
  • 16.06 Uhr

    Wichtige Weichenstellungen

    Er sei dankbar, seien die Vorbereitungen von langer Hand geplant, so Wider. So könnten Szenarien verhindert werden, die noch grösseren volkswirtschaftlichen Schaden bedeuten würden. Die Schweiz stehe jetzt aber vor wichtigen Grundsatzentscheiden, schliesst er. 

  • 16.04 Uhr

    Was, wenn eine Lücke auftritt?

    Es stehen verschiedene Krisen vor der Tür, sagt auch Michael Wider vom Verband der Elektrizitätsunternehmen. Es brauche darum Bewirtschaftungsmassnahmen, um sich gegen eine Strommangellage zu wappnen. Drohe eine Mangellage, unterscheide man Bereitschaftsgrade. Aktuell gelte der Grad 1, der Normalzustand. Bei einer Verschärfung der Situation würden verschiedene Instrumente in Kraft gesetzt – sowohl was die Stromversorgung als auch den Stromverbrauch betreffe. 

  • 16 Uhr

    Düstere Aussichten

    «Für den nächsten Winter gibt es erhebliche Risiken», stellt Schmid fest, «und es gibt keine Garantie, dass uns die Nachbarländer dann nicht hängen lassen.»

  • 15.58 Uhr

    Reserven und Verträge

    Es brauche eine Speicherreserve von 15 Prozent des Jahresverbrauchs, sagt Schmid. Die Schweiz kaufe diese Kapazitäten im Ausland ein. Auch er appelliere an die Industrie: «Bitte füllen Sie, wenn Sie Gastanks haben, diese jetzt auf.» Um diese Reserve werde man im Winter eventuell dankbar sein. Ausserdem müsse die Schweiz jetzt Verträge abschliessen für den Notfall.

  • 15.56 Uhr

    Der Winter wird zur Bewährungsprobe

    Martin Schmid, Bündner Ständerat und Präsident der Gasindustrie, beteuert, dass die Branche nicht erst seit gestern an der Notfallplanung arbeite. Der Sommer sei nicht das Problem, aber «den nächsten Winter müssen wir vorbereiten». Gas- und Stromverbrauch hängen in Europa zusammen. Rund 300'000 Haushalte würden mit Gas beheizt – was also tun? Man müsse vom Gasbezug aus Russland unabhängig werden, so Schmid. Weil die Schweiz Gas aus den Nachbarländern beziehe, betreffe deren Gasbeschaffung auch die Schweiz.   

  • 15.52 Uhr

    Im Winter droht Strommangel

    Die Stauseen dürften bis zum Winter unterdurchschnittliche Pegelstände aufweisen, die Situation habe sich daher verschlechtert, so Luginbühl. Es könne sein, dass die Schweiz ohne Engpässe durch den Winter komme – es gebe aber viele Unsicherheitsfaktoren. «Das heisst konkret, dass im nächsten Winter eine Strommangellage auftreten können.» Dies sei aber nicht zu verwechseln mit einem Blackout. Und auf diesen Fall müsse man sich vorbereiten.

  • 15.49 Uhr

    Auch die anderen Länder sorgen vor

    Als Nächstes hat Werner Luginbühl, Präsident der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom), das Wort. Er hält fest: Der Gasfluss durch die Pipeline Nord Stream 1 sei massiv reduziert, und noch sei ungewiss, ob sich das wieder ändere. Ob die europäischen Länder ihre Speicher bis November wie geplant auffüllen könnten, sei offen. Deutschland habe bereits die zweite von drei Eskalationsstufen ausgerufen. Auch die Nachbarländer seien daran, Notfallpläne zu erarbeiten. 

  • 15.46 Uhr

    Szenarien aufzeigen

    Die Schweiz fördere kein eigenes Erdgas, ruft Parmelin in Erinnerung. Daher sei es umso wichtiger, den Verbrauch zu reduzieren. Für den Bundesrat sei es wichtig, bereits jetzt mögliche Szenarien aufzuzeigen und Vorbereitungen zu veranlassen. Unternehmen sollten sich jetzt schon die Frage stellen, wie man sich gegen eine Mangellage rüsten könne. 

    Bundesrätin Simonetta Sommarugan (r) und Bundesrat Guy Parmelin an der Medienkonferenz  (KEYSTONE/Peter Schneider)
    Bundesrätin Simonetta Sommarugan (r) und Bundesrat Guy Parmelin an der Medienkonferenz  (KEYSTONE/Peter Schneider)
    KEYSTONE
  • 15.43 Uhr

    Parmelin appelliert an die Industrie

    Jetzt spricht Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Er betont, dass die Schweiz abhängig vom Ausland sei – und dass sowohl beim Gas als auch beim Strom enge Verflechtungen zwischen den europäischen Ländern bestehen. Sollte sich beim Gas eine Lücke abzeichnen, würden die Unternehmen dazu aufgerufen, ihren Verbrauch zu drosseln. Sie sollten bereits jetzt Massnahmen ergreifen, um sich auf den Winter vorzubereiten.  

  • 15.39 Uhr

    «Engpässe lassen sich nicht ausschliessen»

    Der Bundesrat wolle die Abhängigkeit von ausländischem Öl und Gas reduzieren, so Sommaruga. Zudem sollte die heimische Produktion gefördert werden. Auch müsse im Alltag Energie gespart werden. «In einer ausserordentlichen Situation wie dem Krieg in der Ukraine lassen sich Engpässe aber nicht ausschliessen.» Sommaruga erinnert daran, dass sich alle Akteure der Branche auf 15 neue Stausee-Projekte geeignet hätten. «Diesen Geist» brauche es jetzt von allen. «Jetzt geht es ums Ganze.»

  • 15.36 Uhr

    Ob es reicht, weiss niemand

    «Wir haben Krieg in Europa», sagt die Energieministerin. Man wisse nicht, ob die jetzt getroffenen Massnahmen auch für die nächsten Monate reichen werden. Aber die Schweiz könne sich nicht allein wappnen, und sie müsse vorausschauend agieren.

  • 15.34 Uhr

    Medienkonferenz ist eröffnet

    Der Krieg in der Ukraine habe eine weltweite Versorgungskrise ausgelöst, sagt Simonetta Sommaruga. Noch sei die Versorgung zwar gesichert, doch müsse man dennoch Vorbereitungen treffen für eine drohende Mangellage.