Fragen und Antworten So bekommt die Schweiz ihren Energie-Mangel in den Griff

Von Alex Rudolf, Bern, und Fabienne Berner (Video)

13.3.2023

«Die Solarenergie ist wichtiger Baustein» –  «Ziele sind nicht erreichbar»

«Die Solarenergie ist wichtiger Baustein» – «Ziele sind nicht erreichbar»

Ab Montag debattiert der Nationalrat über den Energie-Mantelerlass, der richtungsweisend sein soll. Gabriala Suter (SP/AG) und Christian Imark (SVP/SO) sagen, was ihnen wichtig ist am Erlass.

09.03.2023

Hast du bei der Energie-Debatte den Durchblick verloren? Diese Woche kommt der Mantelerlass Strom in den Nationalrat. blue News klärt die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Alex Rudolf, Bern, und Fabienne Berner (Video)

Was geschah bisher?

Im Winter braucht die Schweiz mehr Energie, als sie produzieren kann. Weil die Atomkraftwerke mittelfristig abgestellt werden sollen, der Schweizer Energiebedarf voraussichtlich steigt und der Energieimport aus dem Ausland auf wackligen Füssen steht, wird die Politik aktiv.

2017 sagten die Schweizer*innen Ja zur Energiestrategie 2050 und beschlossen so den Atomausstieg, die Stärkung der erneuerbaren Energien und die Senkung des CO2-Ausstosses.

Das Nein Mitte 2021 zum CO₂-Gesetz bescherte der Schweizer Energiepolitik einen empfindlichen Dämpfer. Im Herbst 2022 brachten die Ständeräte Beat Rieder (Die Mitte/Wallis) und Ruedi Noser (FDP/ZH) eine Solaroffensive durch den Rat, die nach der Session in Kraft trat.

Neben einer Solarpflicht für grosse Dächer ist hier unter anderem auch die Erhöhung der Grimsel-Staumauer enthalten. Der Energie-Mantelerlass soll die nachhaltige Stromproduktion ganzheitlich in einen gesetzlichen Rahmen giessen.

Bereits im vergangenen Herbst befasste sich der Ständerat mit dem Mantelerlass, der nun in die zweite Kammer, den Nationalrat, kommt.

Mit 17 zu 7 Stimmen wurde der Mantelerlass von der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) dem Nationalrat zur Annahme empfohlen. Doch kann er sich noch stark verändern. Die verschiedenen Anträge von Minderheiten umfassen ein Papier von rund 140 Seiten.

Worum geht es im Mantelerlass?

Wie schon der Ständerat spricht sich nun auch die zuständige Kommission des Nationalrats dafür aus, dass bis 2040 erneuerbare Stromquellen massiv ausgebaut werden.

Den Mammutteil davon sollen 15 Stauseen auffangen, aber auch Solar- und Windenergieanlagen sollen errichtet werden. Die Realisierung dieser Projekte soll anderen Interessen von nationaler Bedeutung vorangestellt werden – beispielsweise dem Naturschutz. Eine Interessenabwägung bleibe aber möglich, wie die Kommission einst mitteilte. Im Gegenzug sollen Projekte zum Landschaftsschutz realisiert werden.

Grössere bestehende Gebäude sollen mittelfristig mit Solarpanels aufgerüstet werden – Wohngebäude wären davon ausgenommen. Weiter sollen mittels einer Motion neue Technologien gefördert werden, etwa Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen und die Geothermie.

Grundsätzlich lasse sich sagen, dass die Ziele viel höher seien als jene, die der Bundesrat vorgegeben habe, sagt Nationalrätin Gabriela Suter (SP/AG). Sie ist Urek-Mitglied. Ihr Kommissionskollege und SVP-Nationalrat aus Solothurn, Christian Imark, verweist darauf, dass man nun gemerkt habe, dass der Ausbau notwendig sei. «Mit den erneuerbaren Energien sind die Ziele nicht erreichbar, nichtsdestotrotz tragen wir das mit.»

Was ist (noch) nicht im Mantelerlass?

Eine Minderheit der Kommission möchte in Zukunft vermehrt auf nukleare Energie setzen. Laufende Kernkraftwerke sollen aufgerüstet und weiterbetrieben werden. Sind gewisse Bedingungen erfüllt, soll es sogar möglich sein, ein neues zu erstellen, wie Imark zum «Tages-Anzeiger» sagt. Dazu müsste aber erst das Neubau-Verbot von AKW fallen, was auch die Volksinitiative «Blackout stoppen» bezweckt.

Eine andere Minderheit verlangt, dass die AKW ab 2027 schrittweise abgeschaltet werden. Beide Anliegen fanden bereits im Ständerat keine Mehrheit. 

Zwar sollen mittels einer Motion neue Technologien gefördert werden, wie etwa Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen und die Geothermie. Doch weil die Entwicklung hierbei eine Weile dauern kann, wurde sie nicht in den Erlass aufgenommen.

Ob diese Anliegen im Nationalrat eine Mehrheit finden, zeigt sich im Rahmen der auf mehrere Tage angelegten Debatte.

Warum ist das alles so komplex?

Weil das Thema vielschichtig ist und hierzu eine Vielzahl von Vorstössen existiert. Sogar gestandene Energie-Politiker haben den Überblick verloren, wie die Zeitungen von CH-Media berichten. So habe die nationalrätliche Urek von der Verwaltung eine Zusammenstellung sämtlicher geplanter Gesetze verlangt, um sich wieder zurechtzufinden und Überlappungen sowie Lücken ausfindig zu machen.

Wie geht es danach weiter?

Das hängt davon ab, wie der Erlass aussieht. Viele fürchten sich davor, dass die Vorlage überladen sein könnte. Ähnlich wie es die damalige Energieministerin Simonetta Sommaruga dem 2021 an der Urne gescheiterten CO2-Gesetz attestierte.

«Wir werden den Mantelerlass bekämpfen, wenn Solarpanels auf Einfamilienhäusern zur Pflicht werden», sagt Imark zu blue News. Gut möglich, dass am Schluss das Volk darüber befindet.

Was ist ein Mantelerlass eigentlich?

Weisen Änderungen an Gesetzen oder Verordnungen einen sachlichen Zusammenhang auf, können die Gesetze oder Verordnungen in einem Mantelgesetz oder Mantelverordnung zusammengefasst werden.