«Angespannt» bis «entspannt»So ist die Corona-Lage in den Schweizer Spitälern
Von Julian Weinberger und Christopher Schmitt
12.7.2022
In Deutschland schlagen die Spitäler angesichts von immer mehr krankem Pflegepersonal Alarm. Wie ist die Lage hierzulande? blue News hat bei mehreren Kliniken nachgefragt.
Von Julian Weinberger und Christopher Schmitt
12.07.2022, 11:37
Von Julian Weinberger und Christopher Schmitt
Im öffentlichen Leben mag das Coronavirus in den Hintergrund gerückt sein. Die strengen Einschränkungen der letzten zwei Jahre sind Geschichte. Und doch ist das Virus nicht weg – ganz im Gegenteil: Seit Anfang Juni steigen in der Schweiz die Inzidenzen infolge einer Sommerwelle beständig an. Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) betrug die 14-Tage-Inzidenz Ende Juni bereits über 760.
Auch in Deutschland bereiten die steigenden Corona-Zahlen den Spitälern zusehends Sorgen. Weil vielerorts Pflegepersonal ebenso wie Ärzte und Ärztinnen an Corona erkranken, kommt es zu Personalmangel. Wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, mussten bereits 55 Prozent der Intensivstationen in Deutschland ihre Leistungen zurückschrauben. 23 Prozent der Kliniken mussten gar Operationen verschieben oder ganz absagen, um den Regelbetrieb zu gewährleisten.
Die laut Christian Karagiannidis, Mitglied des Corona-Expertenrats der deutschen Regierung, «angespannte» Lage mache sich in einer erheblich niedrigeren Zahl an verfügbaren Intensivbetten bemerkbar. Die Zahl sei im Vergleich zum Vorjahr wegen des Personalmangels um 2000 Betten gesunken. «Ich habe noch nie so viele Personalausfälle durch Covid gesehen wie in dieser Welle», so Karagiannidis.
Im Unispital Basel ist die Lage «angespannt»
In den Spitälern hierzulande schrillen die Alarmglocken noch nicht so laut wie im Nachbarland. Nichts desto Trotz stellt Caroline Johnson, Mediensprecherin des Universitätsspitals Basel, fest: «Angesichts der steigenden Hospitalisationen ist die Lage angespannt.» Wie überall würde zudem der Personalmangel die Situation zusätzlich verschärfen. «Dank dem grossen Einsatz unserer Mitarbeitenden und rigoroser Ressourcenplanung können wir die Herausforderung momentan meistern», so Johnson zu blue News.
In Basel will man schnell und flexibel auf möglicherweise steigende Zahlen im Herbst reagieren können. «Das Unispital Basel prüft regelmässig in einem neu formierten Covid-19-Führungsausschuss die epidemiologische Entwicklung und ergreift fortlaufend adäquate Massnahmen.» Allerdings müsse man die Entwicklung der Infektionszahlen abwarten, welche Massnahmen dann angemessen seien, bleibe laut der Mediensprecherin abzuwarten.
Aktuell habe man die Massnahmen vor einigen Wochen wieder verschärft. So gelte im Bereich der Patientenversorgung eine Maskenpflicht «sowie diverse Besucherbeschränkungen».
Der Regelbetrieb des Unispitals werde aufgrund der momentanen Corona-Lage allerdings durch keine nennenswerten Einschränkungen gestört. «Die Arbeit wird aber natürlich durch die zahlreichen Isolationen erschwert und das Andauern der Belastung ist für das Personal anstrengend», konstatiert Johnson.
Personaldecke auch im Schweizer Pflegewesen dünn
Petra Ming, die Mediensprecherin vom Inselspital Bern, berichtet auf Anfrage von blue News zwar von steigenden Patientenzahlen und «etwas vermehrt erkrankten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern». Gleichzeitig betont sie aber: «Wir rechnen aktuell nicht damit, dass es in nächster Zeit zu Kapazitätseinschränkungen aufgrund von hospitalisierten Covid-Patientinnen und -Patienten kommt».
Ändere sich die Situation aber und die Infektionsrate steige innerhalb der eigenen Reihen, stehe auch das Inselspital vor Problemen. «Aufgrund des Fachkräftemangels ist die Personaldecke in Berufsgruppen wie der Pflege auch in der Insel-Gruppe dünn», räumt Ming ein.
Um das zu verhindern, habe man an der Maskentragpflicht beim Patientenkontakt in den letzten Monaten festgehalten. Ausserdem versichert Ming, könne die Insel-Gruppe «bestehende Konzepte reaktivieren». Weiterhin beschäftige sich eine Arbeitsgruppe mit einem Katalog an Massnahmen für den internen Gebrauch im Winter und arbeite ein entsprechendes Testkonzept aus.
Fachkräftemangel kann Kapazitäten beeinflussen
Vom Universitätsspital Zürich hört man Ähnliches. «Aktuell verzeichnen wir keinen Anstieg an krankheitsbedingten Absenzen bei den Mitarbeitenden», teilt die Kommunikationsbeauftragte Manuela Britschgi blue News mit. Der «generelle Fachkräftemangel» könne bei Ausfällen jedoch schnell negative Auswirkungen auf die Kapazitäten haben.
Möglichen Coronaausbrüchen beugt man im USZ mit einer Maskenpflicht im Patientenkontakt und auf Fluren und in der Cafeteria vor. Zwar waren laut Britschgi teilweise nicht alle Intensivbetten im Einsatz, aber «bis anhin konnte das USZ seinen Versorgungsauftrag uneingeschränkt erfüllen». Für den Herbst habe man «erprobte mehrstufige Konzepte zur Bewältigung» in der Hinterhand.
In Glarus bleibt die Personallage «entspannt»
Entwarnung gibt es auch aus dem Kanton Glarus: «Entspannt» sei die Personallage trotz Sommerwelle auch im Kantonsspital Glarus, erklärt Dr. Stephanie Hackethal, CEO und Vorsitzender der Geschäftsleitung blue News.
Drohenden steigenden Zahlen im Herbst möchte man mit analog bestehenden Corona-Konzepten begegnen. Aktuell stehe die zuständige Taskforce laut Hackethal «auf Standby». Allenfalls würde man falls erforderlich auf die Wiedereinführung früherer Massnahmen setzen. Bis dahin gelte das altbekannte Motto «Abstand halten». Bei Erkältungssymptomen sei das Personal angewiesen, eine Maske zu tragen. Aktuell herrscht keine generelle Maskenpflicht für die Beschäftigten.
Der Regelbetrieb im Glarner Spital wird nur in geringem Umfang von der aktuellen Corona-Lage beeinflusst. Zum Teil würden «elektive Operationen verschoben», berichtet Hackethal – «aber wenig». Elektive Operationen sind keine notfallmässigen Eingriffe. Der OP-Termin kann im Voraus festgelegt werden und hat auf den Gesundheitszustand des Patienten sowie das Ergebnis des Eingriffs keinen Einfluss.