Nach sieben Jahren Der Ständerat gibt sein Jawort zur «Ehe für alle» – so geht's nun weiter

Von Julia Käser

2.12.2020

Ein Paar protestiert im Juli 2018 im Schwimmbad Marzili in Bern in voller Brautmontur dagegen, dass es mit der «Ehe für Alle» in der Schweiz so langsam vorwärtsgeht. (Archiv)
Ein Paar protestiert im Juli 2018 im Schwimmbad Marzili in Bern in voller Brautmontur dagegen, dass es mit der «Ehe für Alle» in der Schweiz so langsam vorwärtsgeht. (Archiv)
Bild: Keystone

Die «Ehe für alle» hat am Dienstag eine weitere wichtige Hürde genommen. Beschlossene Sache ist die gleichgeschlechtliche Ehe damit aber noch nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick. 

Für die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer ist klar: Die Ehe soll für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden. Nichtsdestotrotz tut sich das Parlament mit der Vorlage schwer. Seit sieben Jahren dümpelt sie vor sich hin.

Am Dienstag hat die Vorlage im Ständerat nun eine wichtige Hürde genommen: Mit zwei Stimmen Vorsprung hat dieser entschieden, die «Ehe für alle» auf Gesetzesstufe zu regeln – und nicht an die Kommission zurückzuweisen, wie das Vertreterinnen und Vertreter von SVP und CVP forderten. Geklärt ist damit aber noch nicht alles. Die wichtigsten Fragen und Antworten. 

Wieso tut sich die Schweiz bei der «Ehe für alle» so schwer? 

Das hat vor allem bürokratische Gründe. Wird die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet, braucht es diverse Gesetzesanpassungen. Eingereicht wurde die parlamentarische Initiative im Dezember 2013 durch die GLP-Fraktion. Nachdem die vorbereitenden Kommissionen der Vorlage zugestimmt hatten, musste der Gesetzestext ausgearbeitet werden. Diesen Prozess verlängerte das Parlament 2017 um zwei Jahre. Erst 2019 gab der Bundesrat grünes Licht für die Debatte im Gesamtparlament. 

Die zuständige Kommission des Nationalrats war sich vor allem bei der Samenspende für lesbische Personen nicht einig. Eine äusserst knappe Mehrheit war der Ansicht, das Thema Samenspende in einer separaten Vorlage zu behandeln. Der Nationalrat stellte sich am Ende aber gegen diese Variante.

Zweimal Ja: Wieso streitet sich das Parlament noch immer? 

Auch wenn sowohl Nationalrat als auch Ständerat nun Ja zur «Ehe für alle» gesagt habe: Durch ist die Vorlage noch nicht. Der Ständerat hat die Vorlage nun zurück in die grosse Kammer geschickt, weil es bei verschiedenen Punkten noch Klärungsbedarf gibt. 

Die Samenspende für lesbische Paare bleibt der Zankapfel. Zwar ist auch der Ständerat damit einverstanden, lesbischen Paaren Zugang zur Fortpflanzungsmedizin zu ermöglichen. Laut dem Ständerat soll die mit der leiblichen Mutter verheiratete Frau jedoch nur dann automatisch als Elternteil anerkannt werden, wenn das Kind mithilfe einer Schweizer Samenbank gezeugt wurde. Im Falle einer anonymen Samenspende müsste sie es adoptieren. 



Wie können gleichgeschlechtliche Paare heute Kinder haben?

Weil sie Stand heute keinen Zugang zur Fortpflanzungsmedizin haben, suchen lesbische Paare mit Kinderwunsch zum Teil ausländische Fruchtbarkeitskliniken auf. Schwule Paare können im Ausland eine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen. Strafbar ist beides nicht. 

Seit 2018 steht gleichgeschlechtlichen Paaren die Stiefkindadoption offen. Das heisst: Eine Person darf das Kind ihrer Partnerin oder ihres Partners adoptieren, sofern sie drei Jahre zusammen in einem Haushalt wohnen und das Kind vor der Adoption mindestens ein Jahr bei beiden gelebt hat. Eine Adoption direkt nach der Geburt ist demnach nicht möglich – eine gemeinschaftliche Adoption ebenfalls nicht. 

Was ändert sich mit der «Ehe für alle»? 

Einigt sich das Parlament, wird die Ehe 2022 für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Im selben Schritt wird die eingetragene Partnerschaft hinfällig. Anders als die «Ehe für alle» sieht diese keine erleichterte Einbürgerung für ausländische Partner vor. Auch die gemeinschaftliche Adoption von Kindern ist nicht erlaubt. Mit der Öffnung der Ehe würden gleichgeschlechtliche Paare diese Rechte erlangen.

Elton John und sein Partner David Furnish nach ihrer Hochzeit im Jahr 2005. Grossbritannien hat die Ehe 2004 für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet – die Schweiz bisher noch nicht.
Elton John und sein Partner David Furnish nach ihrer Hochzeit im Jahr 2005. Grossbritannien hat die Ehe 2004 für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet – die Schweiz bisher noch nicht.
Bild: EPA/DANIEL HAMBURY

Kein Thema ist die Leihmutterschaft, mit der ein schwules Paar Kinder bekommen könnte. Diese bleibt in der Schweiz für alle illegal. Auch auf Anpassungen bei der Hinterlassenenrente wurde verzichtet – um die Vorlage nicht zu gefährden. 

Hat am Ende die Bevölkerung das letzte Wort? 

Wie am Dienstag beschlossen wurde, bedarf die «Ehe für alle» keiner Verfassungsänderung. Das bedeutet, dass es zu keinem obligatorischen Referendum kommen wird. Dass am Ende an der Urne über die gleichgeschlechtliche Ehe entschieden wird, ist trotzdem gut möglich.

Bereits im Sommer hat die EDU ein fakultatives Referendum angekündigt – sollte die «Ehe für alle» vom Parlament angenommen werden. Für diesen Fall stehe ein «breit abgestütztes Referendumskomitee» bereit, so die EDU. 

Hinkt die Schweiz im europäischen Vergleich hinterher? 

Seit 20 Jahren dürfen sich gleichgeschlechtliche Paare in den Niederlanden das Ja-Wort geben. Auch in den Nachbarstaaten Frankreich, Deutschland und Österreich wurde die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet.

Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten sowie den Ländern Skandinaviens hinkt die Schweiz tatsächlich hinterher. Anders sieht es in Osteuropa aus, dort steht die Ehe schwulen und lesbischen Paaren in keinem einzigen Land offen. 

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