«Pig Butchering» So dreist melken Betrüger ahnungslose Schweizer*innen

mmi

11.1.2023

Betrüger schaffen mit vermeintlich persönlichen Chatnachrichten eine Vertrauensbasis. (Sybolbild).
Betrüger schaffen mit vermeintlich persönlichen Chatnachrichten eine Vertrauensbasis. (Sybolbild).
imago

Dieser fiese Onlinebetrug ködert Ahnungslose mit zwei Triggern: Liebe und Geld. Die sogenannte Pig-Butchering-Masche verfängt auch bei jungen, onlineaffinen Menschen aus der Schweiz.

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Kriminalbehörden rund um den Globus warnen vor «Pig Butchering», der neuen Internet-Betrugsmasche. Die ursprünglich aus China stammende Abzockerstrategie heisst übersetzt «das Schwein schlachten» und trifft vermehrt auch junge und onlineaffine Menschen. Besonders hart wird es, wenn nebst dem verlorenen Geld mit Krypto-Anlagen den Betroffenen auch noch das Herz gebrochen wird.

«Kassensturz», das Konsumentenmagazin des Schweizer Fernsehens SRF, hat mit einem Opfer von «Pig Butchering» gesprochen und aufgezeigt, wie die neue Online-Abzocke funktioniert. 

Schritt 1: Finde das Schwein

Der Betrug beginnt oft in den sozialen Medien. Im geschilderten Fall sendet eine junge, gut aussehende und erfolgreiche Frau dem Betroffenen eine Freundschaftsanfrage via Facebook. Der zögert zu Beginn, prüft die Bilder auf deren Echtheit, scrollte sich durch ihr Profil. Das Profil und die Person scheinen glaubwürdig echt. Weil die beiden gemeinsame Freunde haben, nimmt der Betroffene die Anfrage an.

Laut Serdal Günar Rütsche von der Abteilung für Cyberkriminalität der Kantonspolizei Zürich seien die Täter via Facebook schwer auszumachen. Der Grund: Die Täter machen sich ebenfalls über ihre Opfer schlau. Man nennt es Social Engineering. Beispielswiese würden sie die Freunde des ausgewählten Opfers anschauen und mehreren Personen eine Freundschaftsanfrage stellen, von denen dann einige angenommen würden. Gemeinsame Freunde schafften eine Art Vertrauensbasis, so der Experte. Hinzu komme, dass die Profile aktiv bewirtschaftet und die Bilder von realen Menschen eingekauft werden, etwa von Models. 

Das Schwein ist gefunden.

Schritt 2: Das Schwein wird gemästet

Kurz nach der Annahme wirds rasch persönlich, der Beziehungsstatus wird abgefragt. Auch Restzweifel, ob es sich wirklich um eine echte Person handelt, vermögen die Betrüger geschickt zu vernichten. 

Die beiden chatten stundenlag. Und das täglich. Eine Vertrauensbasis wächst, Restzweifel verfliegen.

Daraufhin erzählt der oder die Betrüger*in, mit Kryptowährungen zu handeln und pro Monat zwischen 30'000 und 40'000 Euro Gewinn zu machen. In der vom «Kassensturz» geschilderten Version soll ein Onkel, angeblich ein Kryptoanalyst, für den Geldsegen verantwortlich sein.

Sobald der Kryptomarkt wieder besser sei, werde sie ihm zeigen, wie auch er Geld machen könne, verspricht die Betrügerin dem Opfer.

Das Schwein ist gemästet.

Schritt 3: Das Schwein schlachten

Auf Rat der Betrügerin, lädt das Opfer die Applikation «AcePro» herunter. Damit soll der junge Mann mit Kursschwankungen auf Kryptowährungen Gewinne machen. Die App sieht täuschend echt aus, piegelt sogar echte Kursverläufe. 

Das Opfer muss sich, sofern nicht schon vorhanden, ein Konto bei einer Kryptowährungsbörse zulegen. Von diesem Konto überweist die betroffene Person Geld auf «AcePro». Als bereits nach zehn Minuten 50 Prozent Gewinn der investierten Summe locken und der Rücktransfer auf das Börsenkonto funktioniert hat, wird der Betroffene mutiger und investiert grössere Summen.

Als die Betrügerin grössere Summen verlangt, kommen Zweifel auf, ob nicht doch eine Betrugsmasche dahinterstecken könnte. Und tatsächlich: Als der Betroffene die bei «AcePro» vermeintlich investierten 10'000 Franken nicht mehr zurücktransferieren kann, weiss er: Die App ist nicht echt.

Solche Apps kann man bei Apple oder Android herunterladen, weil die ursprünglich mit einem anderen Zweck angemeldet werden. Etwa als QR-Scanner. Haben die Betreiber die Zulassung erhalten, bauen sie im Hintergrund eine neue Webadresse auf, um den Menschen eine App für Kryptohandel vorzugauckeln. In Wirklichkeit landet das Geld direkt bei den Betrügern. 

Die Polizei kann den Opfern in vielen Fällen nicht weiterhelfen, weil die Geldspuren verwischen, sobald diese in Kryptowährungen angelegt sind.

Das Schwein ist geschlachtet.

Schritt 4: Das Schwein eliminieren

Der Betrug endet so rasch, wie er begonnen hat. Die Täter brechen die Verbindung zu den Opfern unverzüglich ab. Das heisst: Sie löschen den Kontakt über alle Kanäle.

Das Schwein ist weg.

Betrüger sind oft selber Opfer

Der im «Kassensturz» geschilderte Fall steht exemplarisch für viele Fälle. Ein Blick in die Cyberkriminalstatistik der Zürcher Kantonspolizei zeigt: 2022 sind schweizweit über 800 Anzeigen wegen Onlinebetrug eingegangen mit einer Schadenssumme von 80 Millionen Franken.

Hinter «Pig Butchering» stehen asiatische Verbrecher-Syndikate. Laut Experten seien die ursprünglich aus China stammenden Betrüger in Länder wie Kambodscha vertrieben worden. Die seien wie Unternehmen aufgebaut mit eigenen Finanzabteilungen. In den eigens angesiedelten Wohnkomplexen wohnen die sogenannten Keyboarder, die rund um die Uhr mit den Opfern chatten. Die Keyboarder sind oft selber Opfer von Menschenhandel, angelockt durch Geldversprechen. In diesen Klkickfarmen werden die Menschen dann festgehalten und zu Onlinebetrug gezwungen.