Lästereien, Burn-out, Fachkräftemangel «Seit ich nicht mehr in der Pflege arbeite, geht es mir besser»

Vanessa Büchel

26.5.2024

Die Pflege sieht sich seit Langem mit einem Fachkräftemangel konfrontiert. Dies hat Überarbeitung zur Folge. Viele Mitarbeitende sind ausgelaugt und einem Burn-out nah. 
Die Pflege sieht sich seit Langem mit einem Fachkräftemangel konfrontiert. Dies hat Überarbeitung zur Folge. Viele Mitarbeitende sind ausgelaugt und einem Burn-out nah. 
Tom Weller/dpa (Symbolbild)

Pflegekräfte sind am Anschlag. Das ist kein Geheimnis. Häufig erschweren Lästereien und Intrigen die Teamarbeit, wie eine Betroffene erzählt. Sie ist überzeugt, dass Schichtarbeit Mitschuld an den Burnouts trägt.

Vanessa Büchel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Dass Pflegekräfte nicht immer die einfachsten Arbeitsbedingungen haben, darüber wird schon länger diskutiert.
  • Eine Betroffene gibt blue News Einblicke: Burn-outs seien nach wie vor keine Seltenheit in ihrem ehemaligen Berufsfeld.
  • Sie berichtet von Lästereien und Intrigen am Arbeitsplatz. Dabei wäre der Teamzusammenhalt in der Pflege das A und O.
  • Schichtarbeiten seien ein weiterer Punkt, die an den Nerven zerren und die körperlich belastende Arbeit zusätzlich erschweren. 

«Eigentlich ist es ein schöner und sehr wichtiger Beruf. Als Pflegekraft begleitet man Menschen durch schwere Zeiten, lernt viel über das Leben selbst, wie man mit gewissen, auch schwierigen Situationen umzugehen hat und ist sehr konfrontiert mit dem Tod», sagt Lara S.* nachdenklich zu blue News. Zum Teil sei man die letzte Person, die einen Menschen begleitet und sich um ihn kümmert. «Das ist extrem berührend.»

Wenn da nur das Wörtchen «eigentlich» nicht wäre. Denn der Pflegeberuf ist auch fordernd, körperlich anstrengend und treibt viele Fachkräfte ins Burn-out. «Auch ich war am Anschlag und musste die Notbremse ziehen. Ich stand vielfach kurz vor einem Burn-out, hatte am Ende einfach keine Nerven mehr», erinnert sich Lara. 

Heute geht es Lara besser. Nach zwölf Jahren in der Pflege muss sie in ihrem neuen Job nun keine Schichtarbeit mehr leisten und hat am Wochenende frei. Der geregelte Tagesablauf habe ihr geholfen, dass es ihr wieder besser geht, auch wenn sie es ab und an vermisst, für Erledigungen unter der Woche freizuhaben.

Laras Blick verdüstert sich. Sie denkt nach und sagt: «Ich hatte einige Kolleginnen und Kollegen, bei denen ein Burn-out festgestellt wurde und die dann ausgefallen sind.» Das befeuert den Fachkräftemangel zunehmend und treibe Pflegekräfte, die dann einspringen und mehr Schichten als üblich stemmen müssen, an den Rand des Erträglichen.

Teamzusammenhalt ist besonders wichtig

«Ich persönlich würde niemandem empfehlen, 100 Prozent in der Pflege zu arbeiten», merkt Lara betont an. Das sei einfach zu viel Belastung, hänge aber immer auch mit der Institution zusammen, für die man angestellt ist. 

Bei einer Arbeitsstelle von Lara habe es grosse Probleme mit Intrigen gegeben, wie die junge Frau berichtet. «Es wurde ständig schlecht über andere geredet und Lästereien gehörten zur Tagesordnung. Ich war auch betroffen.» Lara senkt den Blick und man merkt, dass ihr das Thema ans Herz geht. 

«In der Pflege ist das Team A und O. Man muss sich einfach auf die anderen verlassen und ihnen vertrauen können, nur so kann alles reibungslos ablaufen.» Und an vielen Orten ist laut Lara der Teamzusammenhalt leider nicht so, wie er sein sollte.

Auffallend sei auch gewesen, dass in ihrem Team immer wieder dieselben Personen ausfielen, krank waren und nicht auftauchten. «Ich will niemandem etwas unterstellen und bei einem grossen Team ist es klar, dass ab und zu jemand krank ist, aber irgendwann beginnt man, die Dinge zu hinterfragen.» 

Am Ende blieb das Einspringen immer an den gleichen Mitarbeiter*innen hängen. «Irgendwann kann man selbst einfach nicht mehr, wenn man die ganze Zeit für andere Schichten übernehmen muss, die ständig krank sind», führt Lara aus. Die gelernte Fachfrau Gesundheit nennt es einen Teufelskreis, aus dem man kaum auszubrechen vermag.

Abschalten in der Natur

Diesem Teufelskreis entkommen – dabei hätten Lara ihre Hobbys geholfen. Wenn sie mal den Kopf freibekommen musste und Ablenkung suchte, machte sie Sport. «Dort konnte ich alles rauslassen und Stress abbauen.» 

Die Natur habe ihr ebenfalls geholfen, zur Ruhe zu kommen, das tue sie auch jetzt noch. Ein Spaziergang im Wald kann laut Lara wahre Wunder bewirken.

«Schichtarbeit macht dich irgendwann einfach fertig»

Die Lästereien und der fehlende Teamzusammenhalt waren nicht die einzigen Gründe, warum es Lara immer schlechter ging. Sie lässt das Stichwort Schichtarbeiten fallen. 

«Dass man immer wieder zu anderen Zeiten arbeitet und zwischendurch auch nachts oder frühmorgens, das macht dich irgendwann einfach fertig», ist die Pflegekraft überzeugt. Dann spricht sie weiter: «Du hast eine komplett andere Routine und zum Teil extreme Wechsel – vor allem eben auch, wenn du für Kolleginnen und Kollegen einspringst, ist der Plan noch unberechenbarer.»

Obwohl der Pflegeberuf strenge körperliche Arbeit bedeute und man sich für andere aufopfere, dürfe man die schönen Aspekte nicht ausser Acht lassen. «Am Ende ist es genau das, dieses Aufopfern, Helfen und Unterstützen, das Pflegekräfte in ihrem Tun bestätigt.»

* Name der Redaktion bekannt


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