Keine Landeerlaubnis?Schwierige Bedingungen für Rega – «Habe seit Januar niemanden mehr umarmt»
Von Jennifer Furer
29.7.2020
Die medizinische Evakuierung von Schweizern durch die Rega stellt derzeit eine Herausforderung dar. Denn: Einige Länder erteilen dafür wegen Corona keine Landeerlaubnis. Erwin K.* steckt deshalb nun in den USA fest.
Erwin K. versucht vergeblich, einen Flug von Arizona (US) in die Schweiz zu kriegen. Seit einem Unfall und einer daraus resultierenden Krankheit kann er nur noch liegend fliegen. «Linienflüge kommen daher nicht infrage», sagt er.
Auch eine medizinische Evakuierung mit einem Privatjet – etwa jenem der Rega – gestalte sich als schwierig. Denn: Laut K. erhalten diese momentan keine Landeerlaubnis.
Die Situation schlägt K. aufs Gemüt. «Ich habe seit Januar keinen Menschen mehr berührt, geschweige denn umarmt.» Er habe seinen Geburtstag alleine verbringen müssen – und am 27. Hochzeitstag habe er seine Frau nur über WhatsApp erreicht.
Zu allem hin habe sich nun die Nachbarin von K. mit dem Coronavirus angesteckt. «Sie hat bisher für mich die Einkäufe erledigt.» Im Moment habe er noch Vorräte für einige Tage, jedoch kein Gemüse und keine Früchte – «nur Pasta, etwas Reis und Tee», sagt K.
Repatriierung wegen Corona aufwendiger
Schweizer Airlines und ihre Crew-Mitglieder dürfen in die USA fliegen, wenn sie bestimmte Regeln der US-Behörden befolgen. Das gilt auch für medizinische Flüge wie jene der Rega. Allerdings können lokale Behörden jederzeit und mit einer kurzen Vorlaufzeit Flughäfen schliessen, etwa weil es in der Region oder beim Personal zu Coronafällen gekommen ist.
Bei der Rega heisst es, dass die sogenannte Repatriierung, also die Rückführung von gesundheitlich eingeschränkten Personen, aus dem Ausland in die Schweiz zurzeit wegen der Coronapandemie aufwendiger sei, sagt Sprecherin Karin Zahner. «Weil im Vorfeld mehr Abklärungen getroffen werden müssen und sich die Situation sehr rasch ändern kann.»
Verhänge ein Staat neue Ein- oder Ausreisebedingungen, müsse jeweils geklärt werden, ob diese auch für medizinische Evakuationen Gültigkeit haben, worunter die Repatriierung mit den Ambulanzjets der Rega fällt. «Unsere Einsatzleiterinnen und Einsatzleiter prüfen die aktuell gültigen Bestimmungen vor jeder einzelnen Repatriierung und klären Fragen gegebenenfalls mit den zuständigen Behörden im Ausland», sagt Zahner.
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Für die Einsatzleiterinnen und Einsatzleiter sei die Situation nicht ganz neu. «Sie haben bereits grosse Erfahrungen mit der Situation, dass gewisse Länder aus Sicherheitsgründen nicht oder nicht mehr angeflogen werden können.»
Trotzdem stellt die jetzige Coronakrise eine Herausforderung dar. Auch, weil derzeit mehr Repatriierungsflüge mit den Ambulanzjets der Rega durchgeführt werden als in der Vorjahresperiode. «Den leichten Anstieg führen wir unter anderem darauf zurück, dass wir aufgrund der Coronasituation weniger Repatriierungen mit Linienflugzeugen organisieren konnten», sagt Zahner.
Die Zahlen
2019 repatriierte die Rega insgesamt 1'345 Patienten (-0,7 %). Davon wurden 972 Patienten (-0,9 %) in einem der drei Ambulanzjets zurück in die Heimat geflogen. Für 373 Patienten (-0,3 %) konnte die Rega die Rückreise an Bord eines Linienflugzeuges in Begleitung eines Flugarztes, einer Intensivpflegefachperson oder ohne Begleitung organisieren.
Für das Jahr 2020 gibt es noch keine Zahlen. Bekannt ist aber, dass die Jet-Crews der Rega seit Beginn der Coronakrise über 40, in den letzten Wochen mehr als 20, mit Covid-19 infizierten Patientinnen und Patienten zurück in ihre Heimat geflogen haben.
Dies, weil Linienflüge gänzlich ausgefallen sind oder kurzfristig ausfallen können, so die Rega-Sprecherin. «Wir wollen zudem vermeiden, dass Patienten und Crews an einem Flughafen im Ausland nicht mehr weiterkommen.»
Ohnehin stehe die Rega Gönnerinen und Gönnern im Ausland etwa mit Beratungsärzten zur Seite. «Je nach Schweregrad des medizinischen Notfalles helfen unsere Beratungsärzte telefonisch weiter oder leiten den Transport zurück in die Heimat in die Wege», sagt Sprecherin Zahner.
Covid-19-Patienten transportieren
Die Kosten für die medizinische Hilfe aus der Luft trägt die Rega selbst, wenn nicht eine Versicherung oder eine Drittperson dafür aufkommen muss. Die Rega wird über Gönnerbeiträge finanziert. Als Dank für ihre Unterstützung kann die Rega nach ihrem Ermessen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Gönnerinnen und Gönnern die Kosten erlassen.
Nebst Spitalverlegungen und Rettungen von Schwerverletzten haben die Rega-Crews seit dem 11. März über 100 Covid-19-Patienten transportiert. Die Mehrheit davon seien intensivmedizinische Spezialtransporte gewesen, bei welchen die Patienten künstlich beatmet werden mussten. Bei genügend Kapazitäten hätten die Rega-Crews auch in Nachbarländern ausgeholfen.
Mit dem Beginn der Sommerferien rückt die Rega vermehrt in die Bergregionen aus. Letztes Wochenende stand sie knapp 120-mal im Einsatz. So flog sie einen Verletzten aus einer Schlucht beim Grimselpass (BE) oder rettete gemeinsam mit der Feuerwehr beim Chli Furkahorn (UR) eine Wanderin, die unter einem Felsblock eingeklemmt worden war.