SVP-nahes Komitee Pro Schweiz lanciert die Neutralitäts-Initiative

SDA/uri

8.11.2022

Unterschriftensammlung für Neutralitätsinitiative kann beginnen

Unterschriftensammlung für Neutralitätsinitiative kann beginnen

Die Neutralitätsinitiative, die der Schweiz Verteidigungsbündnisse und die Teilnahme an Sanktionen weitgehend untersagen will, ist am Start.

08.11.2022

Knapp ein Jahr vor den eidgenössischen Wahlen wird die Neutralitätsinitiative lanciert. Das Initiativkomitee hat an einer Medienkonferenz in Bern seine Argumente für das Volksbegehren dargelegt.

uri

Die Neutralitätsinitiative, die der Schweiz Verteidigungsbündnisse und die Teilnahme an Sanktionen weitgehend untersagen will, ist am Start. Die Initiantinnen und Initianten haben das eidgenössische Wahljahr über und danach noch bis zum 8. Mai 2024 Zeit, die für das Zustandekommen nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln.

Der Text der Volksinitiative «Wahrung der schweizerischen Neutralität (Neutralitätsinitiative)» und die Sammelfrist wurden am Dienstag im Bundesblatt veröffentlicht. Die «immerwährende und bewaffnete Neutralität» soll in der Verfassung verankert werden. Hinter der Initiative steht der neu gegründete Verein Pro Schweiz.

Die Schweiz darf gemäss dem vorgeschlagenen Artikel 54a keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis beitreten. Ausgenommen ist eine Zusammenarbeit mit solchen Bündnissen für den Fall eines direkten militärischen Angriffs auf die Schweiz.

Sanktionen stark eingeschränkt

Untersagt werden der Schweiz «nichtmilitärische Zwangsmassnahmen» gegen Krieg führende Staaten. An Sanktionen darf sie sich nicht mehr beteiligen und auch keine solchen treffen. Sanktionen, wie sie die EU nach dem Angriff auf die Ukraine gegen Russland beschlossen hat, dürfte die Schweiz gemäss Initiativtext nicht mehr übernehmen.

Walter Wobmann, Nationalrat SVP-SO, Mitte, spricht neben weiteren Personen des Initiativkomitees bei einer Medienkonferenz in Bern. 
Walter Wobmann, Nationalrat SVP-SO, Mitte, spricht neben weiteren Personen des Initiativkomitees bei einer Medienkonferenz in Bern. 
Bild: Keystone

Aus dem Verbot ausgeklammert bleiben hingegen Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der Uno. Die Schweiz soll mit eigenen Massnahmen auch verhindern dürfen, dass Sanktionen anderer Staaten umgangen werden können.

In der Verfassung verankern wollen die Initiantinnen und Initianten, dass die Schweiz die immerwährende Neutralität für das Verhindern und das Lösen von Konflikten nutzt. Sie soll zudem als Vermittlerin zur Verfügung stehen.

«Blosses Mitschwimmen»

In der Verfassung verankern wollen die Initiantinnen und Initianten zudem, dass die Schweiz die immerwährende Neutralität für das Verhindern und Lösen von Konflikten nutzt. Sie soll als Vermittlerin zur Verfügung stehen und gute Beziehungen zu allen Staaten pflegen. Das Komitee sieht die Neutralität als Mittel für die Friedenspolitik.

Präsidiert wird das Initiativkomitee vom Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Die Schweiz verfalle zunehmend einer Politik von Phrasen, die einfach wiederhole, was international gerade üblich sei, sagte Wobmann am Dienstag in Bern vor den Medien. Diese Politik «des blossen Mitschwimmens» stosse andere Staaten vor den Kopf.

Das Komitee stört sich namentlich an der Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland. Die ganze Welt - von US-Präsident Joe Biden bis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin - habe festgestellt, dass die Schweiz nicht mehr neutral sei, argumentiert das Initiativkomitee.

Blocher nicht im Komitee

In den vergangenen Monaten und Wochen hatte sich vor allem alt Bundesrat Christoph Blocher für die Neutralitätsinitiative starkgemacht. Zum Initiativkomitee gehört Blocher allerdings nicht. Diesem gehört unter anderem Stephan Rietiker an, der Präsident der neu gegründeten Anti-Europa-Bewegung Pro Schweiz.

Pro Schweiz wurde Mitte Oktober gegründet, im Beisein von Blocher. In dem neuen Verein gingen neben der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns), die Organisation «Nein zum schleichenden EU-Beitritt» und die «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt» auf.

Einsitz haben im Komitee auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi, die SVP-Nationalräte Walter Wobmann (SO) und Pierre-André Page (FR) - beide im Vorstand von Pro Schweiz - und der frühere SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (ZH). Vogt ist einer der Anwärter für den Sitz des zurücktretenden Bundesrats Ueli Maurer.

Neutralitätspolitik von 1993

Heute gibt die Bundesverfassung vor, dass Bundesrat und Parlament Massnahmen zur Wahrung der Neutralität der Schweiz zu treffen haben. Die Rechte und auch Pflichten eines neutralen Staates regelt das Neutralitätsrecht gemäss den Haager Abkommen von 1907, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schreibt.

Der Bundesrat hält es nicht für zweckmässig, eine weitergehende Verankerung des Kerninhalts der Neutralität in die Verfassung und auch in Gesetze zu schreiben. Dies würde den sicherheits- und aussenpolitischen Spielraum der Schweiz einschränken.

Die aktuelle Neutralitätspolitik wurde 1993 definiert und wird seither praktiziert. Die geltende Praxis biete genug Spielraum, um auf Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zu reagieren, so der Bundesrat. Eine Neudefinition im Sinn der von Aussenminister Ignazio Cassis ins Spiel gebrachten «kooperativen Neutralität» lehnte er ab.

Alt-Bundesrat Christoph Blocher bei der Gründungsversammlung der Vereinigung «Pro Schweiz», am 15. Oktober 2022 in Bern.
Alt-Bundesrat Christoph Blocher bei der Gründungsversammlung der Vereinigung «Pro Schweiz», am 15. Oktober 2022 in Bern.
Archivbild: Keystone