Urteil mit Folgen Polizei darf kleine Mengen Crack oder Koks nicht mehr einziehen

phi

6.8.2023

Eine Verhaftung in Lausanne: Kleine Mengen Drogen dürfen Beamte wohl nicht mehr beschlagnahmen.
Eine Verhaftung in Lausanne: Kleine Mengen Drogen dürfen Beamte wohl nicht mehr beschlagnahmen.
Symbolbild: KEYSTONE

In dem Urteil des Bundesgericht ging es eigentlich um eine kleine Menge Cannabis, die Beamte beschlagnahmt haben. Doch das Verdikt lässt sich auf andere Drogen ausweiten, die die Polizei nicht mehr einziehen darf.

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  • Laut Bundesgericht durfte die Grenzwacht einem Schweizer nicht die kleine Menge Cannabis nehmen, mit der er erwischt wurde.
  • Der Grund: Erwerb, Besitz und Konsum einer Menge, die dem Eigenbedarf entspricht, sind straffrei.
  • Juristen sagen, das gelte auch für andere Drogen in kleiner Menge, die nicht mehr beschlagnahmt werden dürfen.
  • Bei Cannabis liegt die Eigenbedarf-Menge bei 10 Gramm, für Kokain sind es in St. Gallen 2 Gramm.

Ein Urteil des Bundesgerichts von 24. Juli könnte weitreichende Folgen für die Polizei haben: Wahrscheinlich darf sie zukünftig Personen, bei denen sie Drogen findet, diese nicht mehr wegnehmen, sofern es sich um kleine Mengen handelt. Das gilt wohl auch für Kokain oder Heroin.

Das besagte Grundsatzurteil betrifft einen Mann, der am Bahnhof St. Margrethen (SG) vom Grenzwachtkorps mit Cannabis erwischt worden ist. Die Beamten beschlagnahmten 2,7 Gramm Marihuana und 0,6 Gramm Haschisch, das der Kläger zurückforderte.

Das Bundesgericht kassierte ein Verdikt der St. Galler Justiz und gab dem Mann Recht, weil der Erwerb, Besitz und Konsum von kleinen Mengen Cannabis straffrei sei. Die Drogen hätten nicht eingezogen und vernichtet werden dürfen. 2017 hat ein Gericht in Lausanne festgelegt, dass bis zu zehn Gramm als Eigenbedarf gelten und nicht sanktioniert werden.

2 Gramm Kokain als Eigenbedarf in St. Gallen

Der Spruch des Bundesgerichtes hat aber nicht nur für Cannabis Gültigkeit, schätzt ein emeritierter Rechtsprofessor für Betäubungsmittelrecht in der «Sonntagszeitung» die Lage ein: «Es ist klar, das Urteil gilt auch für harte Drogen», sagt Peter Albrecht. Für die Polizei bedeute das, dass sie «künftig kleine Mengen Heroin oder Kokain oder Crack nicht mehr wegnehmen dürfen».

Weil weitere Juristen ähnliche Schlüsse ziehen, steht das Thema nun auf der Agenda der Schweizerischen Staatsanwaltskonferenz (SSK), um über ein national einheitliches Vorgehen zu beraten. Die Frage werde dabei auch sein, wie gross die Menge des Eigenbedarfs bei anderen Drogen ist: 10 Gramm Cannabis haben eine andere Bedeutung als 10 Gramm Crack.

Laut «Sonntagszeitung» hat die Staatsanwaltschaft St. Gallen den Wert bei Kokain auf 2 Gramm festgelegt, die demnach für 25 Linien reichten. Als Eigenbedarf wird die Menge angesehen, die der Konsument in einer Woche verbraucht: Bei den 10 Gramm Cannabis sind es übrigens 20 Joints.

Für die Polizei wird das Verdikt bei der Jagd nach Kleindealern zum Problem. Sofern diese nur mit Kleinstmengen erwischt werden, dürfen diese nicht nur abziehen, sondern auch noch ihren Stoff wieder mitnehmen.