Stromengpass ab 2025 Parmelin stösst Sommaruga vor den Kopf

gbi

27.10.2021

Energieministerin Simonetta Sommaruga und Bundespräsident Guy Parmelin beraten sich an einer Medienkonferenz in Bern.
Energieministerin Simonetta Sommaruga und Bundespräsident Guy Parmelin beraten sich an einer Medienkonferenz in Bern.
Bild: Keystone

Bundespräsident Guy Parmelin ruft Unternehmen dazu auf, für einen Strommangel ab 2025 vorzusorgen. Seine Bundesratskollegin Simonetta Sommaruga soll darüber gar nicht erfreut sein.

gbi

27.10.2021

Das Schreckgespenst einer Stromlücke geistert seit Wochen durch die Schweiz. Mit warnenden Äusserungen schürt Bundespräsident Guy Parmelin nun Ängste: «Eine Strommangellage ist neben der Pandemie die grösste Gefahr für die Versorgung der Schweiz», sagt er in einem Video, über das verschiedene Medien erstmals am Wochenende berichtet haben. Im schlimmsten Fall könnte in der Schweiz ab 2025 wochen- oder sogar monatelang der Strom knapp werden.

Mit diesem Vorpreschen stosse der SVP-Bundesrat seine Kollegin Simonetta Sommaruga vor den Kopf, meldet am Mittwoch der «Tages-Anzeiger». Der Grund liegt auf der Hand: Die SP-Magistratin ist als Vorsteherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) für die Stromthematik zuständig.

In der Umweltkommission des Ständerats habe Sommaruga letzte Woche klargestellt, dass sie über Parmelins Kommunikation «alles andere als glücklich sei», meldet die Zeitung unter Berufung auf gut informierte Kreise. Da nun seit Wochen intensiv über eine mögliche Stromlücke diskutiert werde, werde Sommaruga mit Kritik eingedeckt.

Unerwähnt bleibt dabei oft, dass die ganze Diskussion auf einem ausdrücklichen Worst-Case-Szenario basiert. Dazu muss man zurückblenden.

Ohne Rahmenabkommen kein Stromabkommen

Seit 2007 verhandelt die Schweiz mit der EU über ein Stromabkommen. Nachdem die Schweiz im Mai die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen abgebrochen hat, ist ein Stromabkommen unwahrscheinlich geworden: Brüssel sieht ein Rahmenabkommen als zwingende Voraussetzung dafür an.



Hinzu kommt: Ab 2025 müssen Netzbetreiber in der EU mindestens 70 Prozent ihrer grenzüberschreitenden Netzkapazitäten für den Stromhandel zwischen EU-Staaten freihalten. Was das für Drittstaaten wie die Schweiz bedeutet, ist unklar.

Die Schweiz muss sich also Gedanken über ihre Stromversorgung machen, das Uvek hat vor knapp zwei Wochen ein externes Gutachten mit drei denkbaren Szenarien für das Jahr 2025 vorgelegt. Darin taucht auch die besagte Stromlücke auf – diese drohe aber nur in einer theoretischen Stresssituation.

Das konkrete Szenario: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der EU, und die EU führt ihre 70-Prozent-Regel ein. In der Schweiz fällt im Winter auch das AKW Beznau aus. Zudem fällt in Frankreich ein Drittel der Atomkraftwerke aus. In diesem schlimmstmöglichen Fall könnte die Schweiz im späten Winter 2025 zu wenig Strom haben – während 47 Stunden.

Unter «ganz extremen Annahmen», so heisst es im Bericht, könnte die Stromversorgung während bis zu 500 Stunden unterbrochen sein. Hierzu müsste es aber zu zusätzlichen Produktionsausfällen kommen.

Vieles müsste zusammenkommen

Das Uvek gibt dem «Tages-Anzeiger» gegenüber zu bedenken, es müssten «einige schwerwiegende Faktoren gleichzeitig zusammentreffen», damit es überhaupt zu einer Stromlücke komme. Zudem zeige das Gutachten, dass in den beiden anderen Szenarien keine Stromlücke droht. 

Wieso schlage Parmelin dann also überhaupt derart warnende Töne an? Der Bundespräsident habe in dem besagten Video mitgewirkt, um die Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen (Ostral) zu unterstützen, teilt sein Departement mit. Diese bereite die Grossverbraucher auf eine mögliche Stromknappheit vor. Das Video sei zudem schon im Mai gedreht worden, also lange vor Erscheinen des Uvek-Berichts.