Studie Für neun von zehn Mietern sind die eigenen vier Wände unerschwinglich

AWP/SDA/uri

29.11.2019

Einfamilienhäuser und Hochhäuser in Brugg AG: Immer mehr Schweizer Miete haben nicht genügend Mittel, um sich eine eigene Immobilie zu kaufen. (Symbolbild)
Einfamilienhäuser und Hochhäuser in Brugg AG: Immer mehr Schweizer Miete haben nicht genügend Mittel, um sich eine eigene Immobilie zu kaufen. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Die eigenen vier Wände bleiben für immer mehr Schweizerinnen und Schweizer ein Wunschtraum. Wegen der hohen Immobilienpreise kann sich nur noch ein kleiner Teil der Mieterhaushalte eine Immobilie kaufen. 

Nur noch rund zehn Prozent der Mieterhaushalte verfügt über die notwendigen Mittel und Einkommen, um sich Wohneigentum leisten zu können. Zu diesem Schluss kommt die Zürcher Kantonalbank (ZKB) in einer Studie, die am Freitag veröffentlicht wurde. Seit der Jahrtausendwende haben sich die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser beinahe verdoppelt. Zugleich sind die Hypothekarzinsen auf einen historischen Tiefpunkt gesunken.

Doch der Kauf einer Immobilie ist dadurch nicht einfacher geworden. Dies liegt nicht nur an den hohen Preisen, sondern auch an den verschärften Tragbarkeitsregeln.

Um einer Immobilienblase entgegenzuwirken, haben die Banken auf Druck der Aufsichtsbehörden die Bedingungen für einen Kredit verschärft. Immobilienkäufer müssen sich ihre Hypothek nicht nur zu den aktuell tiefen Zinsen, sondern auch dann noch leisten können, wenn der Hypothekarsatz auf 4 bis 5 Prozent steigen sollte. Die Wohnkosten (Amortisation, Zinskosten und Unterhaltskosten) sollten auch dann nicht mehr als ein Drittel des Einkommens betragen.

Wegen dieses kalkulatorischen Zinssatzes verfügt nur noch ein Fünftel aller Schweizer Mieterhaushalte über genügend Mittel, um diese Tragbarkeitsbedingungen erfüllen zu können. Vor 20 Jahren, als die Preise noch tiefer waren, waren es noch fast die Hälfte.

Unter Einbezug der Eigenkapitalanforderungen können sich aufgrund der hohen Preise insgesamt nur noch zehn Prozent der Mieterhaushalte Wohneigentum leisten, wie die Immobilienspezialisten der ZKB auf Basis von Einkommens- und Vermögensdaten schreiben.

Preisschub bei tieferen Zinsanforderungen

Eine Senkung des kalkulatorischen Zinssatzes wäre jedoch verfehlt, schreibt die ZKB. Sie hätte keinen wesentlichen Einfluss auf die Wohneigentumsquote, sondern würde vor allem die Nachfrage erhöhen und auf diese Weise zu einer deutlichen Preissteigerung führen.

«Konkret würde die Senkung des kalkulatorischen Zinssatzes (auf 3 Prozent) schweizweit eine zusätzliche Nachfrage von 50'000 bis 90'000 Wohneinheiten nach sich ziehen», wird Ursina Kubli, Leiterin Immobilienanalyse zitiert.

Zum Vergleich: Im Jahr 2018 wurden schweizweit rund 22'000 Eigenheime erstellt. Die zusätzliche Nachfrage entspräche also zwei bis vier Jahresproduktionen. Da sich die Zusatznachfrage nicht unmittelbar durch ein höheres Angebot abdecken lassen würde, würden die Preise um bis zu 20 Prozent steigen, erwartet die ZKB.

Eine Senkung des kalkulatorischen Zinssatzes würde die Wohneigentumsquote nur leicht steigern. Soll der Zugang zu Wohneigentum erleichtert werden, braucht es andere Rezepte. «Es müssten mehr Eigenheime angeboten werden», sagt Kubli. Die Investoren bevorzugten aber wegen der tiefen Zinsen aus Renditegründen seit längerem schon Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen, was die Angebotsknappheit beim Wohneigentum erhöhe.

Verdichtung kommt voran

Positiv äussern sich die ZKB-Experten zur Politik des Kantons Zürich, den Wohnraum zu verdichten und dadurch der Zersiedlung durch die Bautätigkeit ausserhalb der grossen Zentren entgegenzuwirken.

Gemäss dem kantonalen Richtplan sollen die bereits dicht besiedelten Gebiete 80 Prozent des künftigen Bevölkerungswachstums aufnehmen. In den vergangenen drei Jahren sei der Kanton Zürich dem ehrgeizigen Ziel mit 75 Prozent bereits sehr nahegekommen.

Die wichtigste Rolle spielen dabei Ersatzneubauten. Allein in den Städten entstanden 14'000 neue Wohnungen durch Ersatzneubauten. Dabei wurden vor allem in den Gemeinden mit dem höchsten Preisniveau in und um die Stadt Zürich und in den angrenzenden Gemeinden entlang des Zürichsees vielfach bestehende Bauten abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Bei einer höheren Ausnützung könnten die Renditen bei der Vermietung oder dem Verkauf erhöht werden.

Politikum Leerkündigung

Mit Ersatzneubauten oder Sanierungen sind auch - die in der Öffentlichkeit oft kontrovers diskutierten - Leerkündigungen verbunden. Damit wird die Auflösung sämtlicher Mietverhältnisse zum Zweck der Totalsanierung von Gebäuden bezeichnet.

Gemessen am Mietwohnungsbestand wurden die meisten Leerkündigungen in Bern ausgesprochen, gefolgt von Zürich, wie die ZKB schreibt. In Genf gebe es wegen strengerer gesetzlicher Vorgaben beinahe keine Leerkündigungen.

Für Kritiker seien Leerkündigungen ein Instrument zur Renditesteigerung. Doch damit liessen sich Ersatzneubauten und damit auch Verdichtungsmassnahmen am effizientesten realisieren. Im Durchschnitt seien die leergekündigten Wohnungen über 60 Jahre alt, was eine Totalsanierung nahelege.

Auch aus energetischen Gründen sei der Ersatz oder ihre Sanierung sinnvoll. Dieses Potential hätten auch Genossenschaften erkannt, ihr Anteil bei den Leerkündigungen in der Stadt Zürich sei mit rund zehn Prozent substanziell.

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