«Beneidenswerte Lage» Die Arbeitnehmenden sind jetzt am längeren Hebel

Von Alex Rudolf

10.1.2023

Besonders in der Gastronomie und in der Hotellerie wird händeringend nach Personal gesucht.
Besonders in der Gastronomie und in der Hotellerie wird händeringend nach Personal gesucht.
Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

Seit 20 Jahren war die Arbeitslosigkeit nicht mehr so tief wie heute. Verschiedene Branchen kämpfen seit Monaten mit einem Mangel an Arbeitskräften. Wo kriegen die Unternehmen jetzt ihr Personal her?

Von Alex Rudolf

Zuletzt war im Jahr 2001 ein so grosser Prozentsatz der Menschen in der Schweiz arbeitstätig. Damals betrug die Arbeitslosenquote 1,7 Prozent – und jetzt ist dieses Niveau fast wieder erreicht: Im Jahr 2022 betrug die Arbeitslosenquote 2,2 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Montag mitteilte.

«Wir sind in einer beneidenswerten Lage», sagt Seco-Mediensprecher Fabian Maienfisch auf Anfrage von blue News. «Im vergangenen Jahr ging es der Schweizer Wirtschaft besser als vor der Pandemie: Das zeigt die enorme Anpassungsfähigkeit unserer Unternehmen.»

Wie kommt es zu dieser fast rekordtiefen Arbeitslosigkeit? Während der Pandemie sei die Arbeitslosigkeit stark gestiegen, was Personen aus der Gastronomie und der Hotellerie teilweise dazu brachte, die Branche zu wechseln, wie Meienfisch ausführt.

«Unternehmen müssen nun schauen, dass sie attraktiv sind – etwa in Sachen Lohn und Arbeitsbedingungen.»

Fabian Maienfisch

Sprecher Seco

Nach den Öffnungsschritten suchten die betroffenen Branchen nach Angestellten. Diese hätten sich aber zwischenzeitlich umorientiert. Im Zuge der raschen Öffnungen nach der Pandemie und aufgrund einer günstigen Konjunktur sei die Wirtschaft generell gewachsen. «Also stieg die Suche nach Arbeitskräften generell.»

Was sich während der Pandemie akzentuiert hat: «Mehr alte Menschen treten aus dem Erwerbsleben aus, als junge Menschen eintreten», sagt Maienfisch. 

Wie kommen Unternehmen denn nun zu Arbeitskräften? «Sie müssen schauen, dass sie attraktiv sind – etwa in Sachen Lohn und Arbeitsbedingungen», sagt Maienfisch. «Wir können heute sagen, dass Arbeitnehmende gegenüber Arbeitgebenden in einer starken Position sind.»

Firmen müssen sich auf langfristigen Mangel einstellen

Liegt die Lösung nicht im Ausland? Wo Firmen potenzielle Arbeitnehmende rekrutieren können? Darauf könne man sich nicht verlassen, denn auch im angrenzenden Ausland herrscht ein akuter Mangel an Fachkräften – etwa in Pflegeberufen oder im Gastro-Gewerbe.

Auch Massnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie erschwingliche Kinderkrippen seien hilfreich, um Mütter zurück in den Arbeitsmarkt zu holen. Oder man motiviere die Angestellten über das Pensionsalter hinaus zu arbeiten, was jedoch nicht in jeder Branche gehe. «Doch können auch hiermit nicht alle Löcher gestopft werden: Die Unternehmen müssen sich mittelfristig auf einen gewissen Mangel an Arbeitskräften einstellen.»

Was geschieht, wenn der Fachkräftemangel weiterhin besteht? «Die Unternehmen sind gefordert. Sie müssen auch effizienter werden und beispielsweise die Digitalisierung vorantreiben», sagt Maienfisch. Nur auf diese Weise bleiben sie wettbewerbsfähig.

Deine Meinung interessiert uns

Spürst auch du, dass es der Schweizer Wirtschaft gut geht? Schreib einen Kommentar zum Thema.