Arbeitsmarkt Neue Studie zeigt: So profitiert die Schweiz von Einwanderung

tsha

8.6.2020

Grenzkontrollen im Tessin: Die Schweiz profitiert von Grenzgängern, so eine neue Studie.
Grenzkontrollen im Tessin: Die Schweiz profitiert von Grenzgängern, so eine neue Studie.
Bild: Keystone

Grenzgänger sorgen nicht nur für kulturelle Vielfalt. Einer neuen Studie zufolge haben sie auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

In unserer globalisierten Welt kann man es sich eigentlich kaum noch vorstellen. Aber es ist gerade einmal 50 Jahre her, dass in der Schweiz fast die Hälfte der Stimmbevölkerung – im Jahr 1970 waren das freilich nur die Männer –, für die sogenannte «Schwarzenbach-Initiative» stimmte.

Hätte die Initiative, die mit rassistischen Untertönen für sich warb, Erfolg gehabt, dann wäre der Ausländeranteil in der Schweiz auf zehn Prozent gedeckelt worden. Dass es nicht so kam, war eine Fragen von wenigen Prozentpunkten – «nur» 48 Prozent teilten die Angst vor den «braunen Söhnen des Südens», wie Initiator James Schwarzenbach gegen italienische Einwanderer hetzte. 

Die Angst vor einer angeblichen Überfremdung, sie ist auch heute noch lange nicht verschwunden. Die rassistische Keule wird allerdings nur noch selten so offensichtlich geschwungen wie einst; vielmehr geht es, etwa bei der Begrenzungsinitiative der SVP, vor allem um den Dauerbrenner Arbeitsplätze.

Wer am 27. September mit «Ja» stimme, so die Initiatoren, sorge dafür, dass «billige EU-Ausländer nicht mehr Schweizer Arbeitnehmende» ersetzten, heisst es im Begründungstext.

Eine Forschergruppe um Andreas Beerli und Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich hat nun untersucht, was an derartigen Argumenten dran ist. Wie die «NZZ» berichtet, haben sich die Forscher für ihre noch unveröffentlichte Studie eine Besonderheit zu Nutzen gemacht: Schweizer Firmen können bereits seit 2004 Grenzgänger so einfach anstellen wie Schweizer Bürgerinnen und Bürger; für EU-Ausländer ist das erst seit 2007 möglich.



Das hatte zur Folge, dass sich die Zahl der Grenzgänger innerhalb von 20 Jahren mehr als verdoppelt hat, während die seit 2004 bestehende Regelung keinen Einfluss auf die im Landesinneren gelegenen Teile der Schweiz hatte. Die Forscher konnten also untersuchen, wie sich der Arbeitsmarkt in Grenznähe entwickelte.

Ihr Fazit: In den Grenzgebieten, also dort, wo es viel Zuwanderung in den Arbeitsmarkt gibt, sanken weder die Löhne der Einheimischen noch ging deren Beschäftigung zurück. Ausserdem stiegen die Löhne von hochqualifizierten Schweizerinnen und Schweizern sogar um fünf Prozent an.

Immer besser qualifiziert

Vor der Liberalisierung, so die Erklärung der ETH-Forscher, seien Schweizer Unternehmen aus Branchen wie Informationstechnologie und Pharmaindustrie vom Fachkräftemangel in ihrem Wachstum ausgebremst worden. Erst die grosse Anzahl an Grenzgängern habe dieses Problem gelöst und dafür gesorgt, dass die betroffenen Unternehmen wieder mehr investiert hätten.

Ausserdem seien in Grenznähe wieder mehr Unternehmen gegründet worden. Managementposten seien dabei vor allem von Schweizerinnen und Schweizern besetzt worden, die so wiederum höhere Löhne erhalten hätten.

Zur Lohnentwicklung bei schlechter qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gebe die Studie keine klaren Antworten; es seien aber keine statistisch eindeutig gesicherten negativen Auswirkungen festgestellt worden.



Migration in Gebiete, die nicht an der Grenze liegen, hätten einen weiteren positiven Effekt, den Grenzgänger nicht brächten: Während letztere in der Schweiz nur wenig konsumierten, würde Einwanderung ins Inland auch den Konsum ankurbeln. Das wiederum habe positive Auswirkungen auch auf die dort beschäftigten Schweizerinnen und Schweizer.

Generell, so die Studienmacher, gelte: Die Einwanderer in die Schweiz sind immer besser qualifiziert, nicht nur in den Grenzgebieten. Mehr als die Hälfte derjenigen, die in die Schweiz kämen, brächten einen Hochschulabschluss mit – vor 40 Jahren sei es nicht einmal jeder Fünfte gewesen.

Das Fazit der Studie ist eindeutig: Zumindest in den Grenzregionen habe die Liberalisierung den Einheimischen nicht geschadet, sondern ihnen – im Gegenteil – mehrheitlich genutzt.

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