Erster SP-Kandidat Mustafa Atici will Bersets Bundesrats-Sitz erobern

gbi

5.7.2023

Ein erster SP-Politiker bekundet offen seine Ambitionen, für Alain Berset in den Bundesrat nachzurücken: Der Basler Nationalrat Mustafa Atici will sich für Menschen mit Migrationshintergrund einsetzen.

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  • Mustafa Atici will für Alain Berset in den Bundesrat nachrücken. Das gab der Basler SP-Nationalrat in einem Interview bekannt.
  • Er verstehe sich als Vertreter der Menschen mit Migrationshintergrund, sagt Atici, der als junger Mann aus der Türkei in die Schweiz kam.
  • Atici ist damit der erste SP-Politiker, der sich offiziell um die Berset-Nachfolge bewirbt.

Als Bundesrat Alain Berset am 21. Juni überraschend seinen Rücktritt per Ende Jahr bekannt gab, ging das Rätselraten sogleich los: Wer würde für den langjährigen Innenminister in der Landesregierung nachrücken?

An national bekannten Politiker*innen mangelt es der Partei nicht. Eine Kandidatur angekündigt hat bisher aber noch niemand – bis jetzt. Der Basler Nationalrat Mustafa Atici macht den ersten Schritt und seine Bundesrats-Ambitionen öffentlich. 

Seine Kandidatur kündigt Atici im Interview mit dem Newsportal «Primenews» an. Der 53-Jährige sitzt seit drei Jahren für die SP im Nationalrat. 

Er verstehe sich als Vertreter der Menschen mit Migrationshintergrund, sagt Atici, der als junger Mann aus der Türkei in die Schweiz kam. «Menschen aus erster und zweiter Generation machen fast 40 Prozent der Bevölkerung in diesem Land aus! Ihre Anliegen werden aber kaum wahrgenommen», kritisiert er im Interview. Jemand, der die Probleme dieses Bevölkerungsteils aus eigener Erfahrung kenne, könne sie gut repräsentieren.

Dass er nur Aussenseiterchancen hat, von der SP als offizieller Kandidat aufgestellt zu werden, sei ihm durchaus bewusst, räumt er ein. Doch es gehe ihm auch nicht um sich selbst, sondern «um die Sache». Atici erklärt: «Ich möchte erreichen, dass mehr über die politische Partizipation der ganzen Gesellschaft gesprochen wird.»

Wer ist sonst noch im Gespräch?

BEAT JANS

Dem früheren Nationalrat und heutigen Basler Regierungspräsidenten Beat Jans (Jahrgang 1964) wird das Format eines Bundesrats zugeschrieben. Jans gab nach Bersets Rücktrittsankündigung an, dass er sich eine Kandidatur über die Sommerferien gemeinsam mit seiner Familie überlegen werde. «Ich fühle mich geehrt, für das Amt des Bundesrats ins Spiel gebracht zu werden, und natürlich wäre das eine sehr faszinierende Aufgabe für mich», sagte er. Politbeobachter sehen Jans im Falle einer Kandidatur als einen der Favoriten auf den Regierungsposten. Er hätte auch rein aus regionalpolitischen Überlegungen gute Chancen. Der Kanton Basel-Stadt war schon lange nicht mehr im Bundesrat vertreten.

JON PULT

Der Bündner Nationalrat Jon Pult (Jahrgang 1984) möchte sich «sorgfältig und in aller Ruhe» eine Bundesratskandidatur überlegen, wie er nach Bersets Rücktrittsankündigung bekanntgegeben hat. Er sei von vielen für die Berset-Nachfolge ins Spiel gebracht worden und wolle im Herbst entscheiden, nachdem seine Partei und die Fraktion das Nominationsverfahren bestimmt hätten. Bis dahin wolle er sich darauf konzentrieren, die Wiederwahl in den Nationalrat zu schaffen. Pult gilt als eines der grössten Talente der SP und als guter Rhetoriker. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zum Vizepräsidenten.

MATTHIAS AEBISCHER

Der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (Jahrgang 1967) überlegt sich eine Kandidatur für den Bundesrat. Es freue ihn, dass sein Name vielerorts ins Spiel gebracht worden sei, sagte er nach Bersets Rücktrittsankündigung. Aebischer möchte sich im Sommer Zeit nehmen, um über eine mögliche Kandidatur nachzudenken. Er müsse einige Gespräche führen und werde dies in aller Ruhe tun. Vor seiner Zeit im Nationalrat war Aebischer unter anderem Moderator verschiedener Sendungen beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF und erlangte dadurch in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit.

TAMARA FUNICIELLO

Die Co-Präsidentin der SP-Frauen, Tamara Funiciello (Jahrgang 1990), erwägt eine Kandidatur als Nachfolgerin von Bundesrat Alain Berset. Es sei eine Tür, die nicht oft aufgehe, und man müsse das prüfen, sagte die Berner Nationalrätin und ehemalige Juso-Präsidentin. Die schweizerisch-italienische Doppelbürgerin will den Entscheid im Sommer treffen. Vor ihrer Zeit als Juso-Präsidentin arbeitete sie als Lagermitarbeiterin, Büro- und Serviceangestellte sowie als Gewerkschaftssekretärin.

DANIEL JOSITSCH

Der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch (Jahrgang 1965) hatte bereits Interesse nach dem Sommaruga-Rücktritt geäussert. Er holte trotz reinem SP-Frauenticket bei der Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung in den ersten Wahlgängen zahlreiche Stimmen. Nun überlegt er sich eine offizielle Kandidatur für die Berset-Nachfolge: «Ich werde mir das nach Rücksprache mit meinem Umfeld und der Parteispitze der SP Kanton Zürich überlegen und anschliessend kommunizieren», sagte er. Für ihn als Bundesrat spricht unter anderem seine Erfahrung in Bundesbern und seine urbane Herkunft. Jositsch gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP.

CÉDRIC WERMUTH

Offen ist, ob sich Cédric Wermuth (Jahrgang 1986) als Co-Präsident der SP eine Kandidatur vorstellen könnte. Der Aargauer Nationalrat liess sich bisher nicht in die Karten blicken. Er konzentriere sich auf den bevorstehenden Wahlkampf seiner Partei, sagte er nur. Wermuth brächte zweifelsfrei die Erfahrung und das politische Gewicht mit, um selber zu kandidieren. Er gilt auch als guter Redner und spricht sehr gut Französisch.

EVA HERZOG

Die Basler Ständerätin und frühere Finanzdirektorin Eva Herzog (Jahrgang 1961) war im Dezember bei der Sommaruga-Nachfolge als Favoritin gehandelt worden, unterlag aber schliesslich gegen Elisabeth Baume-Schneider. Sie will eine erneute Kandidatur als Bundesrätin nicht ausschliessen, wie sie sagte. «Ich habe Zeit, mir das zu überlegen», sagte sie. Herzog soll im nächsten Jahr das Ständeratspräsidium übernehmen. Als Vertreterin eines Stadtkantons und einer starken Wirtschaftsregion würde Herzog wiederum gute Argumente für ein Amt im Bundesrat mitbringen.

EVI ALLEMANN

Die Berner Regierungsrätin und frühere Nationalrätin Evi Allemann (Jahrgang 1978) hatte sich vergangenes Jahr entschieden, für den freigewordenen Sommaruga-Sitz zu kandidieren. Sie unterlag damals in der internen Ausmarchung Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider. Nach der Rücktrittsankündigung von Berset hat Allemann erneut ihr Interesse am Bundesratsamt angemeldet. Verantwortung als Bundesrätin zu übernehmen, reize sie nach wie vor. Ob sie ins Rennen um einen Bundesratssitz steige, entscheide sie im Herbst, wenn Partei und Fraktion das Anforderungsprofil verabschiedet hätten, liess Allemann verlauten.

MATTEA MEYER

Für die Zürcher Nationalrätin Mattea Meyer (Jahrgang 1987) gilt dasselbe wie für ihren Co-Parteichef Cédric Wermuth: Vor einer möglichen Bundesratskandidatur gelte es, die SP erfolgreich durch den Wahlherbst zu führen. Bei der Sommaruga-Nachfolge im vergangenen Jahr hatte sie mit Verweis auf ihr Parteiamt auf eine Bundesratskandidatur verzichtet. Nach der Rücktrittsankündigung Bersets machte sie keine weiteren Angaben zu ihren persönlichen Ambitionen.

SAMIRA MARTI

Auch die Baselbieter Nationalrätin Samira Marti (Jahrgang 1994) hätte laut Politbeobachtern das Zeug für eine Bundesrätin. Sie hat bereits einen steilen politischen Aufstieg hinter sich und amtet als Fraktionsvizepräsidentin. Es ist gut möglich, dass sie sich als Nachfolgerin von Fraktionschef Roger Nordmann aufstellen lässt - und damit weitere Erfahrung sammelt, bevor sie möglicherweise später für noch höhere Aufgaben bereit ist.

FABIAN MOLINA

Eine mögliche Kandidatur prüft laut den Tamedia-Zeitungen auch der Zürcher Nationalrat Fabian Molina (Jahrgang 1990). Der ehemalige Juso-Präsident rückte im März 2018 als Nationalrat nach, nachdem Tim Guldimann überraschend seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. Bei den Nationalratswahlen 2019 konnte Molina seinen Sitz verteidigen. Seit 2017 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Hilfswerk Swissaid und seit Juni 2019 Co-Präsident der Entwicklungsorganisation.

PRISCA SEILER GRAF

Ebenfalls nicht ausschliessen will die Zürcher Nationalrätin und und Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich Prisca Seiler Graf Ambitionen für die Berset-Nachfolge. Von 2005 bis 2015 war Seiler Graf (Jahrgang 1968) Kantonsrätin. 2015 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Die dreifache Mutter hatte im Januar 2020 zusammen mit dem Walliser Nationalrat Mathias Reynard erfolglos für das Präsidium der SP Schweiz kandidiert.

Wer hat abgesagt?

FLAVIA WASSERFALLEN

Die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen (Jahrgang 1979) hatte sich im vergangenen Jahr eine Bundesratskandidatur überlegt, verzichtet aber wie damals nun auch auf das Rennen um die Berset-Nachfolge. Sie hat sich für die Ständeratskampagne entschieden, wo sie den Berner SP-Sitz des abtretenden Hans Stöckli verteidigen will.

Bersets Seitenhieb gegen Maurer

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21.06.2023