Streit um Bührle-SammlungKünstlerin will ihre Werke vom Kunsthaus zurückkaufen
Von Lukas Meyer
22.12.2021 - 15:40
Die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn will ihre Werke aus dem Kunsthaus Zürich abziehen. Auslöser dafür ist die Diskussion um die umstrittene Bührle-Sammlung – die Kritik an den Verantwortlichen hört nicht auf.
Von Lukas Meyer
22.12.2021, 15:40
22.12.2021, 17:56
Lukas Meyer
Nächste Runde in der Diskussion um die Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich: Die Basler Künstlerin Miriam Cahn will ihre Werke von dort «abziehen». Als Jüdin wolle sie nicht mehr in diesem Zürcher Kunsthaus vertreten sein, erklärte Cahn in einem Schreiben an das jüdische Wochenmagazin «Tachles».
Seit den 80er-Jahren besitzt das Kunsthaus Zürich Werke von Cahn – insgesamt sind es 44, wobei es sich bei 13 davon um Dauerleihgaben der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde handelt, wie Kunsthaus-Sprecher Björn Quellenberg SRF sagt. Nun will die 72-Jährige diese mithilfe ihrer Galerien zurückkaufen, und zwar zum Originalpreis des Ankaufs.
Den Ausschlag gegeben habe die Medienkonferenz von Kunsthaus und der Stiftung E. G. Bührle von vergangener Woche. Diese beharrten dabei auf ihren Positionen und wiesen Kritik am Dokumentationsraum und an der Provenienzforschung zurück.
Das Kunsthaus wurde von Cahn noch nicht direkt kontaktiert. Dem «Tages-Anzeiger» sagte Sprecher Björn Quellenberg: «Ein Werk, das dem Kunsthaus verkauft worden ist und sich im Eigentum der Zürcher Kunstgesellschaft befindet, kann nicht ‹zurückgezogen› werden.»
Gegenüber SRF wollte Quellenberg nicht über die Konditionen des Angebots von Cahn spekulieren. Er betonte, dass ein Verkauf von Kunst durch das Kunsthaus eine absolute Ausnahme wäre. Weiter hob er die Bedeutung von Miriam Cahn und ihrer Werke hervor: «Natürlich würden wir diese ungerne ziehen lassen.»
Vor allem die für Cahn antisemitischen Aussagen von Stiftungspräsident Alexander Jolles stiessen ihr sauer auf. Diese zeigten einen fundamentalen Mangel an Geschichtskenntnissen, Geschichtsbewusstsein und Sensibilität. Dieser weist die Kritik zurück, wie er dem «Tages-Anzeiger» sagte. Er bedaure es, falls der Eindruck entstanden sein sollte, dass er sich antisemitisch geäussert habe.
Befreiungsschlag versucht
Vergangene Woche versuchten Kunsthaus und Stiftung mit einer Medienkonferenz einen Befreiungsschlag, nachdem die nationale und internationale Kritik nicht verstummt war. Als einziges Zugeständnis wurde die Einsetzung eines unabhängigen Expertengremiums angekündigt. Dieses soll untersuchen, ob die Provenienzforschung für die Sammlung richtig betrieben wurde und die Ergebnisse korrekt präsentiert. Das Kunsthaus reagiert damit auf eine Forderung von Kanton und Stadt Zürich.
Das grösste Kunstmuseum der Schweiz öffnet seine Tore
Viel Marmor, Beton und Platz: Dank des Erweiterungsbaus wächst die Ausstellungsfläche um rund 80 Prozent.
Bild: Keystone
Der Britische Architekt David Chipperfield machte sich bereits mit anderen Museumsbauten einen Namen.
Bild: Keystone
Total kostete der Erweiterungsbau über 200 Millionen Franken.
Bild: Keystone
Ab Samstag kann die Öffentlichkeit nicht nur die Fassade des Hauses, sondern auch die Kunst darin bestaunen.
Bild: Keystone
Die Kunst ist umstritten. So zeigt das Kunsthaus neu die Sammlung Bührle. Der Waffenhändler sammelte über Jahrzehnte wertvolle Kunstschätze.
Bild: Keystone
Die Bührle-Sammlung erhält einen Dokumentations-Raum, der die Geschichte des Waffenfabrikanten aufarbeiten soll. Doch reicht dies?
Bild: Keystone
Von Aussen wirke der Bau nicht sehr einladend. Er sei zu gross und nicht sonderlich kreativ: Ein Monolith am Zürcher Heimplatz, monieren Kritiker*innen.
Bild: Keystone
Das grösste Kunstmuseum der Schweiz öffnet seine Tore
Viel Marmor, Beton und Platz: Dank des Erweiterungsbaus wächst die Ausstellungsfläche um rund 80 Prozent.
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Total kostete der Erweiterungsbau über 200 Millionen Franken.
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Ab Samstag kann die Öffentlichkeit nicht nur die Fassade des Hauses, sondern auch die Kunst darin bestaunen.
Bild: Keystone
Die Kunst ist umstritten. So zeigt das Kunsthaus neu die Sammlung Bührle. Der Waffenhändler sammelte über Jahrzehnte wertvolle Kunstschätze.
Bild: Keystone
Die Bührle-Sammlung erhält einen Dokumentations-Raum, der die Geschichte des Waffenfabrikanten aufarbeiten soll. Doch reicht dies?
Bild: Keystone
Von Aussen wirke der Bau nicht sehr einladend. Er sei zu gross und nicht sonderlich kreativ: Ein Monolith am Zürcher Heimplatz, monieren Kritiker*innen.
Bild: Keystone
Doch der Grossteil der Sammlung des deutsch-schweizerischen Industriellen Emil G. Bührle (1890–1956) sei unproblematisch, hielt Stiftungsdirektor Lukas Gloor erneut fest. Bührle habe zwar mit Nazis Geschäfte und Geld gemacht: «Eine Nazi-Kunstsammlung hat er uns deswegen aber nicht hinterlassen.»
Beim Grossteil der 203 Werke ist laut Gloor restlos geklärt, wer diese wann und wo besessen habe. Bei den übrigen bestünden zwar gewisse Lücken, doch deute aus Sicht der Stiftung nichts auf einen Zusammenhang mit NS-Raubkunst hin.
Der Israelitische Gemeindebund (SIG) kritisierte bereits nach der Medienkonferenz die «wenig sensible erneute Positionierung» von Kunsthaus und Stiftung und bezeichnete den Umgang mit der Bührle-Sammlung als «erschreckend».
Debatte neu lanciert
Mit der Integration der privaten Sammlung E. G. Bührle als Dauerleihgabe ans Kunsthaus wurde die Debatte um Raub- oder Fluchtkunst in diesem Herbst neu lanciert. In der Folge wurden die ausgestellten Bührle-Bilder mit QR-Codes ergänzt, die zur Herkunftsforschung führen, welche die Sammlung selber betrieb.
Es besteht der Verdacht, dass die Sammlung auch Raubkunst aus der Zeit des Nationalsozialismus enthält. Bührle war durch Waffengeschäfte während und nach dem Zweiten Weltkrieg zum damals reichsten Mann der Schweiz geworden. Bührle lieferte Waffen auf beide Seiten, sowohl an Nazideutschland als auch an die Alliierten.
Internationale Kritik
Der Umgang von Kunsthaus und Stiftung mit der Sammlung sorgte in den vergangenen Monaten für Kritik. Renommierte internationale Medien wie die «New York Times» beleuchteten die Hintergründe, und Mitglieder der Bergier-Kommission bezeichneten die aktuelle Situation in Zürich als «Affront gegenüber potenziellen Opfern von Raubgut».
Der Neubau sollte die Stadt Zürich auch als Kulturmetropole aufwerten. Doch seien Erinnerungskultur und Forschungsfreiheit unter den «Druck einer neoliberalen Standortpolitik» gekommen, berichtete etwa die ARD. So hat nun dafür eine breite Öffentlichkeit verstanden, dass «die aktuelle Situation unhaltbar ist», wie Historiker Jakob Tanner resümierte.