50 Jahre nach dem Attentat auf Martin Luther King in einem Motel in Memphis ist dessen Freiheitskampf längst nicht ausgefochten. Dies sagt Serge Molla, ein Kenner der Gallionsfigur der zivilen Bürgerrechtsbewegung in den USA, im Interview.
Der Traum, der am 28. August 1963 das ganze Land erfasst hatte, sei mit der Wahl des ersten farbigen Präsidenten längst nicht realisiert, sagt Molla, der eben ein neues Buch über den amerikanischen Pastor publiziert hat. Allerdings spiegle sich King's Vermächtnis zweifellos auch in Barack Obamas Wahl und Präsidentschaft.
Obama habe zwar während zweier Amtszeiten versucht, Fragen und Forderungen jener aufzunehmen, denen das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu wenig gegeben habe. Gelungen sei ihm dies jedoch kaum. Der Traum, den King beschworen habe, sei noch weit weg von seiner Realisierung.
Vorwurf der Naivität
Für viele möge die Ablehnung des Vietnamkrieges durch den schwarzen Geistlichen naiv gewesen sein. Aber Martin Luther King habe die Ereignisse nicht in erster Linie aus politischer Sicht beurteilt, so der Waadtländer Autor.
King stehe für einen unorthodoxen Blick auf Entwicklungen: "Der Vietnamkrieg ist nur ein Symptom für eine viel tiefer liegendes Malaise im amerikanischen Bewusstsein, sagt der Bürgerrechtskämpfer. Ein Land, das laufend viel mehr für seine militärische Verteidigung ausgibt, als für den sozialen Fortschritt, riskiert den spirituellen Tod."
In den USA seien zwei Figuren nicht wegzudenken, wenn es um die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weissen gehe: Malcolm X und Martin Luther King. Mit Letzterem habe sich das Establishment allerdings noch eher arangieren können, so Molla.
King werde auf immer verbunden sein mit seiner Rede "I have a dream", die er im Sommer 1963 in Washington vor einer Viertel Million Menschen gehalten hatte. Hinter der Botschaft konnte sich jeder US-Bürger wiedererkennen; eine Botschaft, die laut Molla den amerikanischen Traum mit der christlichen Heilslehre in ihrem breitesten gemeinsamen Sinn erfasste.
Dringliche Fragen bleiben
Die Fragen, mit denen King die amerikanische Gesellschaft konfrontierte, blieben bis heute dringlich, ergänzt Molla. Namentlich die Integration von Migranten, die sowohl die USA wie Europa mit seinen Flüchtlingsströmen betreffe.
Zu Kings Erben gehört etwa die Kampagne "Black Lives Matter", die Polizeigewalt gegen Schwarze anprangert. Auch 50 Jahre nach King's Tod bleibt die Rassenfrage aktuell.
Für Molla ist schwierig zu beurteilen, ob King nun eher ein politischer oder religiöser Mensch war. Der schwarze Bürgerrechtskämpfer selber gibt zumindest einen Teil der Antwort. Er sieht sich nicht als ausgesprochen politischen Menschen.
1967 kursierte das Gerücht, King könnte sich an der Seite des berühmten Kinderarztes Spock in den Präsidialwahlkampf stürzen. Er sehe sich nicht in der politischen Rolle, war Kings Antwort: "Ich schätze, ich muss eher der Diener aller Parteien sein, und nicht Kandidat für die Präsidentschaft."
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