Betrug Wie eine bekannte Schweizerin in die Fänge der Mafia geriet

Silvana Guanziroli

11.12.2018

Der Täter hat sein Opfer bei einem Rip Deal um 86'000 Franken erleichtert.
Der Täter hat sein Opfer bei einem Rip Deal um 86'000 Franken erleichtert.
Keystone

Eine bekannte Schweizer Persönlichkeit schrieb die eigene Villa im Internet zum Kauf aus – und wurde am Ende um 86'000 Franken abgezockt. Es ist ein krasser Fall. Mit «Bluewin» spricht die Betroffene erstmals darüber.

Die Frau* ist immer wieder Gast in TV-Sendungen, sie ist in ihrem Fachgebiet eine Koryphäe. Selbstsicher tritt sie auf, wirkt, als könne sie nichts einschüchtern. Doch dieses Ereignis hat sie fast aus der Bahn geworfen. «Bis heute ist diese Geschichte ein dunkler Fleck in meinem Leben», beschreibt sie ihre Gefühle. Immer wieder fragt sie sich, wie sie so naiv in die Falle hatte tappen können und – «hatte ich einfach nur Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist?»

Sie will nun ihre Geschichte erzählen, dies mit dem Ziel, endlich innerlich mit dem Fall abzuschliessen. Ganz wagt sie den Gang an die Öffentlichkeit jedoch nicht. «Ich befürchte, meine politischen Gegner verwenden den Vorfall gegen mich», erklärt sie die Beweggründe, ihre Identität geheim zu halten. «Doch es ist mir wichtig, den Gaunern das Handwerk zu legen und andere vor ihnen zu warnen.» Deshalb hat sie auch juristisch die Zügel in die Hand genommen. «Ich habe bei der Zürcher Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet.» 

Über Immobilien-Plattform angeschrieben

Die Geschichte der Frau beginnt vor rund zehn Jahren. Damals kauft sie sich eine baufällige Villa in der Westschweiz. Während Jahren steckt sie viel Geld, Arbeit und Herzblut in die Immobilie. «Tatsächlich hat das fast alle meine Ersparnisse verschlungen», sagt sie. 

Im Mai 2008 entschliesst sich zum Verkauf der Immobilie. Ihre Kundenberaterin bei der Bank unterstützt sie und inseriert die Villa auf der Immobilien-Plattform «Homegate». Mehrere Anfragen gehen ein, mehrere Telefonate werden geführt. Zunächst gibt es keine konkreten Kaufangebote. Bis zu diesem einen Interessenten.

«Er nannte sich Kirilo Kostatin und gab an, dass ein Investor namens Andrei Bellow das Haus kaufen möchte», so die Frau. Der Mann erklärt in beinahe perfektem Deutsch, er sei Geschäftsmann und lebe in Berlin. Über mehrere Tage pflegt er intensiven Kontakt mit der Bankberaterin, über Mail, aber auch telefonisch. «Schliesslich bot er an, der Investor Bellow würde das Haus für drei Millionen Franken kaufen.»

Kostatin bittet die Frau um ein Treffen in Mailand. «Er wollte die Reservationssumme von 300'000 Franken zahlen und gleichzeitig die Kaufreservation unterschreiben. Das machte durchaus Sinn», erinnert sie sich. «Dann bat er mich um einen Gefallen. Er sagte, er brauche Schweizer Franken und fragte, ob ich ihm 70'000 mitbringen könnte, für die ich im Gegentausch Euro bekäme.» Die Frau sucht bei der Bankberaterin um Rat und wird beruhigt. «Sie sagte mir, dass solche Geschäfte durchaus üblich seien. Ich vertraute ihr.»

Rolex-Uhr per Telefon bestellt

Es wird ein Treffen vereinbart. Kurz bevor sie mit der Bankberaterin nach Italien fährt, meldet sich Kostatin erneut telefonisch. «Er erzählte etwas von einer Rolex-Uhr, die in Italien nicht erhältlich sei. Er wünsche sich eben so sehr dieses eine Modell und er würde uns das Geld selbstverständlich zurückzahlen», so die Frau. «Was ich heute kaum mehr glauben kann: Ich fuhr tatsächlich an die Bahnhofstrasse und kaufte diese Uhr.» Kostenpunkt: 16'150 Franken. 

Mit dieser Kaufbestätigung hat das Opfer bei der Polizei Anzeige erstattet. 
Mit dieser Kaufbestätigung hat das Opfer bei der Polizei Anzeige erstattet. 
zvg

Einen Tage später steigen die beiden Frauen in Mailand aus dem Zug. Im Gepäck 70'000 Franken in bar – und die gekaufte Rolex. Sie machen sich auf zum Treffpunkt, dem «Doria Grand Hotel» ganz in der Nähe der Stazione Centrale. «Ich kann mich noch gut erinnern, dass mir mulmig zumute war, doch nicht genug, um einfach wieder nach Hause zu fahren», sagt sie. 

Die gestohlene Rolex sah in etwa wie dieses Modell aus. Sie wird jetzt durch die Polizei zur Fahndung ausgeschrieben.
Die gestohlene Rolex sah in etwa wie dieses Modell aus. Sie wird jetzt durch die Polizei zur Fahndung ausgeschrieben.
zvg

In der Hotellobby kommt es zum Treffen. «Ein zirka 35 Jahre alter, eher kleiner Mann stellte sich uns als Bellow vor. Er trug einen dunklen Anzug, hatte dunkle Haare und wirkte auf den ersten Blick sehr vertrauenswürdig», so die Frau. Nach der ersten Begrüssung sei der Mann dann aber schnell aufs Geschäftliche zu sprechen gekommen. «Er legte uns die unterschriebene Kaufreservation vor und verlangte im Gegenzug das Geld und die Uhr.» Die Frau überreicht ihm beides. Bellow fordert sie auf, ihn nach draussen zu begleiten, weil er die Tausch-Euros noch bei der gegenüberliegenden Bank abheben müsse. «Und dann ging alles ganz schnell. Plötzlich drehte er sich um, rannte zu einem kleinen Fiat, stieg ein und der wartende Fahrer raste mit ihm davon. Ich stand wie versteinert einfach nur da, konnte mir aber immerhin noch die Autonummer merken.»

In diesem Hotel in Mailand, in der Nähe des Hauptbahnhofes, kam es zur eigentlichen Abzocke. Die Täter klauten der Frau 70'000 Franken in bar und eine Rolex.
In diesem Hotel in Mailand, in der Nähe des Hauptbahnhofes, kam es zur eigentlichen Abzocke. Die Täter klauten der Frau 70'000 Franken in bar und eine Rolex.
Street View

Die Bankangestellte greift schliesslich zum Telefon, ruft den Täter an und versucht, ihn zu Vernunft zu bringen. «Da drohte er uns. Er sagte, es würde Schlimmes passieren, wenn wir nicht in den Zug zurück in die Schweiz steigen würden. Wir hatten grosse Angst.»

Aus Scham und Schuldgefühl Tat verdrängt

Seit dem Vorfall ist einige Zeit verstrichen. «Aus Scham und Schuldgefühl versuchte ich, die Tat zu verdrängen. Ich glaubte, ich müsse in den sauren Apfel beissen und einfach hinnehmen, dass ich so viel Geld verloren habe.»

Doch es gibt einen weiteren Grund, weshalb sie erst jetzt eine Anzeige machen will. Die Bankberaterin. «Sie hatte Angst, dass sie wegen des Verfahrens ihre Stelle verlieren könnte. Und das wollte ich ihr nicht antun.» Doch sie müsse jetzt eben an sich selbst denken. «Ohne dieses Handeln lässt mich der Fall sonst nie mehr los.»

Denn mittlerweile weiss die Frau: Sie ist längst nicht das einzige Opfer. Die Täter operieren in ganz Europa. Das Landeskriminalamt im österreichischen Linz bestätigt der Frau: «Mit den von Ihnen zum Rip Deal bekannt gegebenen Daten kann eine Überschneidung zu anderen Fällen hergestellt werden. Die von Ihnen genannte Telefonnummer kommt in einem weiteren Fall vor, Geschädigter war ebenfalls ein Schweizer Staatsbürger.» Und: «Ende 2011/Anfang 2012 konnten fünf Täter festgenommen werden, von denen wir annehmen, dass diese aus dieser Gruppierung kommen.»

Die Frau hofft mit ihrer Anzeige, dass die Rolex zur Fahndung ausgeschrieben wird. «Vielleicht kommen wir so diesem Betrüger auf die Spur. Sollte er bis jetzt von der Justiz verschont geblieben sein, dann ist es höchste Zeit, dass er seine gerechte Strafe bekommt.»

* Name der Redaktion bekannt

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite