Heftige Niederschläge im Süden «Langfristig war das nur ein Tropfen auf den heissen Stein»

Von Andreas Fischer

21.4.2023

Immerhin hat der Kaltlufttropfen die Waldbrandgefahr gesenkt: Doch die Trockenheit ist nach dem nasskalten Winter-Comeback in Südbünden und im Tessin noch lange nicht vorbei.

Von Andreas Fischer

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die ergiebigen Niederschläge gestern und heute in Graubünden und im Tessin sind für die Jahreszeit nicht ungewöhnlich.
  • Verantwortlich dafür war ein sogenannter Kaltlufttropfen: eine besondere Form von Tiefdruckgebiet.
  • Langfristig reichen die Niederschläge nicht aus, um die Trockenheit in der Region zu beenden.

Der Winter hat sich gestern Abend und heute im Tessin und in Graubünden eindrücklich zurückgemeldet. Auch wenn ergiebige Schneefälle in höheren Lagen teils zu erschwerten Bedingungen auf der Strasse geführt haben: Niederschlag ist in der von Trockenheit geplagten Südschweiz prinzipiell willkommen. Aber langfristige Entwarnung gibt es nicht.

«Es ist im April nichts Ungewöhnliches, dass es weit hinunterschneit. Das kommt auch im Süden durchaus vor. Auch grössere Schneemengen sind zu dieser Jahreszeit langfristig betrachtet nichts Spezielles», erklärt Meteorologe Roger Perret von MeteoNews gegenüber blue News.

Auf den ersten Blick ungewöhnlich ist, dass das Tief mit den Niederschlägen von Ost nach West gezogen ist. Normalerweise bewegen sich Tiefdruckgebiete in die andere Richtung. Doch Perret erklärt, dass es sich hierbei um einen sogenannten Kaltlufttropfen handelt: ein geschlossenes Gebiet mit sehr kalter Luft in etwa 5,5 Kilometern Höhe.

Das Phänomen «Kaltlufttropfen»

Dieses Höhentief, wie es Meteorologen bezeichnen, «zog knapp nördlich unseres Landes mit einer östlichen Grundströmung nach Westen weiter». Dadurch gab es eine Südströmung über den Alpen mit den kräftigen Niederschlägen im Tessin und in Graubünden: «Die Stauniederschläge an der Alpensüdseite sind eine normale Konsequenz des Höhentiefs.»

Kaltlufttropfen kommen immer wieder vor, erklärt Perret. Vor allem im Frühling oder im Herbst «schwirren diese Teile umher, gerade auch um Ostern. Deshalb nennen wir sie Ostereier.» Dass der Süden kühl und verregneter ist als der Rest der Schweiz, ändere sich in den nächsten Tagen aber wieder. Ende der kommenden Woche sorge die Strömung dafür, dass der Süden wieder besser wegkommt als der Norden.

Mit Blick auf die Trockenheit im Süden sind das keine guten Nachrichten. Zwar haben die grösseren Niederschlagsmengen von lokal bis über 70 Liter pro Quadratmeter für eine kurzzeitige Entspannung gesorgt. «Langfristig war das nur ein Tropfen auf den heissen Stein», erklärt Perret. «Es ist nicht so, dass wegen der aktuellen Niederschläge die totale Entspannung eingetreten ist.»

«Das Niederschlagsdefizit ist gewaltig»

Die letzte vergleichbare Niederschlagsmenge hatte es im Tessin Anfang Dezember 2022 gegeben. «In diesem Jahr gab es solch ein Niederschlagsereignis noch gar nicht», sagt Perret. Immerhin: «Die Waldbrandgefahr wurde heruntergestuft, das Feuerverbot ist aufgehoben. Das zeigt, dass es zumindest ein wenig genützt hat.» Langfristig aber sei es immer noch viel zu trocken: «Wenn man sich das Wetter im Frühling anschaut, dann ist das Niederschlagsdefizit gewaltig.»

In den nächsten Tagen geht es in der gesamten Schweiz zwar sehr wechselhaft weiter, sagt Perret. Nennenswerte Niederschläge sind im Süden dennoch nicht mehr zu erwarten: «Lediglich am Sonntag und in der Nacht auf Montag kann es Schauer und kleinere Gewitter geben: Aber mehr als 20 Liter pro Quadratmeter werden es nicht.»

Im Norden hingegen ziehen immer mal wieder Störungen durch, die dann auch Regen mitbringen: «In Summe gibt es auf der Alpennordseite mehr Niederschlag als im Süden, aber auch nicht übermässig viel.»

Der Winter kam kurz noch mal in San Bernardino GR vorbei und brachte Schnee mit. Mit viel mehr Niederschlägen ist in den nächsten Tagen in der Südschweiz aber nicht mehr zu rechnen.
Der Winter kam kurz noch mal in San Bernardino GR vorbei und brachte Schnee mit. Mit viel mehr Niederschlägen ist in den nächsten Tagen in der Südschweiz aber nicht mehr zu rechnen.
Webcam/scisanbernardino.ch