Lehrermangel Laien im Schulzimmer entlasten ihre Kolleg*innen kaum

smi

25.10.2022

Lisa Siegenthaler ist noch im Studium zur Primarlehrerin, unterrichtet aber bereits im Kanton Bern. Neben ihr stehen auch viele Personen ohne entsprechende Ausbildung im Schuldienst.
Lisa Siegenthaler ist noch im Studium zur Primarlehrerin, unterrichtet aber bereits im Kanton Bern. Neben ihr stehen auch viele Personen ohne entsprechende Ausbildung im Schuldienst.
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Weil in der Schweiz Lehrkräfte knapp sind, dürfen seit kurzem auch Personen ohne entsprechendes Diplom unterrichten. Die Belastung des ausgebildeten Personals hat dadurch nicht abgenommen.

smi

Die neuen Lehrkräfte an den Schweizer Schulen sind Betriebswirtin, Umweltnaturwissenschafter oder Kinderbetreuerin, um nur einige Beispiele zu nennen. Seit diesem Schuljahr können Personen ohne Lehrdiplom an Schweizer Schulen unterrichten. Eine Studierende der Pädagogischen Hochschule berichtet dem «Tages-Anzeiger» überdies, alle ihre Kommiliton*innen hätten bereits eine Festanstellung als Lehrperson.

Wie viele Fachfremde in Schweizer Schulzimmern unterrichten ist unklar, niemand sammelt die Zahlen landesweit. Im Kanton Zürich sind es laut Volksschulamt rund 530, von insgesamt 18'000 Lehrpersonen, wie die «Tamedia-Zeitungen» schreiben. In Basel sind es laut Telebasel 426, 21 Prozent aller Sekundarlehrer*innen hätten keine entsprechende Ausbildung, an den Primarschulen seien es 12 Prozent. Im Kanton Bern habe jede zehnte Lehrperson keine adäquate Qualifikation.

Der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband hat sich laut «Tages-Anzeiger» ein Bild gemacht, indem er Fragebogen an alle 400 öffentlichen Primar- und Sekundarschulen schickte. Der Rücklauf: 60 A4-Seiten mit Kommentaren zur Situation. 20 Prozent hätten gemeldet, dass nicht alle offenen Stellen mit qualifizierten Berufsleuten hätten besetzt werden können, wobei einige schlicht offen blieben.

Wie Schulen die Personalnot umschiffen

Es gibt auch andere Massnahmen, um personelle Engpässe zu umschiffen und alle Schulstunden abhalten zu können. So übernehmen in vielen Schulen Lehrpersonen Lektionen ausserhalb ihres Fachgebiets, sei es dass ein Mathematiklehrer Französisch unterrichtet oder eine Primarlehrerin an der Sekundarschule einspringt. Zudem werden Klassen vergrössert oder Fächer zusammengelegt, wie das SRF zusammengetragen hat.

Unter besonderer Beobachtung stehen die Lehrerinnen und Lehrer ohne pädagogische Ausbildung. Wie gut sie ihre Sache im Schulzimmer machen, lässt sich von aussen nicht beurteilen. Zumindest sind seit Beginn des Schuljahres 2022-2023 noch keine massiven Reklamationen öffentlich geworden.

Die Laien im Schulzimmer werden in vielen Schulen von erfahrenen Lehrkräften unterstützt. Der Tages-Anzeiger porträtiert einen auf die 60 zugehenden Umweltwissenschafter, der seit kurzem in einer Berner Primarschule unterrichtet. Ein routinierter, ausgebildeter Kollege fungiert als sein Coach.

Der Druck auf angestellten Lehrpersonen  bleibt hoch

Der Aargauische Lehrerverband meldet eine Häufung von Lehrpersonen, die gesundheitlich angeschlagen seien oder an einem Burn-out litten. Das liege auch daran, dass sich Lehrer*innen zweimal überlegten, ob sie zuhause bleiben können, wenn sie sich nicht gut fühlen, da jeder Ausfall von den verbleibenden Kolleg*innen kompensiert werden muss.

Dazu passt die Aussage des Berner Lehrers, der den Umweltwissenschafter als Primarlehrer coacht. Er erhalte für diese zusätzliche Aufgabe etwas mehr Lohn, sodass er eigentlich sein Pensum reduzieren könnte. Das sei an der kleinen Schule aber nicht möglich.

Lehrpersonen ohne Diplom, die von qualifizierten Kolleg*innen unterstützt werden, sind wohl nicht der Grund, weshalb die Belastung des Lehrpersonals weiterhin hoch ist. Eher sind sie insgesamt zu wenige, um den Personalmangel auszugleichen.