Altlasten im ZürichseeKanton will radioaktiven Abfall zuschütten statt bergen
toko
22.11.2023
Der Kanton Zürich will ein stark belastetes Gebiet am Grund des Zürichsees nicht etwa reinigen, sondern zuschütten. Das sorgt bei der Bevölkerung für Empörung — zudem ist unklar, ob das Vorgehen rechtmässig ist.
toko
22.11.2023, 14:20
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Trotz einer laufenden Seegrundsanierung ist der Grund des Zürichsees nach wie vor belastet.
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass der Kanton ein verbliebenes, stark belastetes Areal nicht etwa ebenso reinigen, sondern mit Sand und Kies überdecken will.
Dies sorgt bei der Bevölkerung für Unmut. Anwohner streiten mit dem Kanton vor dem Baurekursgericht.
Die Idylle des Zürichsees täuscht ein wenig darüber hinweg, dass dessen Grund noch immer verschmutzt ist. Nahe der ehemaligen Chemiefabrik in Uetikon am See liegen giftige und teils radioaktive Schwermetalle. Während der rund 150 Jahren Säure- und Düngemittelproduktion sammelten sich unter anderem Arsen, Blei, Radium und Uran an, die über das Abwasser in den See gelangten.
Der Grossteil der Gesamtfäche, rund 75'000 Quadratmeter, ist im Rahmen einer Seegrundsanierung bereits bereinigt worden. Doch auf einer Fläche von 16'000 Quadratmetern, was einer Fläche von mehr als zwei Fussballfeldern entspricht, befindet sich die am stärksten belastete Zone — direkt vor der Uferbefestigung.
Kanton will Fläche mit Sand und Kies abdecken
Diese Zone will der Kanton nicht etwa ebenso reinigen, sondern mit Kies und Sand zuschütten. Dies, weil laut dem kantonalen Amt für Abfall, Wasser und Eneregie (Awel) die Ablagerungen in dieser Zone dicker seien als erwartet.
Die Anwohner fordern unterdessen einen Abtrag der hochkontaminierten obersten Schicht. Derzeit läuft ein Verfahren gegen vor dem Baurekursgericht.
Der Kanton steht wegen seiner Kommunikationspolitik in der Kritik. Wie «Blick» unter Berufung auf Dokumente des Kantons nun berichtet, ordnete das Awel die Überschüttung bereits am 22. Januar 2022 an, kommunizierte dies jedoch lange Zeit nicht. Erst ein Jahr später gelangten die Informationen an die Öffentlichkeit, offiziell mitgeteilt wurden sie gar erst im April.
«Die Informations- beziehungsweise Desinformationspolitik von Kanton und Gemeinde war skandalös», sagt Marco Bähler (68), diplomierter Strahlenschützer aus Uetikon am See, gegenüber der Zeitung.
Für seine Informationspolitik hat sich der Kanton im April entschuldigt. Er sei der Ansicht gewesen, dass mit «der öffentlichen Auflage dem Informationsbedürfnis genügend Rechnung getragen» werde. «Diese Einschätzung erwies sich im Nachhinein als falsch, wofür wir uns entschuldigen», erklärte die Baudirektion des Kantons im April gegenüber der «NZZ».
Unzureichende Informationen für Sanierung
Hinzu kommt, dass der Kanton offenbar nicht alle für die Seegrundsanierung benötigten Informationen geliefert hat. So geht aus den Dokumenten hervor, dass die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Marti Uetikon, die zum Baukonzern Marti Holding AG gehört und die Seegrundsanierung durchführt, vom Kanton bei der Ausschreibung zum Teil im Dunkeln gelassen wurde.
Wie «Blick» aus den Dokumenten zitiert, seien die Angaben zum radioaktiven Radium «nicht stimmig» gewesen seien. Die Schadstoffe Fluorid und Chrom-6 seien gar «an keiner Stelle erwähnt» worden.
Stärker belastet als erwartet
Zudem bleibe weiterhin unklar, ob die Pläne des Kantons den Vorgaben des Bundes entsprechen. Denn laut der Vollzugshilfe «Belastete Standorte und Oberflächengewässer» vom Bundesamt für Umwelt ist es nicht zulässig, belastete Sedimente durch «aktives Überschütten» zu sichern.
Wie es weiter heisst, informierte der Kanton am Montagabend die Bevölkerung über die Altlasten. Demnach sei der Untergrund noch stärker als erwartet mit Schadstoffen belastet. Das Hauptproblem sei Arsen - rund 120 Tonnen davon werden im Boden vermutet. Täglich würden 25 Gramm Arsen in den See gelangen.