Konzert-Abbruch wegen Rastas Junge SVP lässt linke Beizer wegen Rassendiskriminierung büssen

phi

13.10.2023

Die Brasserie Lorraine musste wegen eines Lauwarm-Konzertes erst einen Shitstorm verkraften – und dann flatterte auch noch eine Busse ins Haus.
Die Brasserie Lorraine musste wegen eines Lauwarm-Konzertes erst einen Shitstorm verkraften – und dann flatterte auch noch eine Busse ins Haus.
Keyston

Die Junge SVP findet die Anti-Rassismus-Strafnorm einen «kompletten Witz». Doch sie nutzt sie, um gegen eine linke Berner Beiz vorzugehen, die ein Reggae-Konzert abgebrochen hat. Die Band will aber gar keine Hilfe der JSVP.

phi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am 18. Juli 2022 wurde ein Konzert der Reggae-Band Lauwarm in der Brasserie Lorraine in Bern abgebrochen.
  • Grund dafür war der Vorwurf der kulturellen Aneignung, weil zwei Bandenmitglieder Rastas und afrikanische Kleidung trugen.
  • Die Junge SVP hat die Beiz wegen Rassendiskriminierung angezeigt, weil Weisse benachteiligt würden.
  • Der Strategie-Chef der JSVP hält die Anti-Rassismus-Strafnorm zwar für einen «kompletten Witz», nutzt sie nun aber dennoch, um «woken Moralpredigern» eins auszuwischen.
  • Die Band Lauwarm selbst fühlt sich gar nicht diskriminiert und klagt, die JSVP wolle mit der Anzeige «polarisieren».
  • Die Brasserie Lorraine fechtet die Busse an: Der sonderbare Fall kommt nun vor ein Regionalgericht.

Die Brasserie Lorraine ist eine linke Berner Beiz. Ihre Grundsätze: «Die Brass bietet Platz für alle, die respektvoll miteinander umgehen. Wir tolerieren keine Diskriminierungen wie Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus, Klassismus, Glaubensfeindlichkeit et cetera.»

Und nun bekommt ausgerechnet die Brasserie Lorraine einen Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung. Angestossen hat diesen die Junge SVP. Dabei hält die Jungpartei die neue Anti-Rassismus-Strafnorm für einen «kompletten Witz».

Der Grund für den Strafbefehl ist der Abbruch eines Konzertes von Lauwarm vor über einem Jahr. Doch die Band selbst fühlt sich gar nicht als Opfer einer «Rassendiskriminierung»: Sie hält die Anzeige der JSVP für «polarisierend».

Dies ist eine Geschichte voller Widersprüche.

Fiechter kennt sich mit Rassendiskriminierung aus

Alles beginnt am 18. Juli 2022: Lauwarm spielt in der Brasserie Lorraine auf, doch die Reggea-Gruppe eckt mit ihrem Outfit an. Zwei der fünf Bandmitglieder tragen Rastas und afrikanische Kleidung. Das empfinden einige Gäste als kulturelle Aneignung.

«Lauwarm ist eine bunte Mundart Truppe aus fünf tollen, jungen Musikern, die unterschiedlicher nicht sein könnten», schreibt die Band über sich auf ihrer Website.
«Lauwarm ist eine bunte Mundart Truppe aus fünf tollen, jungen Musikern, die unterschiedlicher nicht sein könnten», schreibt die Band über sich auf ihrer Website.
Lauwarm

Die Frage ist: Dürfen Weisse, die den Kolonialismus und Rassismus zu verantworten haben, sich mit Kulturmerkmalen von Schwarzen schmücken? Als der Konzert-Abbruch bekannt wird, findet sich das Berner Lokal in einem Shitstorm wieder, ihm wird Intoleranz vorgeworfen.

Die Junge SVP belässt es aber nicht bei Worten, sondern erstatte Anzeige. Sie beruft sich dabei auf die Anti-Rassismus-Strafnorm, mit der sich die Partei auskennt. Nils Fiechter und Adrian Spahr, die das Co-Präsidium der Jungen SVP Kanton Bern bilden, sind Wochen zuvor vom Bundesgericht wegen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen worden. 

Der Grund: Eine Facebook-Wahlwerbung aus dem Jahr 2018. «JSVP-Kandidaten wählen – Transitplatz für Zigeuner verhindern!» wurde vom Gericht als herabsetzende und diskriminierende Kampagne identifiziert. Hat Nils Fiechter, der auch Chef Strategie der JSVP ist, nun seine Meinung über die Anti-Rassismus-Strafnorm geändert?

«Fühlten uns nie als Opfer einer ‹Rassendiskriminierung›»

Die Antwort ist ein klares Nein – vielleicht: Die Anti-Rassismus-Strafnorm ist für den 27-Jährigen immer noch ein «kompletter Witz»: «Unbescholtene Bürger werden dadurch mundtot gemacht», sagt Fiechter dem «Tages-Anzeiger». Seine Anzeige meint er gleichzeitig todernst: «Es fand ganz klar eine Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer Hautfarbe statt.»

Wenn die Band «nicht weiss-, sondern dunkelhäutig» gewesen wäre, hätte es keinen Konzertabbruch gegeben, glaubt der Jungpolitiker. Und nun nutzt er diesen «Witz», um selbst «mundtot» zu machen: «Wir zeigen den Linken damit auf, wie unsinnig die Strafnorm ist», sagt Fiechter. «Die woken Moralprediger kriegen nun ihre eigene Medizin zu spüren – und das ist gut so.» Das sei «Ironie der Geschichte».

Adrian Spahr (l.) und Nils Fiechter von der Jungen SVP Bern wollen «woken Moralpredigern» eins auswischen.
Adrian Spahr (l.) und Nils Fiechter von der Jungen SVP Bern wollen «woken Moralpredigern» eins auswischen.
Keystone

Diese sonderbare Geschichte ist aber noch nicht vorbei. Die Brasserie Lorraine hat Rekurs gegen die Busse eingelegt, sodass der Fall nun bald ein Regionalgericht beschäftigen wird. Und die Band, um die es dabei geht, setzt der ganzen Posse noch die Krone auf.

«Wir fühlten uns nie als Opfer einer ‹Rassendiskriminierung›», bekundet Lauwarm auf Nachfrage des «Tages-Anzeigers». «Eine Anzeige hielten wir stets für eine übertriebene und nicht zielführende Massnahme.» Man solle lieber miteinander reden, als durch Anklagen zu polarisieren. Dabei ist es genau das, was die JSVP erklärtermassen tun will. 

Fortsetzung folgt.