So weit rutschte die Brienzer Insel über Nacht
Nur kurz vor Brienz ist der Schuttstrom in der Nacht zum Erliegen gekommen: Die Felsmassen türmen sich nun bis zu 12 Meter hoch auf.
16.06.2023
Die Situation in Brienz hat sich beruhigt. In einigen Tagen könne die Bevölkerung voraussichtlich wieder im Dorf wohnen, sagen die Verantwortlichen heute. Doch der grosse Brienzer Rutsch geht weiter.
«In vier bis fünf Minuten ist der grösste Teil der Insel abgerutscht – runtergerauscht kann man sagen», beschreibt Geologe Stefan Schneider, das Ereignis bei einer Medieninformation am Mittwoch, zu Füssen des Schuttkegels.
«Wir dürfen nun in Tagen rechnen, in denen die Bevölkerung ins Dorf zurückkehren und wieder hier wohnen kann», freut sich Daniel Albertin, Präsident der Gemeinde Albula Alvra, in der Brienz liegt.
Der Gemeindepräsident und auch die weiteren Anwesenden äussern sich zuversichtlich. Christian Gartmann, Sprecher des Gemeindeführungsstabs, sagt: «Wir haben immer gesagt, je mehr abrutscht, ohne Schäden anzurichten, desto besser. Jetzt ist sehr viel abgerutscht.»
Schuttkegel ist 15 Meter hoch
Der grösste Teil der Insel sei nun unten, nur ein kleiner Rest oben geblieben, erklärt Geologe Schneider. 1,2 Millionen Kubikmeter seien abgerutscht und kurz vor dem Schulhaus zum Stehen gekommen. «Der Schuttkegel ist an seiner höchsten Stelle etwa 15 Meter hoch», gibt er eine weitere Grössenordnung preis.
Dass die verschüttete Strasse nach Lenz freigeräumt wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. Kanton und Gemeinde seien aber auch diesbezüglich im Gespräch, verrät Daniel Albertin.
Die letzten Abklärungen laufen, fährt der Geologe fort, aber alle Daten wiesen darauf hin, dass aktuell keine Gefahr für das Dorf bestehe. Voraussichtlich in wenigen Tagen kehrt Brienz in die Phase Gelb zurück, in der die Dorfbewohner*innen auch wieder die Nacht in ihren Häusern verbringen können.
Der grosse Brienzer Rutsch geht weiter
Aktuell werde noch die Wasserversorgung wiederhergestellt und auch die Stromversorgung brauche Pflege. Doch es wird klar, der Rückkehr der Brienzer*innen steht bald nichts mehr im Weg.
Was nicht heisst, dass der Berg nicht mehr rutscht. Albertin erinnert daran, dass die ganze Bergflanke bis hinunter an den Fluss Albula weiterhin in Bewegung sei. Neu stelle ein «Plateau» die grösste Gefahr dar. Dieses hab sich ebenfalls stark bewegt, als die Insel abgerutscht ist. Inzwischen habe die Geschwindigkeit des Plateaus aber wieder stark nachgelassen.
Dies liege auch am Sondierstollen, der den Wasserdruck im Hang senke, erklärt Andreas Huwiler vom Naturgefahren-Management des Kantons Graubünden. Dieser habe die Rutschgeschwindigkeit von 1,6 Meter pro Jahr auf einen Meter gesenkt. Mitte Juli entscheidet die Gemeinde über den Bau des definitiven Entwässerungsstollens, der den Rutsch weiter verlangsamen soll.