Fragen und Antworten: So steht es also um meinen Schutzraum
blue News Redaktorin Nicole Agostini ist Mieterin in Zürich. In ihrem Keller befindet sich ein privater Schutzraum. Sie hat sich dort umgeschaut und mit einem Experten gesprochen.
14.03.2022
blue News Redaktorin Nicole Agostini ist Mieterin in Zürich. In ihrem Keller befindet sich ein privater Schutzraum. Sie hat sich dort umgeschaut und mit einem Experten gesprochen.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die Bedrohungslage für den Westen über Nacht verändert. Täglich erreichen den Schweizer Zivilschutz Fragen aus der Bevölkerung. Auch blue Video-Redaktorin Nicole Agostini erinnerte sich daran, dass sich im Keller ihres Mietshauses ein Schutzraum befindet. Was genau sie dort vorfindet und welche Fragen sie dazu hat, siehst du im Video.
«Eine Sauna installieren»
Im Anschluss an den Video-Dreh blieben für sie noch viele Fragen offen. Im Interview beantwortet Urs Eberle, Leiter Kommunikation Schutz & Rettung der Stadt Zürich, die drängendsten Fragen:
Herr Eberle, wie viele Schutzräume gibt es in der Stadt Zürich?
Fast 7000 Schutzräume. Diese Zahl setzt sich aus öffentlichen und privaten Schutzräumen zusammen. Insgesamt finden darin 330'000 Personen Unterschlupf.
In welchem Zustand befinden sich die Schutzräume?
Die öffentlichen Schutzräume sind in einem guten Zustand. Sie werden von einem Team von sieben Mitarbeiter*innen der Abteilung Werterhaltung von Schutz & Rettung Zürich gewartet. Sie kontrollieren regelmässig die Belüftungs- und Elektroanlagen und prüfen zudem, ob die Wasserzufuhr in einem vorschriftsgemässen Zustand ist.
Gilt das für alle Anlagen in der Stadt?
Bei der Wartung muss man zwischen den grossen und kleineren Anlagen unterscheiden. In der grössten Schutzanlage Zürichs, dem Parkhaus Urania mit 11'000 Plätzen, ist die einwandfreie Funktionalität durch den täglichen, regulären Betrieb gewährleistet. Kleinere Schutzanlagen werden mindestens einmal im Jahr kontrolliert.
Wie oft werden private Schutzräume gewartet?
Private Schutzräume werden alle sechs Jahre kontrolliert. Hier achten wir vor allem auch darauf, dass keine fest montierten Einbauten installiert werden, die im Notfall nicht sofort zu entfernen sind. Wein lagern ginge in Ordnung, ein Sauna-Einbau hingegen ist verboten. Die Vorgabe des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS) ist, dass alle Installationen binnen 48 Stunden entfernt werden können.
In den letzten Jahrzehnten war die Bedrohungslage nicht gegeben. Hat man trotzdem in die Schutzraum-Infrastruktur investiert?
Seit dem Ende des Kalten Krieges nahm die Bedrohungslage tatsächlich merklich ab. Ein Krieg mitten in Europa galt als eher unwahrscheinlich. Dementsprechend investierte man keine grösseren Summen für zusätzliche Schutzbauten.
Wird sich das in Zukunft wieder ändern?
Das ist eine politische Entscheidung, die der Bund treffen muss. Noch vor wenigen Wochen war das Thema uninteressant. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine melden sich bei uns jedoch viele Menschen, die wissen wollen, wie sie sich in einem Ernstfall verhalten sollen. In der Schweiz haben wir die Situation, dass wir fast jeder Bürgerin und jedem Bürger einen Schutzplatz anbieten können. Das ist in Europa einzigartig.
Wie erfahre ich im Ernstfall, wo ich meinen Schutzplatz finde?
Erfordert es die sicherheitspolitische Lage, gibt der Bundesrat den Gemeinden und Städten den Auftrag, eine Zuweisungsplanung zu erstellen. Diese wird dann via Medien der Bevölkerung zugänglich gemacht.
Kann ich auch schon jetzt herausfinden, welcher Schutzraum für mich vorgesehen ist?
Auch das wollten in den letzten Tagen viele Leute wissen, insbesondere weil sie ihren Notvorrat bereits in ihrem Schutzraum deponieren wollten. Ich muss Sie aber enttäuschen: In den grossen Schweizer Städten sind die permanente Zu- und Abwanderung sowie die Bautätigkeiten so gross, dass eine Zuteilung in Friedenszeiten keinen Sinn macht.
Im Ernstfall: Was nehme ich in den Schutzraum mit?
Der Bund empfiehlt, sich für fünf Tage mit Lebensmitteln einzudecken. Das wären zum Beispiel neun Liter Wasser. Bei den Nahrungsmitteln sollte man darauf achten, dass sie möglichst lang haltbar sind und schnell zuzubereiten sind. Kochen im Schutzraum ist nicht sinnvoll und deshalb auch nicht vorgesehen. Empfehlenswert ist sicher, auch Hygieneartikel, eine Decke, Batterien und eine Taschenlampe sind sicher nützliche Accessoires.
Wie viel Zeit habe ich denn, mich für den Bezug eines Schutzraums vorzubereiten?
Sobald der Bund den Zuweisungsplan kommuniziert hat, sollten Sie sich auf den Bezug ihres Schutzraumes vorbereiten. Sollten Sie die Zuweisung für eine öffentliche Schutzanlage erhalten, nehmen Sie Ihre Vorräte beim Einzug in den Schutzraum mit.
Und wenn sich in meinem Wohnhaus ein privater Schutzraum befindet?
Dann macht es durchaus Sinn, Vorräte bereits im Vorfeld im Schutzraum zu deponieren. Bei privaten Schutzräumen ist es übrigens so, dass für die Inbetriebnahme der oder die Immobilienbesitzer*in zuständig ist. Er oder sie muss dafür sorgen, dass die Anlage für den Bezug parat ist.
Und wie erfahre ich, wann ich den Schutzraum wieder verlassen darf?
In öffentlichen Schutzräumen informiert der Anlagewart. Er ist für den Betrieb und die Wartung der Anlage zuständig. Diese Person wäre im Ernstfall auch im Schutzraum untergebracht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz geht davon aus, dass man maximal 14 Tage in einem Schutzraum verbringt. Man muss aber berücksichtigen, dass man sich nicht ununterbrochen im Schutzraum aufhalten würde. Das hängt natürlich mit der Bedrohungslage zusammen: Wenn es sich ähnlich wie in Kiew um Bombardements mit konventionellen Waffen handelt, verlassen Sie den Bunker nach der Entwarnung.