Affenpocken Höheres Risiko für Schwule? «Das ist nicht erwiesen»

Von Philipp Dahm

26.5.2022

Affenpocken: WHO hält Eindämmung für möglich

Affenpocken: WHO hält Eindämmung für möglich

Die Affenpocken sind weltweit auf dem Vormarsch. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO können Massnahmen wie Hygiene und präventives Sexualverhalten helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

24.05.2022

Beim Affenpocken-Virus haben Homosexuelle scheinbar «ein zusätzliches Risiko einer Ansteckung», schreibt das BAG. Das sei gar nicht erwiesen und und gefährde alle Betroffenen, wehrt sich Roman Heggli von Pink Cross.

Von Philipp Dahm

In Sachen Affenpocken-Virus ist die Verunsicherung in der Bevölkerung gross, die nach der Covid-Epidemie für Infektionskrankheiten – sagen wir – sensibilisiert ist. Es ist also nur folgerichtig, dass das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf seiner Homepage über die Krankheit aufklärt.

Eine Passage wirkt dabei aber fragwürdig. Der Punkt «Krankheitserreger und Übertragung» erklärt, dass Sex mit Infizierten «die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Mensch zu Mensch steigt». Dann der Satz des Anstosses: «Männer, welche Sex mit Männern haben, scheinen ein zusätzliches Risiko einer Ansteckung zu haben.»

Zwar verweist das BAG im Folgenden darauf, dass «die Übertragungswege aktuell wissenschaftlich vertieft untersucht werden», doch die Aussage steht im Raum, dass die Infektion Homosexuelle besonders trifft. «Das ist momentan wissenschaftlich so gar nicht erwiesen», wendet Roman Heggli ein, Geschäftsleiter von Pink Cross ein. Die Organisation setzt sich für die Rechte der LGBTIQ-Gemeinde ein.

Die LGBTQ-Gemeinde zeigt Flagge beim Treffen des Pro-Komitees «Ja zum Schutz vor Hass für Lesben, Schwule und Bisexuelle» im Februar 2020 in Bern. Ganz links: Roman Heggli.
Die LGBTQ-Gemeinde zeigt Flagge beim Treffen des Pro-Komitees «Ja zum Schutz vor Hass für Lesben, Schwule und Bisexuelle» im Februar 2020 in Bern. Ganz links: Roman Heggli.
KEYSTONE

«Es ist ein voreiliger Schluss»

«Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass es ein reiner Zufall war, dass das Affenpocken-Virus an Festen ausgebrochen ist, an denen hauptsächlich Männer verkehren, die Sex mit Männern haben (MSM), und deshalb nun aktuell besonders MSM betroffen sind», erklärt der Aktivist. «Gleichzeitig sieht man ja, dass auch heterosexuelle Personen und sogar Kinder vom Affenpocken-Virus betroffen sein können. Es ist ein voreiliger Schluss, davon auszugehen, dass es nur MSM betreffen würde.»

Dass in diesem Zusammenhang mit dem Finger auf Homosexuelle gezeigt wird, überrascht Heggli nicht. «Wir kennen das von den Anfängen von HIV, das ganz klar als ‹Schwulen-Krankheit› galt, bis man gemerkt hat, dass auch ganz andere Gruppen betroffen sein können. Da zeigt sich dann das Problem, das entsteht, wenn man sich zu stark auf eine Gruppe fokussiert und diese dann vielleicht sogar diskriminiert.»

«Wir kennen das von den Anfängen von HIV»: Homophobe Demonstranten protestieren am 25. Juni 1990 an der Fith Avenue in New York gegen die Gay-Pride-Parade.
«Wir kennen das von den Anfängen von HIV»: Homophobe Demonstranten protestieren am 25. Juni 1990 an der Fith Avenue in New York gegen die Gay-Pride-Parade.
AP

Das schade nicht nur der Community selber, sondern allen Betroffenen, findet Heggli. «Weil sie die Symptome entweder selbst nicht erkennen oder nicht zum Arzt gehen, weil sie Angst haben, vom Arzt oder von der Gesellschaft stigmatisiert zu werden.» Das BAG erweise MSM einen Bärendienst: «Es kann eine bestehende Negativität gegenüber queeren Menschen bestärken», mahnt Heggli.