Milliarde an die EU «Mit dieser Hauruck-Übung habe ich Mühe»

Von Alex Rudolf

11.8.2021

Nach dem Nein zum EU-Rahmenvertrag will der Bundesrat mit einer Milliardenzahlung ein positives Signal nach Brüssel senden. Doch das Parlament hat ihn schon einmal ausgebremst in diesem Dossier. Wiederholt sich die Geschichte? Wir haben nachgefragt.

Von Alex Rudolf

Die Schweiz zahlt der EU rund 1,3 Milliarden – die sogenannte Kohäsionsmilliarde. Daran gibt es nichts zu rütteln, denn im Gegenzug erhält sie Zugang zum EU-Binnenmarkt. Die Rechnung hatte der Bundesrat jedoch ohne das Parlament gemacht. Dieses schob der Zahlung 2019 einen Riegel. Demnach sollte das Geld nur ausbezahlt werden, wenn die EU keine «diskriminierenden Massnahmen» gegen die Schweiz verhängt.

Weil die EU 2019 der Schweizer Börse die Äquivalenz aberkannte, liegt aber nach Ansicht des Parlaments genau eine solche Massnahme vor. Nun appelliert der Bundesrat an das Parlament, auf diese Bedingung zu verzichten. Besonders wegen der gescheiterten Verhandlungen zum Rahmenvertrag ist eine Verbesserung der Beziehungen dringend notwendig.

Das sagt die EU
Schweizer und Europa Fahnen fotografiert am 18. Mai in Zuerich.
(KEYSTONE/Gaetan Bally)
KEYSTONE

Nun will der Bundesrat die blockierten Gelder der Kohäsionsmilliarde so schnell wie möglich zahlen. Die Europäische Union freut's. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagt auf Anfrage von «blue News», dass die Milliarde die Gegenleistung der Schweiz für den Zugang zum EU-Binnenmarkt und die daraus entstandenen Vorteile sei. «Die Kohäsionsmilliarde ist weder ans institutionelle Rahmenabkommen noch an spezifische Inhalte wie die Börsenäquivalenz gebunden.»

Geht es nach dem Bundesrat, sollen sich in der Herbstsession beide Räte mit der Vorlage befassen. Dieses Tempo ist ungewöhnlich schnell. Das letzte Wort, ob die Vorlage nun kommt oder nicht, ist entsprechend noch nicht gefallen.

Auch die Aussenpolitiker*innen im Bundeshaus sind sich nicht einig, was sie vom Vorgehen des Bundesrates halten sollen. Ständerätin Andrea Gmür (Die Mitte/LU) ist skeptisch. «Ich hatte bereits Mühe mit dem Abbruch der Verhandlungen mit der EU und mit dieser Hauruck-Übung habe ich ebenso Mühe», sagt sie auf Anfrage. So sehe sie nicht ein, warum es plötzlich derart schnell gehen müsse. «Ich will, dass die beiden Räte in Ruhe die Möglichkeit haben, dieses Geschäft zu prüfen.»

SVP will Geld gar nicht erst zahlen

Für Nationalrat Roger Köppel (SVP/ZH) ist der Fall klar: Die Zahlung gehört abgelehnt. «Wir dürfen die Kohäsionsmilliarde nicht freigeben, solange die EU die Schweiz wegen ihrer Ablehnung des Rahmenvertrages schikaniert», sagt er.

Für Nationalrat Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) handelt es sich bei dem Eiltempo um ein positives Signal in Richtung Brüssel. «Das Parlament kann auf diese Weise zeigen, dass es mit der EU eine gute Zusammenarbeit anstrebt.»

«Nun geht es nur noch um die Freigabe. Ein Geschäft, das beide Räte innert der dreiwöchigen Herbstsession ohne stundenlange Beratung behandeln können.»

Die Grünliberalen sprachen sich stets für eine zügige Zahlung aus. Das Argument, dass sich die Räte nochmals Zeit zur Beratung nehmen wollen, hält Nationalrat Roland Fischer (GLP/LU) für fadenscheinig. «Die Kohäsionsmilliarde wurde im Rat diskutiert und verabschiedet. Nun geht es nur noch um die Freigabe. Ein Geschäft, das beide Räte innert der dreiwöchigen Herbstsession ohne stundenlange Beratung behandeln können.»

Auch die SP will ein positives Signal senden. Nationalrätin Claudia Friedl (SP/SG) sagt, dass es nach dem abrupten Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenvertrag nun ein solches Zeichen braucht. «Wir sind Teil von Europa und müssen gut zusammenarbeiten können.» Das Geld sei ja bereits bewilligt und man bezahle es ohnehin.

Arslan: «Auch die Schweiz profitiert»

Auch Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne/BS) ist für eine rasche Abwicklung. «Was viele ausser Acht lassen: Auch die Schweiz profitiert von den Massnahmen, für die das Geld eingesetzt wird.» Den östlichen EU-Staaten würden mit der Kohäsionsmilliarde Projekte ermöglicht, die das soziale Gefälle in Europa verkleinern.

Arslan ergänzt: «Basel hätte wohl auf die Einführung des Bettelverbots verzichten können, wenn die Ost-Staaten wirtschaftlich besser dastünden und weniger ihrer Einwohner*innen aus wirtschaftlicher Not in andere Länder wie zu uns in die Schweiz kommen müssten.»