Zuwanderungs-Initiative Gegnerin warnt: «Kriselnde SVP darf nicht unterschätzt werden» 

Von Julia Käser

12.2.2020

Der Streit um die Zuwanderung geht in eine weitere Runde: Im Mai entscheidet das Volk über die Begrenzungsinitiative der SVP. Die Partei steckt in einer Krise – ein Vorteil für die Gegnerinnen und Gegner?

Erst musste die SVP bei der Selbstbestimmungsinitiative eine herbe Niederlage einstecken, dann folgte der massive Sitzverlust bei den eidgenössischen Parlamentswahlen, und nun harzt die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin für den scheidenden Präsidenten Albert Rösti – die Volkspartei steckt in einer Krise.

Eine Tatsache, die die Gegnerinnen und Gegner der Begrenzungsinitiative bereits vor dem Abstimmungskampf aufatmen lässt? Am 17. Mai nämlich heisst es einmal mehr «alle gegen die SVP». Nach der erfolgreichen Masseneinwanderungsinitiative sowie der abgeschmetterten Durchsetzungsinitiative unternimmt die Volkspartei den dritten Versuch, die Zuwanderung zu stoppen.

Eine Widersacherin der Vorlage ist Laura Zimmermann, Co-Präsidentin der Operation Libero. Und sie warnt davor, die SVP wegen ihrer augenscheinlichen Krise zu unterschätzen: «Sich davon täuschen zu lassen, wäre verheerend – und würde schlimmstenfalls so enden wie 2014.» Damals wurde die Masseneinwanderungsinitiative mit 50,3 Prozent Ja-Stimmen knapp angenommen.

SVP hängt Plakate in allen Schweizer Gemeinden auf

Auch seitens SVP glaubt man nicht, dass sich die momentane Situation negativ auf die Abstimmung auswirken wird. Dass etwa die Frage nach der Rösti-Nachfolge die Begrenzungsinitiative in den Schatten zu stellen vermag, verneint Kampagnenleiterin Esther Friedli (SVP): «Das ist eine innerparteiliche Angelegenheit, die vor allem medial ausgeschlachtet wird, während sich die Bevölkerung mit anderen Problemen beschäftigt.»



Einer dieser Brennpunkte sei eben die Zuwanderung. Hier wolle die SVP mit ihrer Initiative das Problem an der Wurzel packen. «Die Menschen bekommen die Folgen der hohen unkontrollierten Zuwanderung täglich zu spüren – sei es die überlastete Infrastruktur auf dem Arbeitsweg oder die Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen.»

Laut Friedli beginnt der offizielle Abstimmungskampf diesen Donnerstag. Dann nämlich lanciert die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS), die zusammen mit der SVP das Initiativkomitee bildet, ihre Kampagne. Jene der SVP wird folgen. «Und mit der Plakatierung haben wir vielerorts bereits in den vergangenen Tagen begonnen.»

Dass die wählerstärkste Partei ankündigt, in sämtlichen Schweizer Gemeinden wild zu plakatieren, ist für Zimmermann ein deutliches Zeichen dafür, wie intensiv die SVP auch dieses Mal Abstimmungskampf betreiben wird. Sich bereits jetzt in irgendeiner Form triumphierend über den Ausgang der Abstimmung zu äussern, erachtet sie deshalb als gefährlich.

«Argumente und nicht Geld gewinnen Abstimmungen»

Tatsächlich hat sich schon bei der Selbstbestimmungsinitiative 2018 gezeigt, dass die SVP bereit ist, viel in einen Abstimmungskampf zu investieren, wenn sie alleine dasteht. Zwischen sieben und acht Millionen Franken sollen sowohl das Ja- als auch das Nein-Lager für sämtliche Kampagnen ausgegeben haben – so die Rechnung des «Tages-Anzeigers».

Wird die Mobilmachung zur Begrenzungsinitiative ähnlich kostspielig? Schliesslich bezeichnete Bundesrätin Karin Keller-Sutter (FDP) die Vorlage als «wohl wichtigste Vorlage der Legislatur» und «EU-politische Weichenstellung».



Friedli äussert sich nicht zu konkreten Zahlen, sagt aber: «Es wird ein Kampf David gegen Goliath. Die Economiesuisse wird auf der Gegenseite Millionen in den Abstimmungskampf stecken, während wir mit Herzblut und den besseren Argumenten für die Initiative einstehen werden.» 

Auch Zimmermann sagt, Geld sei zwar ein wichtiger, aber nicht der ausschlaggebende Punkt, denn: «Sichtbarkeit und Kampagnen kosten, aber mit keinem Geld der Welt kann ein Abstimmungssieg gekauft werden. Um zu gewinnen, braucht es die richtigen Argumente.»

Auch Operation Libero lanciert Kampagne

«Je gefährlicher eine Vorlage ist, desto stärkerer Widerstand bildet sich, und desto zahlreicher sind die Gegnerinnen und Gegner», so Zimmermann weiter. Die Operation Libero werde deshalb in Kürze ebenfalls eine eigene Kampagne gegen die Begrenzungsinitiative lancieren.

Das Volksbegehren reiht sich – in den Augen von Zimmermann – in eine Serie von Zuwanderungs-Initiativen aus dem Hause SVP,  die in erster Linie ein «höchst problematisches Mittel» seien, um politische Kampagnen zu fahren. Würden sie dann aber vom Volk angenommen, ziehe sich die Partei als erste aus der Affäre. Das habe die Erfahrung mit der Masseneinwanderungsinitiative gezeigt.

«Geht es dann um die Umsetzung, will die SVP schnell nichts mehr damit zu tun haben.» Zimmermann hofft schliesslich auf ein deutliches Nein, und darauf, dass ein ebensolches ein wichtiges Zeichen gegen die Initiativ-Flut der SVP setzt.

Friedli widerspricht vehement: «Die SVP ist sehr wohl bereit, im Parlament bei der Umsetzung der Volksentscheide mitzuhelfen – vorausgesetzt, deren Sinn und Zweck entspricht dem Willen des Volkes und der Initianten.» Denn genau das sei bei der Masseneinwanderungsinitiative mit dem Inländervorrang light nicht geschehen und müsse nun durch die Begrenzungsinitiative korrigiert werden. 

Das will die Initiative

Mit der Begrenzungsinitiative fordert die SVP die «eigenständige Regelung der Zuwanderung» und will letztere begrenzen. Lanciert wurde die Initiative, weil sich Bundesrat und Parlament laut Initianten geweigert haben, die 2014 vom Volk angenommene Masseneinwanderungsinitiative umzusetzen. Bei einem Ja zur Vorlage müsste die Personenfreizügigkeit mit der EU innerhalb eines Jahres neu verhandelt werden. Sollte das nicht gelingen – wovon ausgegangen wird – müsste die Schweiz das Abkommen kündigen. Neue Verträge, die Ausländerinnen und Ausländern Personenfreizügigkeit gewähren, wären verboten. Gegnerinnen und Gegner warnen davor, dass die Vorlage die guten Beziehungen der Schweiz zur EU aufs Spiel setze und zur Auflösung der Bilateralen 1 führe. 

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite