Schweizer Waffen für Ukraine Ex-Botschafter in Kiew warnt vor «Neutralitäts-Fetischismus»

SDA/dor

28.3.2023 - 05:21

Awdijiwka soll geräumt werden

Awdijiwka soll geräumt werden

Es sind bedrückende Bilder, die mutmasslich aus dem umkämpften ukrainischen Awdijiwka kommen, wo kaum noch ein Stein auf dem anderen zu liegen scheint. Berichte aus dem Kriegsgebiet lassen sich allerdings nicht unabhängig überprüfen. Doch der Chef der örtlichen Militärverwaltung berichtet, Awdijiwka gleiche immer mehr einem Ort aus postapokalyptischen Filmen.

27.03.2023

Claude Wild, bis vor Kurzem Botschafter der Schweiz in Kiew, hat Zweifel am Verbot der Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion an die Ukraine geäussert. 

Die Schweiz müsse bei dem Entscheid über die Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion an Kiew ihre eigenen Sicherheitsinteressen bedenken, sagte Claude Wild, bis vor Kurzem Schweizer Botschafter in der Ukraine, am Montag in der Sendung «Talk täglich» von «Tele Züri». Dass die Schweiz nicht Teil eines Militärbündnisses sein oder direkt Waffen liefern könne, werde in der Ukraine gut verstanden, so Wild. Dass das Land auch indirekte Waffenlieferungen blockiere, sei dagegen «sehr schwierig zu erklären».

«Man kann sich auch fragen, ob dies eigentlich im Sicherheitsinteresse der Schweiz ist», fügte der Diplomat an. Denn Neutralität dürfe nicht bedeuten, dass man indirekt den Aggressor unterstütze. Genau dies werde der Schweiz jedoch vorgeworfen.

Neutralität als Mittel um Zweck

Letztlich müsse die Neutralität den Werten der Schweiz und ihrer Sicherheit dienen, argumentierte Wild: «Wir haben kein Interesse, nützliche Idioten eines Aggressors zu werden.» Vielmehr sei es im Sicherheitsinteresse des Landes, dass die Ukraine den Angreifer zurückdrängen könne. Die Schweiz müsse aufpassen, dass die nicht in einen «Neutralitäts-Fetischismus» verfalle.

Luftbild der Zerstörung in Bachmut im Osten der Ukraine. (26. März 2023)
Luftbild der Zerstörung in Bachmut im Osten der Ukraine. (26. März 2023)
Bild: Keystone/AP Photo/Libkos

Hintergrund der Debatte sind Gesuche unter anderem aus Spanien, Deutschland und Dänemark, in der Schweiz hergestellte Rüstungsgüter an Kiew weitergeben zu können. Der Bundesrat lehnte dies bislang stets ab – mit Verweis auf das Neutralitätsrecht und die Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes.

Gemäss geltendem Recht müssen Staaten beim Kauf von in der Schweiz hergestellten Rüstungsgütern eine Erklärung abgeben, diese nur mit Einwilligung der Eidgenossenschaft weiterzugeben. Die Waffen-Weitergabe an kriegführende Staaten ist nicht bewilligungsfähig.

Diskussion im Parlament geht weiter

Zwei Vorstösse, die eine Lockerung, der Wiederausfuhr-Bestimmungen forderten, scheiterten in der Frühjahrssession im Parlament. Mehrere parlamentarische Initiativen zum Thema sind noch hängig.

Wild wird künftig als ständiger Vertreter der Schweiz beim Europarat in Strassburg tätig sein. Mitte März hatte der Bundesrat Félix Baumann, bis anhin Botschafter bei der Uno-Abrüstungskonferenz in Genf, zum ausserordentlichen und bevollmächtigten Botschafter in der Ukraine und in der Republik Moldau mit Sitz in Kiew ernannt.

SDA/dor